Land und Freiheit | Nummer 454 - April 2012

„Kein Ackerbau, keine Jagd, kein Fischfang mehr“

Zwist um Kohlendioxid-Emissionsrechte für indigenes Land in Pará, Brasilien

Nach dem Erscheinen eines Berichts des Portals A Pública über den Verkauf indigenen Landes ist in Brasilien eine heftige Debatte über die sogenannten Kohlendioxid-Emissionsrechte für Wälder entbrannt.

Christian Russau

„Wir pflanzen hier Maniok, Kartoffeln, Zuckerrohr, Süßkartoffeln und Bananen an. Wir fischen, jagen, roden ab und an einen Baum, wenn wir das brauchen.“ So beschreibt der Kazike der indigenen Gemeinschaft der Munduruku im Bundesstaat Pará, Osmarino Manhoari Munduruku, das traditionelle Wirtschaftsleben der in 111 Dörfern lebenden 6.000 Mundurukus. Doch all das sollte ihnen untersagt werden, wie ein vor kurzem erschienener investigativer Bericht von Journalist_innen des Portals A Pública aufzeigt. Droht den Munduruku das Leben im Regenwald als Park (siehe LN 419)?
Im Bundesstaat Pará wollte die Firma Celestial Green Ventures mit Sitz in Dublin das Land der Munduruku für jährlich vier Millionen US-Dollar pachten, bei einer Laufzeit von 30 Jahren. Die Firma plante im Gegenzug, über den freiwilligen Emissionshandel sogenannte Emissionsrechte für das im Wald gebundene Kohlendioxid feilzubieten. Der Deal mit den Munduruku ist laut A Pública einer von vielen, die die Firma in Brasilien unternimmt.
Das Kyoto-Protokoll sieht Mechanismen für den Handel mit Emissionsrechten vor, wenn in den Ländern des Südens beispielsweise bei Industrieprojekten Kohlendioxid mindernde Technologie eingesetzt wird – Clean Development Mechanism heißt das dann. Doch für Wälder gibt es diesen Mechanismus noch nicht. Der Plan, für den Erhalt von Wäldern über das sogenannte REDD – die Reduzierung von Emissionen bei Abholzung und Walddregradierung – Kohlendioxid-Rechte zu vergeben (siehe LN 414), wird gleichwohl in der Praxis von Unternehmen derzeit in Angriff genommen und an einem noch ungeregelten Markt gehandelt. Dem Plan nach sollte sich das Pachten des Landes der Munduruku für die Firma aus Dublin rechnen. Doch die Munduruku mutmaßten recht schnell, dass die Sache einen Haken hat.
Denn den Indigenen wurde zwar von der Firma versprochen, kein Weißer würde mehr ihr Land betreten oder ihnen Rohstoffe von dort wegnehmen dürfen. Das klang zunächst verlockend, nicht mehr der Bedrohung durch die Tropenholzmafia oder illegale Brandroder ausgesetzt zu sein. Aber bald erfuhren die Munduruku, dass auch sie selbst dort keinen Ackerbau, keine Jagd, keinen Fischfang mehr betreiben dürften. Wovon sollten die Munduruku dann leben? Celestial Green sagte den Indigenen, sie würden ihnen das Geld für Lebensmittel geben, berichtet der Kazike Manhoari. „Und wir Indígenas könnten da nichts mehr tun, rein gar nichts“, erboste er sich. Als sie das begriffen, „da meinte die Mehrheit [von uns], dass das nicht richtig ist“, so Manhoari gegenüber A Pública.
Die Indigenenbehörde FUNAI zeigte sich entsetzt, da sie in den ganzen Vorgang nicht einbezogen worden war. Hinzu kommt, dass die von einigen Munduruku vorschnell unterzeichneten Verträge laut Jurist_innen gar keine Gültigkeit haben, da das Land zwar indigenes Territorium, aber Bundeseigentum ist. João Camerini, Rechtsanwalt der Menschenrechtsorganisation Terra de Direitos, warf der Firma gar vor, sich nicht nur die Ressourcen als Kohlendioxid-Emissionsrechte aneignen zu wollen, sondern sich auch anzumaßen, die physische Kontrolle über das Gebiet zu erlangen. „In einigen Vertragsklauseln will [die Firma] die Rolle des Staates einnehmen“, kritisiert der Anwalt. „Das Ganze ist total illegal“, meint Camerini. Dies sieht auch die Bundesstaatsanwaltschaft so. Sie kündigte an, sich umgehend in den Fall einzuschalten.

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