Gentechnik | Nummer 281 - November 1997

Vom ,,heiligen Korn” Asiens zur Gentech-Pflanze

Agro-Business, Hightech-Züchtung und Machtpolitik am Beispiel Soja

Im Frühjahr 1997 entdeckte Öko-Test gentechnisch veränderte Lebensmittel in deutschen Supermärkten. In vier von 32 untersuchten Schokocremes identifizierten die Forscherlnnen Gen-Soja. Keines der Produkte war gekennzeichnet, zwei Firmen hatten sogar gegenüber Greenpeace er-klärt, keine genmanipulierte Soja einzusetzen.

Kerstin Lanje

Soja zählt zu den Leguminosen und wächst daher in Symbiose mit Knöllchenbakterien, über die Stickstoff aus der Luft aufgenommen und der Pflanze zugeführt werden kann. Stickstoffdünger erübrigen sich so-mit. Für den menschlichen Verzehr wird sie als Tofu (Sojaquark), Sojamilch, Sojaöl, Sojasauce oder Sprossen angeboten.
Ohne es zu wissen sind wir von Soja umgeben: Ob Würstchen, Mayonnaise oder Eis, Medikamente, Schädlingsbekämpfungsmittel, Dünger oder Sperrholz, selbst in Klebstoffen, in Plastik, Farben und Tapeten finden sich Bestandteile dieser Wunderbohne -und auch als Dieselersatz und Futtermittel kann Soja verwendet werden.
Soja steht für eine hochindustrialisierte Agrarwirtschaft, Gen-Soja ist die logische Konsequenz dieser Entwicklung. Ein „Nein!” zu gentechnisch manipulierten Sojabohnen ist gleichbedeutend mit der Infragestellung dieser Form der Landwirtschaft.
In den USA wird Soja bereits seit den 20er Jahren für Viehfutter an-gepflanzt. Nachdem die USA aufgrund des Exportstopps Mao Tsetungs keine Soja mehr aus China importieren konnten, mobilisierte die Verarbeitungsindustrie die US-amerikanischen Farmerlnnen. Dank Absatzgarantien und Subventionen wurde der Anbau dieser kleinen unscheinbaren Ölfrucht eine beliebte Alternative zu Mais und Baumwolle. Außerdem drückten Einfuhrzölle auf Kokos und eine Verarbeitungssteuer auf Kokosöl die Hauptkonkurrenten nieder.
„Die ehemals exotische Pflanze aus dem Fernen Osten wurde zu einer Speerspitze des amerikanischen Agrarexpansionismus. Der Marshallplan, die Industrialisierung der europäischen Viehzucht nach US-Vorbild und die US-Nahrungsmittelhilfe trugen die amerikanisierte Sojabohne in alle Welt. Soja ist -wie Weizen -zur Waffe geworden.” (Bertrand/Laurent/Leclerq, 1984)
Wirtschaftshilfe und Marshallplan
Nach Beginn des I. Weltkrieges mußten sich die USA um neue Eiweißquellen kümmern, und Forscherlnnen züchteten, ausgehend von den asiatischen neue ertrag-reiche Sorten. Der US-amerikanische „Soja-Komplex” entstand: Sojaanbau wurde hoch subventioniert, die Anbaufläche von Soja verdoppelte sich, Überschüsse des Sojaproduktes Preßkuchen waren die Folge. Preßkuchen dient als Futtermittel, und dank einer Kampagne, mehr tierisches Eiweiß zu konsumieren, stieg die Nachfrage nach Fleisch und somit nach Soja.
Darüber hinaus konnten neue Absatzmärkte für Soja durch sogenannte Nahrungsmittelhilfe erobert werden: Der Marshallplan von 1947 für den Wiederaufbau Europas und das Gesetz über Handel und Hilfe aus dem Jahre 1954 halfen dabei. Drei Ziele wurden verfolgt:
I . Abbau der amerikanischen Agrar-Überschüsse;
12. Lebensmittelhilfe sollte zu einem Instrument der Außenpolitik wer-den und die Verbindung zu „befreundeten” Ländern stärken;
23. Bei Naturkatastrophen sollte mit Nahrung geholfen werden können.

Also wurde Sojaöl günstig nach Spanien geliefert, als die olivenverarbeitende Industrie in der Krise steckte, weitere Empfängerländer waren Griechenland, Iran und Marokko. Zwischen 1955 und 1960 wurden bis zu drei Viertel der US-amerikanischen Olexporte in Form von Lebensmittelhilfen abgewickelt.
Im Zuge des Freihandels wurde in den sechziger Jahren in der Kennedy-Runde des GATT (Allgemeines Zoll-und Handelsabkommen) der Abbau von Zöllen und Mengenbeschränkungen für Soja für alle Zukunft beschlosssen. Aus dem „Fleisch der Erde”, wie man die Sojabohne in Asien nennt, wird tatsächlich Fleisch: Europäi- sches Schlachtvieh vertilgt heute jährlich 50 Millionen Tonnen Sojabohnen. Statistisch gesehen muß ein Rind 6 kg Sojabohnen oder 18 kg Weizen fressen, um 200 g Fleisch zu liefern. In den Industrieländern beginnt die „McDonaldisierung”:
Fast-Food, Fertiggerichte, Konserven, Tiefkühlkost, weniger Getreide und mehr tierische Produkte kennzeichnen diese Entwicklung.
Soja aus Brasilien
Parallel zu der 0lkrise brach 1973 eine Eiweißknappheit aus, innerhalb weniger Tage explodierten die Preise. Auslöser waren eine Trockenheit in Afrika, eine geringe US-amerikanische Ernte und der Einkauf der Sowjetunion auf dem Sojamarkt. Um genügend Futtermittel für die eigenen Kühe und Schweine zu haben, verhängten die USA ein Export- verbot auf Soja. Die europäischen Viehzüchterlnnen gerieten in Panik, denn eine moderne Massenviehzucht war nur mit Sojaimporten möglich. Die Abhängigkeit von den USA wurde den Agrarpolitikerlnnen in Europa und auch Japan schlagartig bewußt. Ersatz für Soja wurde dringend gesucht, und so rang sich die EU-Agrarlobby dazu durch, den Anbau eigener Ölsaaten zu forcieren. Der viele Raps in Norddeutschland ist ein Ergebnis dieser Subventionspolitik.
Brasilien trat als neuer Anbieter auf den Markt, Soja wurde das Standbein der brasilianischen Agrarpolitik: „Dafür rodete man gewaltsam die letzten Wälder der brasilianischen Bundesstaaten Rio Grande do Sul, Santa Catarina und Paraná -und pflanzte Sojabohnen an -nicht zur Ernährung für die hungern-den Brasilianer, nein, für die dikken Mastkühe in Europa, für den Butterberg und die Milchseen.” (José Lutzenberger, ehemaliger brasilianischer Umweltstaatssekretär)
Brasiliens Leistungen auf dem Sojasektor sind beeindruckend: Verdreißigfachung des Anbaus, Verhundertfachung des Exports in 15 Jahren. Eine Wachstumsstrategie, die Brasilien reicher machen soll, doch die Rechnung geht nicht auf: Nicht nur die Einnahmen aus dem Sojaexport steigen, sondern auch die Ausgaben. Der Monokulturanbau von Soja verschlingt Dünge-mittel im Wert von jährlich fast 500 Millionen US-Dollar, Pestizide müssen größtenteils importiert werden, Traktoren und Mähdrescher sind ebenfalls erforderlich. Gewinnerinnen sind bekannte Firmen aus dem Agrobusiness wie Cargill, Bunge, Toepfer, Hoechst, Shell, Ciba Geigy, Ford, Caterpillar und Monsanto.

Roundup and Ready!
Nach 15 Jahren Forschungsarbeit hatte die Firma Monsanto die gen- technisch veränderte Roundup Ready Sojabohne (RRS) entwickelt, die resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel Roundup ist. Der Wirkstoff des Breitbandherbizides ist Glyphosat, dieser hemmt die Bio-synthese essentieller Aminosäuren in der Pflanze, die für Wachstum und Uberleben unerläßlich ist. Bis-her konnte Roundup nur zur Vorbereitung des Ackers vor der Aussaat verwendet werden, die resistenten RRS hingegen überleben jederzeit eine Glyphosatdusche.
Roundup ist der Verkaufsschlager von Monsanto, es ist das meist- verspritzte Herbizid der Welt. Doch die Spitzenstellung war in Gefahr: Die Akzeptanz von Chemie in der Landwirtschaft ist abnehmend und das amerikanische Patent für Round-up läuft im Jahr 2000 aus. Da die RRS nur gegen Roundup resistent ist, ist dieses Problem gelöst.
Der Verkauf von RRS steigt rasant: 1996 wurden in den USA zwei Prozent der Anbaufläche mit Gen-Soja bepflanzt, 1997 hat sich die Fläche auf etwa 20 Prozent ausgeweitet. In Argentinien sind bereits 150.000 Hektar mit gentechnisch veranderten Sojabohnen bebaut, Tendenz steigend. Es ist da-von auszugehen, daß in den USA in wenigen Jahren ausschließlich gentechnisch veränderte Soja angebaut wird.
Die nächste Ernte erreicht bald Hamburg. In welchen Lebensmitteln genmanipuliertes Soja eingesetzt wird, ist noch immer ungewiß: Zwar müssen ab November 1997 genmanipulierte Sojabohnen und Lebensmittel mit genmanipuliertem Sojamehl und Sojaschrot gekennzeichnet werden, Lecithin aus Sojaöl hingegen gilt als Zusatzstoff und dafür schreibt die „Novel-Food Verordnung” keine Kennzeichnung vor. Soja ist nur der Anfang, gen- technisch veränderter Raps, Mais und Baumwolle werden ebenfalls angebaut und drängen auf den europäischen Markt.
Kerstin Lanje

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