Militär | Nummer 334 - April 2002

Neue Horizonte in El Salvador

Die Militarisierung der Katastrophenhilfe

„Yankee go home“ oder sogar „Yankees a la mierda“, so tönte es den GI’s in den achtziger Jahren vielerorts entgegen. Zumindest für Zentralamerika scheint dies nicht mehr unbedingt der Fall zu sein. Seit 1993 werden jedes Jahr tausende von US-Militärangehörigen durch Zentralamerika geschleust, wobei sie ihre Zeit für den Bau von Schulen, Brunnenbohren, medizinische Kampagnen und andere Hilfsprojekte nutzen. Bei näherem Hinschauen stellt sich aber die Frage, warum die US-Armee Unsummen an Geld ausgibt, um SoldatInnen und Material vor Ort zu bezahlen.

Franco Weiss

Neue Horizonte”, so heißt die diesjährige Operation der US-Militärs in El Salvador. Dieser Name soll wohl auf die Erdbebenkatastrophe bezogen sein, nach der das Land angesichts der Zerstörung von 20 Prozent der Behausungen dringend neuer Horizonte bedarf. Aber vielleicht hat es auch damit zu tun, dass dieses Jahr zum ersten Mal nicht nur salvadorianische und US-SoldatInnen an diesen seit neun Jahren durchgeführten Kampagnen teilnehmen, sondern auch Militärs aus Honduras, Nicaragua, Belice und der Dominikanischen Republik.
Was bei solchen und ähnlichen Maßnahmen pressewirksam als „Militärs mit Pickel und Schaufel“ (El Diario de Hoy, 18.1.2002) verkauft wird, ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Es steht nicht nur die Frage im Raum, warum in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der temporären Kaserne rätselhafte Löcher gegraben und wieder zugebuddelt wurden, wobei der Vorwurf der Giftmüllentsorgung von offizieller Seite nie entkräftet werden konnte. Offen bleibt auch der Grund der scheinbar selbstlosen Präsenz der GI’s in Nicaragua nach Hurrican Mitch, als die 3.000 SoldatInnen in imposanten Fahrzeugkolonnen fernsehtauglich durch das ganze Land kurvten. Was macht es da, dass die aufgebauten Brücken den ersten Regengüssen des kommenden Jahres nicht standhielten? Irrelevant auch die Tatsache, dass diese ganze Operation mit Kosten von 300 Millionen US-Dollar als Teil der offiziellen Mitch-Hilfe von 900 Millionen US-Dollar verbucht wurde.

Volle Kassen

Wenn es ums Gemeinwohl geht, werden keine Kosten gescheut – diese Devise scheinen sich die Militärs, für ihre diesjährige Kampagne auf die Fahnen geschrieben zu haben. Volle 14 Millionen US-Dollar werden für soziale Projekte investiert, versichert man stolz. Dies reicht für 15 Klassenzimmer mit Toiletten, die Reparatur von sechs Kilometern Staubstraße, zwei neue Zimmer in einem Gesundheitsposten und drei Trinkwasserbrunnen, wie den lokalen Medien zu entnehmen ist. Eine Million US-Dollar werde in Materialien investiert, heißt es – ein laut lokalen Sachverständigen mehr als großzügig bemessener Betrag. Ebenfalls großzügig veranschlagt ist eine weitere Million für Arbeitskräfte und Projektorganisation.
Daraus ergibt sich, dass von den 14 Millionen mindestens zwölf für Truppenkosten (Transport, Sold, etc.) ausgegeben werden. Dies erklärt sich dadurch, dass den 1.000 GI’s nur jeweils zwei Wochen tropische Hitze zugemutet werden können und somit in vier Monaten eine stolze Anzahl von 8.000 GringosoldatInnen durch El Salvador geschleust wird. Begleitet werden sie von jeweils 200 salvadorianischen Kollegen. Zusammen mit den Abgeordneten aus anderen Ländern werden somit die ganze Zeit über 1.200 Soldaten im Einsatz stehen, um in vier Monaten 15 Klassenzimmer, zwei Sprechzimmer und drei Brunnen zu bauen und ein paar Kilometer Staubstraße zu planieren.

Militarisierung von Katastrophen- und Entwicklungshilfe

Ob die Truppenkosten von zwölf Millionen US-Dollar, die das Sechsfache der eigentlichen Projektkosten betragen, Teil der Entwicklungshilfe der US-Regierung in El Salvador sind, geht aus den vorliegenden Informationen nicht hervor. Was sich aber klar dokumentieren lässt ist, dass Gemeindeverwaltungen mit demselben Geld und der Basisbeteiligung von zehn mal weniger Leuten nicht nur zehn mal mehr Infrastruktur erstellen, sondern auch die lokale Wirtschaft durch Arbeits- und Transportaufträge stärken würden.
Dass sich diese Operationen nahtlos in die Militarisierung von Katastrophenhilfe einreihen, die schon auf dem Balkan praktiziert wurde, ist offensichtlich. Nach der Katastrophenhilfe kommt der Wiederaufbau. Und wieso sollen die Militärs da plötzlich untätig zuschauen? Seien es ein paar Wege und Schulzimmer, die öffentlichkeitswirksam gebaut werden, seien es die über 100.000 Wellblechhütten, welche die Armee nach den Erdbeben in El Salvador innerhalb von drei Monaten in die Landschaft pflanzte. Die Existenz von vielen wehrhaften Mannen unter Waffen wird dem Publikum damit schmackhaft gemacht. Die Frage nach zivilen (und billigeren) Varianten von Katastrophenprävention, -hilfe und Wiederaufbau wird gleichzeitig in den Hintergrund gedrängt.


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