Berlinale | Kolumbien

Living la vida de Barrio

La piel en primavera verbreitet Feel-Good-Vibes aus der lateinamerikanischen Working Class

Von Dominik Zimmer

© Monociclo Cine

Die Busstrecke ist neu für Sandra, ihre neue Arbeitsstelle liegt außerhalb ihres Wohnviertels in der kolumbianischen Metropole Medellín. Den Ausstieg muss sie deshalb beim Busfahrer in Erfahrung bringen. Mit ungeahntem Erfolg: Die Nachfrage bringt ihr zuerst ein Gratisbonbon und später einen Sitzplatz neben dem Motorista ein. Ein guter Start in ihren neuen Job als Security-Mitarbeiterin in einem Shopping-Center.

Sandra (Alba Liliana Agudelo Posada) ist die Protagonistin in La piel en primavera (Die Haut im Frühling), dem ersten Spielfilm der kolumbianischen Regisseurin Yennifer Uribe Alzate. Wie der Titel verspricht, herrscht Frühling in Medellín, was für die Charaktere des Films bedeutet: Überall ertönt Musik, Arbeit wird dem Vergnügen untergeordnet und es wird geflirtet, was das Zeug hält. Zu Beginn will Sandra dabei zwar nicht mitmachen. Aber irgendwann wird es einfach zu viel: Der halbwüchsige Sohn knutscht mit seiner neuen Freundin auf der Terrasse, die Kolleginnen tratschen über ihre Ausschweifungen beim Betriebsausflug und die Putzfrau preist in den höchsten Tönen die neuen Dildos aus ihrem Nebenerwerb, einem Online-Sex-Shop an. Also Lippenstift aufgetragen, Outfit aufgefrischt und rein ins Dating-Leben!

La piel en primavera ist ein Film, der gar nicht erst versucht, besonders Außergewöhnliches zu präsentieren und vielleicht genau deshalb so gut funktioniert. Das Arbeiter*innenviertel Barrio Belén Las Violetas mit seinen unverputzten Ziegelsteinwänden gibt dazu den passenden Hintergrund ab: Wenig Glamour, aber dafür umso mehr Atmosphäre für eine Geschichte, die so repräsentativ ist für das Leben in einer lateinamerikanischen Großstadt. Die alleinerziehende Sandra lebt selbstbestimmt, ihre Autonomie wird durch das häufige Rauchen auf dem eigenen Balkon visualisiert. Sie holt sich Selbstbewusstsein im Job, trifft sich mit ihren Freundinnen zum Tanzen oder kümmert sich mit wechselndem Erfolg um die Herzensangelegenheiten ihres Teenager-Sohns und um ihr eigenes Liebesleben. Mit Handkamera und häufigen Close-Ups wird den Darsteller*innen auf den Leib gerückt, die Musik spielt unaufhörlich im Hintergrund und die feuchte Hitze der Stadt ist im Kinosaal fast physisch spürbar. Dazu kommt ein ausgefeiltes Surround-Soundmanagement: Im Bus sind die Rufe der Fahrgäste vorne und die Ansagen des Lautsprechers hinten zu hören und auch auf der Straße scheinen Gesprächs- und Geräuschfetzen von überall her zu kommen. Das fühlt sich so gut und mitten aus dem Leben gegriffen an, dass man sogar dem Plot manche klischeehafte Wendung verzeiht. Ohnehin geht es La Piel en Primavera aber offensichtlich mehr um ein Lebensgefühl als um eine ausgefeilte Story: Wer auf verzwickte Drehbuch-Twists hofft, sollte um den Film eher einen Bogen machen. Regisseurin Uribe Alzate ist trotzdem ein locker-vergnüglicher Erstlingsfilm mit Feel-Good-Vibes gelungen, den man einem breiten Publikum als anschauliches Beispiel einer (weiblichen) working-class Lebenswirklichkeit des südamerikanischen Subkontinents empfehlen kann.

LN-Bewertung: 4 / 5 Lamas

La piel en primavera, Kolumbien 2013, 100 Minuten, Berlinale-Sektion Forum, Regie: Yennifer Uribe Alzate

Vorführtermine auf der Berlinale

Di, 20.02., 19:00 h, Zoo Palast 2

Do, 22.02., 13:00 h, Arsenal 1

Fr, 23.02., 18:00 h, Delphi Filmpalast

Sa, 24.02., 19:00 h, Cubix 7

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