Nummer 320 - Februar 2001 | Trinidad & Tobago

Indisch-afrikanische Rivalität

Putschgerüchte nach Parlamentswahlen in Trinidad und Tobago

Florida liegt zwar nicht auf Trinidad und auch nicht auf Tobago, doch die dortige Wahlfarce scheint auch an Trinidad und Tobago nicht spurlos vorüber gegangen zu sein. Auch wenn Basdeo Panday schon neun Tage nach den Wahlen seinen Amtseid ablegen durfte, scheint das Wahlergebnis immer noch nicht auf breite Akzeptanz zu stoßen. Der indischstämmige Premier hat sich offen mit dem afrotrinidadischen Präsidenten Arthur Napoleon Jonathan Robinson und dem afrotrinidadischen Oppositionsführer Patrick Manning überworfen.

Martin Ling

Dass es bei den Parlamentswahlen wieder knapp werden würde, war von vornherein klar. Noch immer wählen die beiden größten Ethnien Trinidads vorwiegend entlang ethnischer Linien; die Indischstämmigen den United National Congress (UNC), die Afrikanischstämmigen das People’s National Movement (PNM). Und da beide Ethnien rund 40 Prozent der Bevölkerung stellen, ist ein Patt oder Beinahe-Patt die Regel.
So auch diesmal. Der UNC errang bei den jüngsten Wahlen 19, das PNM 16 Sitze. Der letzte Sitz ging an die National Alliance for Reconstruction (NAR), die Partei des Präsidenten Robinson. Ein vergleichsweise klares Ergebnis für die Karibikinsel, hatten vor fünf Jahren doch PNM und UNC jeweils 17 Sitze erhalten und Panday nur die Koalition mit der afrotrinidadischen NAR, die die beiden Sitze auf der kleinen Schwesterinsel Tobago gewann, in den Ministerpräsidentensessel verholfen (vgl. LN 282). Auf die NAR ist der UNC diesmal nicht angewiesen, konnte er doch erstmals einen Sitz auf Tobago erobern und zudem in Hochburgen des PNM entscheidend zulegen. Sehr zum Missfallen von Patrick Manning, Pandays Vorgänger als Ministerpräsident und Dauerrivalen. Nach seiner zweiten Niederlage in Folge kämpft er nun um das eigene politische Überleben – mit juristischen und aktionistischen Mitteln.

Gewinner mit Doppelpass

Zwei Kandidaten des UNC hätten überhaupt nicht antreten dürfen, weil sie eine ausländische Staatsbürgerschaft besäßen, so Manning. Zu allem Überfluss gewannen die beiden Kandidaten mit doppeltem Pass, Winston „Gypsy“ Peters (USA) und Bill Chaitan (Kanada) für den UNC Sitze – entscheidende, wenn man sich das knappe Ergebnis vor Augen führt. Mannings Einspruch beim Obersten Gerichtshof schlug fehl und inzwischen sind die beiden als Staatssekretäre gar im Kabinett angelangt. Doch Manning ließ nicht locker und rief Ende Januar zu Demonstrationen gegen die „illegale Regierung“ auf.
Und Panday nimmt den Fehdehandschuh auf – wieder einmal, denn die Auseinandersetzungen zwischen ihm und Manning sowie den afrotrinidadischen Medien zogen sich durch seine ganze erste Amtszeit. Panday erklärte wenige Tage nach Mannings Demonstrationsaufruf, dass die Regierung Informationen darüber erhalten hätte, dass bestimmte Gruppen Waffen ansammeln würden mit dem Ziel, gewaltsam die Macht zu übernehmen. Wer mit den bestimmten Gruppen gemeint ist, ist ein offenes Geheimnis: Anhänger von Manning.
Wieviel an diesen Putschgerüchten dran ist, lässt sich schwer sagen, doch für weitere Unruhe ist erstmal gesorgt. Und Panday hat auch schon im Zuge der Kabinettsbildung seinen Teil dazu beigetragen, dass die Krise so richtig in Gang kam.

Kabinett der Looser

Panday nominierte nämlich ein Kabinett der VerliererInnen. Sieben der von ihm vorgeschlagenen Kabinettsmitglieder hatten bei den Wahlen ihren Parlamentssitz verloren und sollten nun mit Regierungsposten entschädigt werden. Ein Unding, fand nicht nur das PNM, sondern auch der Präsident Arthur Robinson. Der weigerte sich schlicht, die „Looser“ zu vereidigen. In einer Rede an die Nation warf er Panday vor, mit seiner Kabinettsliste dem WählerInnenwillen Hohn zu sprechen. Ein Gebaren, so Robinson, dass zu einer Diktatur führen könnte. Doch davon ist Trinidad noch weit entfernt. Kurioserweise haben sich die Streithähne Panday und Robinson politisch gegenseitig viel zu verdanken. Panday wäre 1995 ohne die Unterstützung der NAR von Robinson nicht Ministerpräsident geworden und Robinson selbst verdankt seine Präsidentschaft der Unterstützung Pandays. Doch jetzt scheint das Tischtuch zerschnitten. Aber bei allen Streitigkeiten verläuft der Kampf um die politsche Hegemonie in Trinidad und Tobago in gewaltfreien Bahnen – noch zumindest.

Kasten: Historische Rahmendaten

Die Bevölkerungsmehrheit auf Trinidad besteht aus Nachkommen afrikanischer SklavInnen und indischstämmigen BewohnerInnen, Nachkommen der indischen VertragsarbeiterInnen, die nach Abschaffung der Sklaverei mit dem so genannten Indentursystem (Vertragsarbeitssystem) auf die Insel kamen. 150.000 ArbeiterInnen wurden in den Jahren von 1844 bis 1917 für die Zuckerplantagen angeworben. Ihre Kontrakte enthielten den kostenlosen Rücktransport nach Vertragsablauf. Die steigenden Reisekosten brachten die Verwaltung der seit 1802 britischen Kolonie auf die Idee, den ArbeiterInnen alternativ Kronland auf der Insel anzubieten. Etwa drei Viertel griffen darauf zurück. So kamen zu den christianisierten Afrikanischstämmigen indische Hindus und zu einem geringeren Teil Muslime hinzu. Während sich bis heute die Landbevölkerung überwiegend aus indischen Nachfahren konstituiert, haben sich die Schwarzen und Mulatten in den Städten niedergelassen und stellen das Gros der Industriearbeiterschaft und der öffentlichen Angestellten. So sind von den 350.000 EinwohnerInnen der Hauptstadt Port of Spain gerade mal zehn Prozent indischer Abstammung. Nach dem Sieg des afrotrindadischen Peoples National Movement (PNM) bei den Wahlen von 1956 wurden die Schlüsselstellungen von Verwaltung und Justiz durch Angehörige der afrotrinidadischen Mittelschicht besetzt – die Macht der weißen Oberschicht erodierte. Die PNM war Anfang der fünfziger Jahre von Angehörigen der schwarzen Bildungselite aus der Mittelschicht gegründet worden. Vorsitzender wurde der Oxford-Absolvent und renommierte Historiker Eric Williams, der bis zu seinem Tode 1981 die Entwicklung der Insel nachhaltig prägen sollte. Eric Williams betonte zwar den multiethnischen Charakter der Partei, dennoch entwickelte sie sich zu einer Partei der schwarzen Mittelschicht mit proletarischer Massenbasis. Die Inder reagierten mit der Gründung eigener Parteien. Während die Afrotrinidadier die Unabhängigkeit forcierten, blieben die Indotrinidadier reserviert, sahen sie darin doch einen Ausbau der Dominanz der PNM. Mit Recht: Von der Unabhängigkeit 1962 bis 1986 stellte die PNM allein die Regierung. Dann unterlag sie dem ethnisch und ideologisch disparaten Parteienbündnis der National Alliance for Reconstruction (NAR). Ministerpräsident wurde ein Schwarzer, Arthur Robinson, obwohl die indotrinidadische United Labor Front (ULF), inzwischen United National Congress (UNC), um Basdeo Panday die meisten Stimmen zum Wahlsieg beigetragen hatte. Eben jener Basdeo Panday wurde nach den letzten Wahlen 1995 zum ersten indischstämmigen Ministerpräsidenten gekürt. Seitdem findet der Kampf um die politische Hegemonie zwischen der indotrinidadischen Regierung und der afrotrinidadischen Presse statt.

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