Editorial | Nummer 517/518 - Juli/August 2017

// ENTSCHULDIGUNG WOFÜR?

Eine Entschuldigung von höchster Stelle – das ist doch mal was! „In aller Form und Bescheidenheit“ entschuldigte sich Chiles Präsidentin Michelle Bachelet Ende Juni bei den Mapuche für die „Fehler und Gräuel“, die der Staat dem indigenen Volk gegenüber „begangen oder toleriert hat“. Und sie gelobte Besserung: Ein Entwicklungsplan für die südchilenische Region Araucanía soll nun die wirtschaftliche Situation der Mapuche verbessern, die Anerkennung ihrer Kultur garantieren und mit dem Konflikt zwischen Mapuche, Privatwirtschaft und Staat aufräumen.

Kurz vor Ende ihrer zweiten Amtszeit gibt sich Bachelet versöhnlich. Doch ihre Entschuldigung ist kein Zeichen später Reue und auch kein ernsthafter Versuch der Annäherung auf Augenhöhe. Vielmehr ist es wohl ein letzter Versuch, die Wogen zu glätten und die Bilanz ihrer Regierungszeit schnell noch etwas aufzupolieren. Tatsächlich hat Bachelet sowohl ihre erste Amtszeit zwischen 2006 und 2010, als auch die vergangenen dreieinhalb Jahre ungenutzt gelassen, um substanzielle Verbesserungen für die Mapuche zu erwirken. Jetzt so zu tun, als sei das eins ihrer größten Anliegen, ist heuchlerisch. Während ihrer Regierungszeit hat sich die Situation in La Araucanía und anderen südchilenischen Regionen weiter verschärft. Allein unter ihrer Führung starben vier Mapuche in Auseinandersetzungen mit staatlichen Kräften. Mapuche-Organisationen und Gemeinden beklagen seit Jahren die massive Repression durch Polizei, die Diffamierung und strafrechtliche Verfolgung als „Terroristen“, und die stetige Militarisierung der indigenen Gebiete.

Mit Anerkennung und Wiedergutmachung haben Bachelets Entschuldigung und ihr Entwicklungsplan für La Araucanía wenig zu tun. Die geplante Schaffung eines Indigenen-Ministeriums ist für viele Mapuche-Organisationen nichts weiter als eine Ausweitung des bürokratischen Apparats. Immerhin gibt es mit der Indigenen-Behörde CONADI bereits eine staatliche Institution für indigene Angelegenheiten, die jedoch nicht gerade im Verdacht steht, im Interesse der Mapuche zu handeln. Indigene Gemeinden werfen der CONADI immer wieder vor, Anträge auf Landrückgabe absichtlich zu verschlampen und die Prozesse zu verschleppen. Für alle, die dahinter einen politischen (Un-)Willen vermuten, verspricht ein neues Ministerium nichts Gutes.

Noch absurder ist die Idee eines Aufforstungs-Fonds für Mapuche-Gemeinden. Klingt erstmal gut, gemeint ist allerdings die Aufforstung mit schnell wachsendem Eukalyptus und Kiefern, die in Monokulturen großer Forstunternehmen bereits jetzt weite Teile des Mapuche-Gebiets bedecken. Seit Jahren prangern Organisationen und Gemeinden die damit verbundene Umweltzerstörung und Landnahme an. Doch die großen Unternehmensgruppen Matte und Angelini verdienen gut an den Holz- und Zelluloseexporten, und da sie auch Bachelets Wahlkampf bezahlten, lässt man sie lieber in Ruhe. Jetzt sollen wohl auch die Mapuche wenigstens ein kleines Stück vom Kuchen abbekommen – deren Begeisterung darüber hält sich jedoch sehr in Grenzen.
Es bleibt unklar, wofür sich Chiles Präsidentin entschuldigt und ob sich an ihrer Position zum „Mapuche-Konflikt“ tatsächlich etwas geändert hat. Glaubt man im Regierungspalast nun nicht mehr, dass in La Araucanía eine terroristische Bewegung am Werk ist, wie es die chilenische Rechte und die großen Forst- und Transportunternehmen behaupten? Hat sich Bachelet von der Polizeigewalt in den Gemeinden überzeugen können und zieht ihre Sondereinsatzkräfte nun aus der Region ab? Im Gegenteil: Zeitgleich zu Bachelets Entschuldigung fand in Malleco, einer der konfliktreichsten Zonen, eine Militärübung mit 800 Soldat*innen statt – für Aucán Huilcamán, den Sprecher der Organisation Consejo Todas Las Tierras, ist das ein Bruch internationalen Rechts, das jede militärische Aktivität auf indigenem Gebiet untersage.

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine chilenische Regierung versucht, die Mapuche mit neuen Gesetzen und Institutionen einzulullen. Aber anders als die politische Elite, lernt die Mapuche-Bewegung dazu. Sie wird keine Ruhe geben, bis ihre Forderungen nach Land, Selbstbestimmung und kulturellen Rechten erfüllt sind. Nur haben sie künftig, dank Bachelets neuen Ideen, vielleicht noch gegen ein paar mehr Windmühlen zu kämpfen – den Konflikt befrieden wird das sicher nicht.

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