Nachruf | Nummer 288 - Juni 1998

Mario Durán Vidal

1941 – 1998

Deine Freunde

Wir haben Dich im Exil kennengelernt, hatten Gelegenheit, Zeugen Deiner cholerischen Ausbrüche zu sein, wenn bestimmte Verwalter dieser Partei, die sich selbst ausgelöscht hat, sich zum Zwecke der Händelei über das Blendwerk unserer Auslandsvertretungen trafen. Deine grobkalibrierte Ausdrucksweise hat manch einen schockiert, wenn Du die Namen der obskuren Händler in einem Atemzug mit Deinem empörten Protest nanntest.
Kurz vorher hattest Du erfahren, daß Du nicht als Professor an der Universität eingestellt werden würdest, was Du dem heute schon halb vergessenen Radikalenerlaß der 70er Jahre zu verdanken hattest. Damals hast Du uns aufgefordert, die alten Parteistrukturen zu brechen und einen anderen Weg für unseren weiteren Kampf zu suchen.
Wo Du in diesem Land gewohnt hast, hast Du versucht, Dich Initiativen anzuschließen und aktiv mitzuwirken. Am eigenen Körper hast Du ein um das andere Mal die Vorbehalte des Ethnozentrismus gegen Dich gespürt, der sogar jene ausschließt, die die Nachkommen der alten Welt jenseits des Ozeans sind. Du hast fortwährend gefragt, wie es dann wohl erst anderen ergehe, die tatsächlich einer ‘anderen´kulturellen Herkunft sind.
Dann fuhrst Du nach Nicaragua, um an der dort stattfindenden Entwicklung unter sandinistischer Führung teilzunehmen. Nach einigen Schritten hinderten Dich die Machtkonflikte daran, einen sinnvollen Beitrag leisten zu können und ließen Dich auch dieses Unterfangen aufgeben.
Nach der historischen Wende der zweiten Hälfte der 80er Jahre in Chile hast Du dort den Platz gesucht, den Du weder im Exil noch in Nicaragua gefunden hattest. Deine Illusion war, vielleicht andere Räume zu öffnen, außerhalb der offiziellen Politik der ‘Konzertierten’. Wie immer temperamentvoll, frech und respektlos gegenüber Heiligen, hast Du schließlich einige Wahrheiten gesagt, die Dir die Türen in Deinem eigenen Land verschlossen.
Wieder hier zeigte sich die Krankheit, die schließlich Deine Tage beenden sollte. Sie kam in einer Weise, die durchaus Deiner Lebensform entsprach: eine blitzartige, gewaltige Attacke, eine Operation und danach die mutige Anstrengung zur Genesung.
Tatsache ist, daß Du nie wieder der Alte warst. Etwas von der Vitalität Deiner Kraft hatte Dich verlassen. Trotzdem – Du hast Dich weiter zusammen mit unserer Gruppe und Ursel um die Ausarbeitung einer internationalistischen Vision bemüht. Du warst Organisator oder Teilnehmer verschiedener Seminare, manchmal verzweifelnd wegen des schleichenden Vordringens von Auffassungen, die uns fremd sind und die schließlich sogar die Namen der Dinge auswechseln, um damit ihre gewendeten Inhalte einzuschmuggeln.
In den letzten Monaten hast Du wieder Deinen Wohnort gewechselt, und ein paar Wochen lang haben wir keinen Kontakt gehabt. Kurz darauf riefst Du uns an und überraschtest uns mit der Nachricht Deiner zweiten Operation. Wir wußten nicht, daß dieses das letzte Mal sein würde, daß wir direkt miteinander sprechen konnten.
Von Deinem Tod zu erfahren hat uns – wenn wir auch damit hatten rechnen müssen – erschüttert und unerwartet getroffen: Man glaubt nicht, daß Du nicht wieder unvermutet unter uns auftauchen wirst, lachend über irgend jemanden oder über Dich selbst.
Wir können uns sogar vorstellen, mit welcher Freude Du die Anfänge der Veränderungen begrüßt hättest, Deine leidenschaftlichen Kommentare über jedes einzelne Ereignis, das Risse im Bestehenden anzeigt und den Beginn von etwas Neuem ankündigt, ebenso wie wir uns Deine Verachtung gegenüber den Verkäufern unserer Träume vorstellen. Sogar sehe wir voraus, wie sie dann verstohlen zu uns überlaufen wollen. Niemand wäre in solch einem Moment geeigneter als Du gewesen, sie zum Teufel zu schicken.
Aber halten wir uns nicht mit diesen unbedeutenden Personen dunkler Tage auf! Sie werden schon anfangen, sich selbst auszuradieren, wenn die ersten Eruptionen der neuen Zeiten sich Schritt für Schritt über die geplagte Oberfläche unseres Planeten ausbreiten. Dann werden wir auf Dich anstoßen, auf die gemeinsamen Hoffnungen – falls bis dahin noch nicht für uns selbst die Stunde geschlagen hat, in der wir uns mit den GenossInnen des langen Kampfes in der unendlichen Vollversammlung unserer Geschichte wiedertreffen.

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