Kuba | Musik | Nummer 549 - März 2020

AUS EINER ANDEREN ZEIT

Das hervorragende zweite Solo-Album von Ibrahim Ferrer wurde posthum neu abgemischt und um vier Titel ergänzt

Von Robert Swoboda


Bild: Nuzzcom Music / World Circuit / BMG

„Ich genieße das Gefühl, dass in dem, was ich singe wirklich etwas steckt“, sagte der aus Santiago de Cuba stammende Sänger Ibrahim Ferrer einmal. Vielleicht meint er damit Geschichte, denn seine Musik klingt wie eine schöne Erinnerung an eine vergangene Zeit.

Das Album Buenos Hermanos überzeugt durch hervorragende Musiker*innen und eine vielfältige Instrumentierung. Produzent und Gitarrist Ry Cooder, der Ferrer bereits Ende der 1990er Jahre bei Buena Vista Social Club kennenlernte, verpasste dem bereits 2003 erschienenen Album einen aufgefrischten Klang, der alle Wünsche aufmerksamer Hörer*innen erfüllt. Zudem fügte er vier Lieder aus den alten Sessions hinzu. Warum zum Beispiel „Ven Conmigo Guajira“ damals nicht veröffentlicht wurde, weiß er nicht mehr zu sagen. Cooder bezeichnet die auf dem Album enthaltene Version sogar als die beste dieses kubanischen Standards. Das Lied „Me Voy Pa Sibanicú“, dem Cooder ein Solo mit der kubanischen Laúd beisteuerte, wird hingegen heute wohl nur noch auf dieser CD zu hören sein. Denn die Musik stammt aus einer anderen Zeit.

Ibrahim Ferrer singt auf dem 17 Titel umfassenden Album Lieder des kubanischen Son, dessen Wurzeln bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Der Son verlor irgendwann nach der Revolution an Bedeutung und wurde zur Musik der Alten, bis Ferrer ihm als Sänger zu einer späten internationalen Blüte verhalf und damit selbst weltberühmt wurde. Für den Sänger eine große Überraschung, denn eigentlich hatte er sich Anfang der 1990er Jahre zur Ruhe gesetzt. Um sich den Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete er als Schuhputzer bis der Bandleader der Afro-Cuban Allstars, Juan de Marcos González Cárdenas, ihn plötzlich zu den Aufnahmen für Buena Vista Social Club einlud.

Als Buenos Hermanos 2003 erschien, begannen die USA den Krieg im Irak. Cooder sagte in einem Interview, der Krieg habe die USA kulturell zurückgeworfen. Weltmusik wurde auf einmal unpopulär. Dennoch wurde das im selben Jahr veröffentlichte Album von Ibrahim Ferrer mit einem Grammy ausgezeichnet. Es galt wohl damals wie heute: „Wir brauchen etwas Gutes, etwas Schönes in diesen Zeiten”, wie Cooder über die neue Auflage schwärmt. Das trifft ebenfalls auf das beiliegende Booklet zu, welches mit bewegenden Fotos, den spanischen Texten sowie englischen Übersetzungen eine gelungene Beigabe ist.

Der Son sowie Ibrahim Ferrer stehen für einen Sound, der wie der Blues die Grundlage für viele Musikstile geworden ist. Definitiv eine wertvolle Scheibe.

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