Musik | Nummer 298 - April 1999

Auch der Son kam aus der Sierra Maestra

Die kubanische Gruppe Sierra Maestra geht wieder auf Tournee

Wer denkt bei Sierra Maestra nicht an Fidel und Revolution? Aus dem gebirgigen Osten Kubas kam schon vorher eine Musik, die längst wieder in voller Blüte steht.

Jürgen Vogt

Aus der Sierra Maestra kam der Son zu den Menschen. Und als die ihn fast vergessen hatten, kam die Sierra Maestra zum Son. 1976 traten Studenten der Universität von Havanna auf die Bühne, um den alten afro-kubanischen Rhythmen neues Leben zu geben. Sie nannten sich Sierra Maestra und gingen auf die Suche nach den alten kubanischen Liedern mit der klassischen Besetzung von tres, Gitarre, Trompete, Bongo, guiro und Gesang. Sie verstärkten die Percussion-Abteilung mit Congas und Maracas, ersetzten das alte marímbula, das Fingerklavier, durch einen E-Baß, spielten die Rhythmen etwas flotter und hatten Erfolg.
Daß die alten kubanischen Lieder heute wieder internationale Triumpfe feiern, ist nicht zuletzt das Verdienst der neunköpfigen Gruppe Sierra Maestra und des umtriebigen Juan de Marcos González. Der Komponist, tres-Spieler und Sänger war 1976 Mitbegründer der Sierra Maestra und ist heute Bandleader der Afro-Cuban Allstars. Er brachte 1996 seine Allstars mit Ry Cooder zusammen und mit den daraus entstandenen Alben (siehe LN 282) brach der internationale Boom der afrokubanischen Musik erst richtig los. „Ich denke,“ sagte de Marcos einmal, „es existiert eine Krise in der modernen kubanischen Tanzmusik. Die modernen kubanischen Tanzorchester haben alle den gleichen Klang, sie wiederholen sich, bis es langweilig wird.“
Seit 1983 gastiert Sierra Maestra regelmäßig in Europa und 1994 brachte das Londoner Label World Circuit ihre erste international vermarktete CD ¡dundunbanza! heraus. Vier der zehn Stücke stammen von Arsenio Rodríguez, so daß die CD eine Hommage an den erblindeten Altmeister ist, der in den vierziger Jahren seine Erfolge feierte. Auch er hatte damals das traditionelle Son-Ensemble erweitert: mit Conga, Piano und einer zweiten Trompete. Die Trompete auf ¡dundunbanza! spielt Jesús Alemañy, der beim CubaníSImo-Festival in Berlin 1997 mit eigener Band seine Europapremiere feierte.
Auf ihrer letzten CD Tibiri Tábara reisen die Musiker zurück in das 19. Jahrhundert, spüren den alten changuí-Rhythmus auf, lassen in dem Stück ‘El guararey de Pastora’ die marímbula wieder zu Ehren kommen und landen mit ‘Anabacoa’ am Ende beim afro-kubananischen Jazz. Wir dürfen gespannt sein, was die leicht neubesetzte Gruppe auf ihrer Reise nach Europa diesmal aus der Sierra Maestra mitbringt.

Aktuelle CD:
Sierra Maestra
‘Tibiri Tábara’
World Circuit, 1997

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