Guatemala | Nummer 368 - Februar 2005

Blutiges Gold

Auseinandersetzung um Goldbergbau fordert erstes Todesopfer

Wenn es um die Interessen großer Konzerne geht, zeigt die guatemaltekische Regierung unter Präsident Oscar Berger Härte. Die Straßenblockade eines Schwertransports für eine Goldmine im Departement San Marcos wurde von einem riesigen Polizei- und Militäraufgebot aufgelöst, ein Demonstrant erschossen. Gegen den erklärten Willen der AnwohnerInnen will die zu einem kanadischen Konsortium gehörende Firma Montana Exploradores dort Gold im Übertagebau fördern – mit der gefährlichen Methode der Zyanidlaugerei.

Frank Garbers

Die Bilder, die in den ersten Tagen des neuen Jahres auf den Titelseiten der guatemaltekischen Presse zu sehen waren, erinnerten entfernt an die Castortransporte im fernen Europa. Ein Schwertransport umringt von Hundertschaften der Polizei und gepanzerten Fahrzeugen bahnte sich seinen Weg von Guatemala-Stadt in seine Bestimmungsregion, das Goldabbaugebiet von San Miguel Ixtahuacán im nordwestlichen Departement San Marcos. Dabei wurde aus dem Weg geräumt, was sich ihm an sozialem Widerstand entgegenstellte.
Rund 130 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, auf der Panamericana, einer Hauptverbindungsroute im westlichen Hochland, eskalierte die Situation. Anlass war der Abbau einer Fußgängerbrücke, die dem haushohen Zylinder den Weitertransport verwehrte. Mehrere tausend AnwohnerInnen der Region Sololá hatten sich versammelt, um den Brückenabbau zu verhindern. Ihnen gegenüber standen 1.000 Polizisten und rund 300 Militärs, die mit großer Gewalt gegen die Demonstranten vorgingen. Bei den Auseinandersetzungen wurde ein Demonstrant erschossen und weitere zwanzig verletzt. Die Polizei gibt die Zahl ihrer Verletzten mit vierzehn an.
Nach der äußerst gewalttätigen Räumung der Finca Nueva Linda im vergangenen August (siehe LN 367), ist dies ein weiterer Hinweis auf die steigende Bereitschaft der Regierung, repressiv gegen sozialen Widerstand vorzugehen.
Die Ereignisse auf der Panamericana bilden den vorläufigen Höhepunkt einer politischen Auseinandersetzung um die Goldgewinnung im Tagebergbau, die im Verlaufe des Jahres 2004 an Schärfe zunahm. Bereits 1997 hatte die damalige Regierung die rechtlichen Voraussetzungen für den Abbau von Mineralien und Edelmetallen geschaffen. In der Amtszeit Alfonso Portillos (2000-2004) wurden Abbaukonzessionen an verschiedene transnationale Konzerne vergeben.
Der seit einem Jahr amtierende Präsident Oscar Berger versucht nun, scheinbar ohne Rücksicht auf Verluste und trotz des erheblichen sozialen Widerstandes, den wirtschaftlichen Interessen der involvierten Konzerne zu entsprechen. Umwelt- und Bauernorganisationen haben in den vergangenen Monaten jedoch immer wieder auf die verheerenden ökologischen und sozialen Konsequenzen hingewiesen, die insbesondere die Übertagegewinnung von Gold hervorrufen: „Die Goldgewinnung ist genauso zerstörend wie die Ölförderung, da sie große Landflächen betrifft, die nicht wiederhergestellt werden können. Guatemala ist ein Land, in dem landwirtschaftliche Nutzfläche fehlt. Deswegen sind die Konsequenzen schwerwiegend, wenn produktives Land durch die Goldgewinnung verseucht wird“, so Magali Rey von der guatemaltekischen Umweltorganisation Madre Selva.
Die zu einem kanadischen Konsortium gehörende Firma Montana Exploradores SA wendet in Guatemala mit der Zyanidlaugerei ein Verfahren an, das für seine extreme Umweltschädlichkeit bekannt ist. Dabei werden große Mengen Bodenmaterial abgetragen und aus diesem mit Hilfe einer Zyanidlauge Gold herausgelöst. Zurück bleiben große Abraumflächen, sowie Rückhaltebecken mit hochgiftigem, schwermetall- und zyanidhaltigen Schlamm und Wasser. Dammbrüche oder Lecks können verheerende Auswirkungen haben, wie etwa im Jahre 2000 im rumänischen Baia Mare, wo undichte Rückhaltebecken ein Massensterben von Fischen in der Theiß und ihren Nebenflüssen auslösten.
Die guatemaltekische Regierung ignoriert diese Gefahren und kriminalisiert den sozialen Widerstand gegen den Goldbergbau. So wurde Haftbefehl gegen die indianische Bürgermeisterin Sololás erlassen, da sie angeblich den Widerstand gegen den Schwertransport organisiert hatte. Selbst die katholische Kirche bleibt von dem aggressiven Vorgehen der Regierung nicht verschont. Präsident Berger warf dem Bischof der Diözese San Marcos, Alvaro Ramazzini, vor, die Bevölkerung zu manipulieren und nichts gegen die gewalttätigen Übergriffe der DemonstrantInnen getan zu haben. Bischof Ramazzini ist bekannt für seine ablehnende Haltung gegenüber dem Goldbergbau, der insbesondere seine Diözese betrifft. Für Vinizio López, Verantwortlicher der Diözese für die Bergbauthematik, ist das Vorgehen der Regierung und ihrer Sicherheitskräfte „eine Botschaft der Repression und tauber Ohren gegenüber dem, was die Bevölkerung berechtigterweise fordert.“

Jeder Widerstand wird kriminalisiert

Die Regierung hingegen verschanzt sich hinter dem Argument, dass sie mit ihrem Vorgehen lediglich dem Rechtsstaat zu seiner Durchsetzung verhilft: „Alles, was getan werden muss, um die Vorherrschaft des Rechtsstaates durchzusetzen, wird gemacht, mit der dazu notwendigen Anzahl von Polizisten“, erklärte der für den Polizeieinsatz zuständige Innenminister Carlos Vielmann, als er auf die hohe Anzahl von Polizisten und deren unverhältnismäßig aggressives Vorgehen bei ihrem Einsatz gegen die DemonstrantInnen angesprochen wurde.
Laut Adrian Zapata, ehemaliger Dekan der Fakultät für Agronomie der Universität San Carlos, führt eine solche reduzierte und auf einseitige ökonomische Interessen ausgerichtete Interpretation des Rechtsstaates von Seiten der Regierung dazu, dass soziale und historische Bedingungen im Denken und Handeln des Staatsapparates einfach ausgeblendet werden. „Mit diesem Vorgehen provoziert die Regierung eine neuerliche politische Polarisierung im Land.“
Bezeichnenderweise lässt die Regierung in ihrem rechtsstaatlichen Vorgehen gültige Rechtsnormen unter den Tisch fallen, wie etwa die von Guatemala unterzeichnete Konvention 169 der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) zum Schutz indigener Bevölkerungsgruppen. Diese sieht vor, dass vor dem Beginn von Bergbaumaßnahmen eine Volksbefragung in den betroffenen Regionen durchgeführt werden muss. Und dies aus gutem Grund. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Vox Latina in den vom Bergbau betroffenen Gebieten sprachen sich 95 Prozent der Befragten gegen die Bergbauaktivitäten aus.
Justo Mendoza von der Bauernorganisation CONIC macht deutlich, dass die gewalttätigen Konflikte um den Goldbergbau kein Ende nehmen werden, wenn es nicht gelingt, einen ernsthaften Dialogprozess zu beginnen und die Dorfgemeinschaften zu konsultieren: „Die Menschen reagieren mit Gewalt, wenn sie der Gewalt ausgesetzt sind.“

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