Mexiko | Nummer 503 - Mai 2016

DER UNHEILSBRINGER

Trumps außenpolitische Pläne sorgen in Mexiko für große Unruhe

Donald Trump hat die Absicht, eine durchgängige Mauer an der Südgrenze zu errichten, um die USA vor „Vergewaltigern“ und „Kriminellen“ zu schützen. Dieses sowie andere anti-mexikanische Vorhaben sind zentrale Elemente seines Vorwahlkampfes als Präsidentschaftskandidat der Republikaner. In Mexiko ruft dies lagerübergreifend Empörung hervor, die Regierung reagiert mit einem Austausch des außenpolitischen Personals.

Von Simon Hirzel

Selten hat man in Mexiko einen US-Vorwahlkampf mit so viel Aufmerksamkeit verfolgt. Dabei geht es lediglich um die Auswahl der beiden Kandidat*innen für die großen Parteien. Im Kern  ist es jedoch der republikanische Kandidat, dem das mediale Interesse gilt. Donald Trumps Eskapaden sind in aller Munde und auf allen Bildschirmen zu verfolgen. Die ablehnende Haltung der Mexikaner*innen gegenüber Trump scheint in der ansonsten tief gespaltenen Gesellschaft sogar Regierung und Opposition zu einen.
Zentral steht dafür Trumps Plan, den Grenzzaun zu einer Mauer entlang der 3144 Kilometer langen Grenze zwischen den USA und Mexiko auszubauen. Die abstruse Forderung machte weltweit in den Medien die Runde. „Lasst Mexiko für die Mauer bezahlen“, fordert Trump auf seiner Webseite. Illegale Migration sei für den Export von Verbrechen und Armut aus lateinamerikanischen Ländern genutzt worden. „Sie haben sogar Broschüren veröffentlicht, in denen erklärt wird, wie man illegal in die USA einreist“, heißt es weiter auf der Webseite. „US-amerikanische Steuerzahler wurden dazu aufgefordert, hunderte von Milliarden Dollar für das Gesundheits-, das Bildungs- und das Sozialwesen etc. in die Hand zu nehmen“ – eine Kritik an der aktuellen US-Politik. Ergänzend versucht Trump, die ohnehin schon marginalisierten Bevölkerungsgruppen der USA gegeneinander auszuspielen: „Die Folgen für Arbeitssuchende waren ebenfalls katastrophal, davon waren vor allem Afro-Amerikaner betroffen.“ Mexiko würde insbesondere profitieren, da durch die Geldrücküberweisungen der „illegalen Arbeiter*innen“ an ihre Familien das BIP und somit die Wirtschaftskraft des Landes gestärkt würden. Um Mexiko zu zwingen, die Mauer zu finanzieren, schlägt Trump unter anderem vor, „alle Geldrücküberweisungen zu blockieren“ und die Kosten für alle Visa mexikanischer Arbeiter*innen, Diplomat*innen und sonstigen Visa-Inhaber*innen zu erhöhen. So lange bis die mexikanische Regierung sich bereit erkläre, die Kosten für die Mauer zu übernehmen.
Keine Erwähnung findet in diesen Aussagen, wie stark die Agrar- und Dienstleistungssektoren vor allem in den grenznahen Regionen der USA von dieser „illegalen Einwanderung“ profitierten oderweiter profitieren. Seit der Einführung des Freihandelsabkommens NAFTA 1994 wurde Mexiko zudem zu einem Niedriglohnland nahezu ohne Steuerabgaben für US-amerikanische Firmen. Auch von den vielen Todesfällen an der Grenze wird hier nicht gesprochen. Broschüren wurden von den  mexikanischen Behörden tatsächlich herausgegeben – um weitere Tote zu verhindern.
Zum Auftakt seiner Kandidatur im letzten Jahr tat Trump seine Meinung über Mexikaner*innen offen kund: „Sie bringen Drogen. Sie bringen Kriminalität. Sie sind Vergewaltiger und einige, so nehme ich an, sind gute Menschen.“ Damit hebt er sich rhetorisch von denen der anderen Kandidat*innen ab – inhaltlich steht Trump mit dieser Haltung indessen gar nicht so alleine da.
Viele Mexikaner*Innen wie die Juristin Nelly Arellano betrachten ihn als „Unheilsbringer“. „Es geht dabei nicht bloß um Mexiko, sondern um uns Latinos im Allgemeinen“, sagt sie. Die soziale Aktivistin und Musikerin Vania Fortuna kritisiert: „Die Berichterstattung innerhalb Mexikos konzentriert sich nur auf Trump, nicht auf die anderen Kandidat*innen.“ Dabei vertreten auch die Hillary Clinton und Ted Cruz zweifelhafte Positionen. Cruz beispielsweise, selbst mit kubanischer Familie, ist strikt gegen jede Möglichkeit, dass sogenannte nicht-dokumentierte Immigrant*innen einen legalen Status erhalten oder dass in den USA geborene Kinder „ausländischer“ Eltern automatisch Staatsbürger*innen der USA werden können. Das Verhalten Hillary Clintons in Bezug auf ihre Einmischung bei der Umsetzung der letzten Energiereform in Mexiko beweist, dass sie als Präsidentin weiterhin an der imperialistischen Hinterhof-Politik festhalten würde.
Gewissermaßen könnte das Skandalpotenzial in Trumps Äußerungen und deren starke mediale Rezeption der mexikanischen Regierung gelegen kommen. So wird von den vielen internen Problemen und Ungereimtheiten abgelenkt – beispielsweise von dem Verschwindenlassen der 43 Studenten oder der steigenden Zahl ermordeter oder verschwundener Journalist*Innen.
Auf Regierungsebene Mexikos haben die Statements Trumps des Vorwahlkampfes Bewegung ausgelöst: Am 5. April wurden der Unterstaatssekretär der Abteilung Nordamerika des Außenministeriums sowie der mexikanische Botschafter in den USA ausgetauscht. Der Personalwechsel könnte stattgefunden haben, weil die Sorge der mexikanischen Regierung vor einem möglichen Wahlsieg Trumps ein neues diplomatisches Vorgehen erfordert. Die Haltung des bisherigen Botschafters Miguel Basáñez habe sein Desinteresse und seine Unkenntnis an den bilateralen Beziehungen bewiesen, so Proceso online. Nach Informationen dieses renommierten Magazins habe er lieber wissenschaftliche Reden gehalten als politisch zu agieren. Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto äußerte sich knapp und chaotisch zur Causa Basáñez: „Ich habe viel Anerkennung und großen Respekt für unseren Botschafter Miguel Basáñez, aber ich glaube, in diesem Moment braucht es…Es handelt sich nicht um eine wirkliche Absetzung.“ Offiziell heißt es, die Berufungen von Paulo Carreño King zum neuen Unterstaatssekretär und Carlos Sada Solana zum neuen Botschafter seien Teil einer integralen Strategie der mexikanischen Regierung, um die Beziehungen zu den USA und Kanada zu stärken und um „die mexikanischen Interessen und das Ansehen Mexikos in beiden Ländern zu fördern.“ Carlos Sada arbeitet bereits seit 1989 für die mexikanische Regierung im nordamerikanischen Ausland, zunächst als Konsul in Toronto und später als Generalkonsul in verschiedenen Konsulaten in den USA. Nach seiner Bestätigung durch den mexikanischen Senat versprach er für die mexikanische Diaspora in den USA in Zukunft mehr Achtung einzufordern und dafür zu sorgen, dass Attacken auf sie nicht mehr so einfach hingenommen würden. Bei Trumps rassistischen Amokdauerläufen dürfte er viel zu tun haben.

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