Editorial | Nummer 418 - April 2009

EINE CHANCE FÜR EL SALVADOR

Ein paar Stunden dauerte es am Wahlabend, dann fügte sich die regierende ARENA-Partei und akzeptierte das Votum der WählerInnen: Mit gut zwei Prozent Vorsprung hatte Mauricio Funes für die ehemalige Guerilla FMLN die Präsidentschaftswahlen in El Salvador gewonnen. So wie die Unterzeichnung des Friedensabkommens von Chapultepec am 16. Januar 1992 das Ende des zwölfjährigen Bürgerkriegs besiegelt hat, markiert auch der 15. März 2009 den Beginn einer neuen Ära in dem kleinsten mittelamerikanischen Land: Erstmals in der Geschichte des Landes wird El Salvador von der Linken regiert.
Der Weg dorthin war äußerst schwer, und trotz eines deutlichen Vorsprungs in den meisten Umfragen war der Wahlsieg des ehemaligen Fernsehjournalisten Funes alles andere als sicher. Denn nicht nur hatte die ultrarechte ARENA deutlich mehr finanzielle Mittel für den Wahlkampf ihres Kandidaten Rodrigo Ávila zur Verfügung – und dabei die Unterstützung der allermeisten Medien, die sich mit zahlreichen Verleumdungen gegen die FMLN und ihren Kandidaten am schmutzigen ARENA-Wahlkampf beteiligten. Groß und berechtigt war auch die Angst vor einem Wahlbetrug, den die Regierungspartei vorbereitet hatte. In der Tat gibt es zahlreiche Belege dafür, dass diese den Wahlausgang noch drehen wollte: mit Stimmenkauf, gefälschten Wahlausweisen und massenhaft aus den Nachbarländern angekarrten „WählerInnen“.
Doch es hat für die seit zwanzig Jahren regierende ARENA-Partei nicht gereicht. Zu groß war in der Bevölkerung der Wunsch nach dem Wechsel, den die FMLN in ihrem Wahlkampf versprochen hat, zu deutlich der Vorsprung von Mauricio Funes und seinem Vizepräsidentschaftskandidaten, dem historischen FMLN-Führer Salvador Sánchez Cerén.
Die Wahlnacht und die Tage danach wurden zu einer großen Feier. Was die Guerilla im Krieg nicht erreicht hatte, ist doch noch Wirklichkeit geworden: Die FMLN stellt die Regierung des Landes. Der Jubel und die Freudentränen all jener, die seit Jahrzehnten für ein anderes, ein besseres El Salvador kämpfen, sind nur zu verständlich. Die historische Dimension dieses 15. März zeigte sich einige Tage später noch einmal, als die Menschen des 29. Jahrestags der Ermordung von Erzbischof Oscar Arnulfo Romero gedachten. Der beliebte Kirchenmann hatte sich mutig gegen die blutige Herrschaft der Oligarchie gestellt und war deshalb erschossen worden. Auftraggeber war eben jener Roberto d´Aubuisson, der im gleichen Jahr 1980 auch ARENA gegründet hatte und innerhalb der Partei bis heute abgöttisch verehrt wird.
Hier liegen wichtige Gründe für die Abwahl der rechten Partei. Bis heute hat sie sich nicht vom Denken des Krieges verabschiedet und weiterhin auf Konfrontation und Repression gesetzt. Immer stärker hat sie in den letzten Jahren an einem autoritären Staat im Interesse der Reichen und Mächtigen gearbeitet. Auch dafür wurde sie nun von den WählerInnen abgestraft.
Ganz anders die FMLN, die in den letzten Jahren wiederholt dafür kritisiert wurde, dass sie ihre linken Positionen nicht aufgegeben hat. Sie hat es gewagt, mit Mauricio Funes einen Kandidaten aufzustellen, der auch die politische Mitte des Landes anspricht. In der neuen Regierungsmannschaft wird es altgediente FMLN-Kader neben VertreterInnen ebendieses Projekts der Mitte geben.
Vor der neuen Regierung liegen enorme Herausforderungen. Die weltweite Wirtschaftskrise hat auch El Salvador erreicht. Dies verringert den Spielraum für eine Umverteilungspolitik zugunsten jener 60 Prozent der Bevölkerung, die in Armut lebt, noch weiter. Vor allem aber muss Mauricio Funes gegen eine rechte Parlamentsmehrheit regieren. Die Suche nach Kompromissen und Verständigung mit den rechten Parteien wird eine der Hauptaufgaben seiner Regierung sein. El Salvador wird zwar keine linke, sondern eine Mitte-Links-Regierung haben. Wenn sie es aber schafft, dem Land mehr Demokratie, einige überfällige politische Reformen und ein wenig mehr soziale Gerechtigkeit zu bringen, wäre dies schon eine Menge.

 

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