Das Asylrecht war kein Versehen
Als 1949 im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland das Asylgrundrecht ohne jede Einschränkung festgeschrieben wurde, war dies keineswegs ein Versehen. Zeithistorischer Erfahrungshintergrund waren Terror und Verfolgung in Deutschland, die industrielle Vernichtung von Millionen Menschen, die durch den zweiten Weltkrieg ausgelösten Flüchtlingsströme und die Aufnahme – oder eben Nicht-Aufnahme – dieser Menschen in anderen Ländern.
Die Ausgestaltung des Asylrechts garantierte dem einzelnen Flüchtling den Anspruch auf umfassende Anhörung sowie das Recht, bis zum Abschluß des Verfahrens in Deutschland zu bleiben. Weder das Völkerrecht noch die Verfassung anderer Staaten kannten eine derartig weitreichende Ausgestaltung des Asylgrundrechts. Dennoch war die Praxis der Asylgewährung in anderen Staaten, die kein Grundrecht auf Asyl besaßen, häufig liberaler als in der Bundesrepublik. Neben einer restriktiven Auslegungspraxis führten seit 1978 vielfache Gesetzesänderungen zur Verkürzung des Rechts-mittelweges und zur Erschwerung des Zugangs zum Verfahren. Vom Grundrecht auf Asyl ist kaum etwas übrig geblieben.
Die Vorgeschichte der Grundgesetzänderung
1991 kamen 256.112 AsylbewerberInnen in die Bundesrepublik Deutschland, etwa 33 Prozent mehr als 1990. 1992 stieg die Zahl noch einmal um 71 Prozent auf 438.191. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1993 verlangsamte sich der Anstieg der Gesuche, auch unter dem Einfluß des seit dem November 1992 geltenden “Rücknahme-Abkommens” mit Rumänien. Es gab 224.099 AsylbewerberInnen, 19,5 Prozent mehr als in der ersten Hälfte des Vorjahres. Das seit dem 1. Juli 1993 gültige neue Asylrecht brachte die “Wende”: mit 98.690 Personen sank die Zahl der AntragstellerInnen um 56 Prozent im Vergleich zur ersten Hälfte desselben Jahres.
Restiktive Anerkennungspraxis
Der Rückgang der BewerberInnenzahlen wird von der Regierungskoalition und darüber hinaus als Erfolg verbucht. Die überwiegende Mehrheit der Antragsteller seien “Scheinasylanten” und “Wirtschaftsflüchtlinge” gewesen. Hierzu sind mindestens zwei Dinge zu bemerken:
1. Zu den etwa 5 Prozent anerkannten Flüchtlingen kamen weitere 5 Prozent hinzu, die aufgrund von Gerichtsverfahren doch noch Asyl erhielten. Weitere 10 Prozent müssen hinzugrechnet werden als zunächst abgelehnte Angehörige, die mit Rücksicht auf den Schutz der Familie bleiben durften. Noch einmal 20 Prozent der AntragstellerInnen waren zwar nicht im engeren Sinne asylberechtigt, erhielten aber ein Bleiberecht als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Insgesamt durften also mindesten 40 Prozent aller AntragstellerInnen bleiben, und das bei der auch vor Juli 1993 schon ausgesprochen restriktiven Anerkennungspraxis.
2. Wer von “Scheinasylanten” spricht, vergißt, daß es seit dem Anwerbestop 1973 kaum noch legale Wege gibt, in die Bundesrepublik zu kommen. Neben der Stellung eines Asylantrags bleiben im wesentlichen Familiennachzug sowie die befristete Einreise zu Ausbildungszwecken und zu Besuchen. Würde die Bundesrepublik endlich anerkennen, daß sie längst ein Einwanderungsland geworden ist und die entsprechenden Regelungen einführen, wären Menschen, die tatsächlich nicht direkt politisch verfolgt werden, aber nichts desto trotz legitime Gründe haben, in der Bundesrepublik leben zu wollen, nicht länger gezwungen, diesen Wunsch auf dem Umweg Asyl zu verfolgen.
Die Situation nach der Grundgesetzänderung
Der Kern der neuen Asylrechtsregelung ist die Konstruktion von “sicheren Herkunftsländern” und “sicheren Drittstaaten”. Grundlage für letzteres ist die formale, nicht jedoch die faktische Anerkennung der Genfer Flüchtlingskonvention.
Kommt ein Flüchtling aus einem “sicheren Herkunftsland” (auch Rumänien etwa ist trotz der staatlich geduldeten Pogrome gegen Roma als Nichtverfolgerstaat aufgeführt), so ist sein Antrag “offensichtlich unbegründet” und er durchläuft ein gekürztes Asylverfahren. Gegen die Entscheidung klagen darf er nur vom angeblich verfolgungsfreien Herkunftsland aus.
Ist ein Flüchtling durch einen “sicheren Drittstaat” eingereist, gilt sein Antrag als unbeachtlich, da er ja in diesem Staat seinen Antrag auf Asyl hätte stellen können. Nicht der Fluchtgrund, sondern der Fluchtweg sind ausschlaggebend. Wer an der Grenze zu Polen, einem der “sicheren Drittstaaten”, einreisen will, wird sofort, ohne Anhörung, dorthin zurückgeschoben. Daß es dort keine rechtsstaatlichen Verfahren im strengen Sinne gibt, daß die Gefahr von Kettenabschiebungen besteht, wird ignoriert. Diese Regelung führt zur faktischen Abschottung, da alle an Deutschland grenzenden Staaten entweder “sichere Drittstaaten” oder “Nichtverfolgerstaaten” sind.
So bleiben im Grunde nur die illegale Einreise und das Verschweigen des Fluchtweges, oder die Einreise auf dem Luftweg. Nach der sogenannten “Flughafenregelung” gelten Antragsteller aus “sicheren Herkunftsländern” als nicht eingereist und haben sich auf dem vorgeblich “exterritorialen” Gelände des Flughafens bei Zwangsaufenthalt im Lager einem Schnellverfahren zu unterziehen. In nur einer Woche wird über die Abschiebung oder die Einreise und das reguläre Verfahren entschieden. Dasselbe gilt für Menschen mit ungültigen Reisepapieren. Um ihre Chance auf ein reguläres Asylverfahren zu erhöhen, kann es für diejenigen, die aus angeblich sicheren Herkunftsländern kommen, unter Umständen günstiger sein, wenn sieihre Papiere vernichten und eine fremde Identität, ein anderes Herkunftsland angeben.
Neben der weiteren Erschwerung des Zugangs zum Asylverfahren und der Verkürzung der Fristen, in denen Rechtsmittel eingelegt werden können, wird versucht, durch die Verschlechterung der Lebenssituation im Land Flüchtlinge abzuschrecken.
Asylrecht und 8. Mai
Wer “einen Ausländer verleitet oder dabei unterstützt, im Asylverfahren (…) unrichtige oder unvollständige Angaben zu machen” (Asylverfahrensgesetz ´84) damit er zum Beispiel nicht in einen Staat zurückgeschoben wird, in dem er mit großer Wahrscheinlichkeit Folter zu erwarten hat, wird mit Freiheitsentzug und Geldstrafe bedroht.
Menschen, die illegale Roma aus Rumänien verstecken, werden kriminalisiert, diejenigen, die Flüchtlingen über die “grüne Grenze” helfen, undifferenziert als Schlepper diffamiert. Abgelehnte AsylbewerberInnen werden verfolgt, weil sie mangels anderer Möglichkeiten, das Aufenthaltsrecht zu erwerben, eine Ehe eingehen.
Eine AsylbewerberIn, der/die falsche Papiere vorgelegt hat, wird als BetrügerIn bezeichnet und hat kaum Chancen, sein/ihr Asylverfahren erfolgreich zu beenden. Hierbei spielt es keine Rolle, ob er/sie das Heimatland ansonsten nicht hätte verlassen können – sei es wegen restriktiver Visabestimmungen oder weil ihm/ihr vom Verfolgerstaat keine Papiere ausgestellt wurden.
Das Zahlenmaterial wurde dem Buch von Klaus J. Bade: Ausländer, Aussiedler, Asyl (München 1994) entnommen
Menschenwürde
garantieren!
Am 28.1.95 wurde Benjamin Ramos Vega, der mit internationalem Haftbefehl wegen “Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung”(ETA) sowie “Sprengstoffbesitz” und “Lagerung von Kriegswaffen” gesucht wurde, in Berlin festgenommen.
Die Grundlage der Festnahme war eine Aussage eines am 28.4.94 in Barcelona festgenommenen, ehemaligen Führungsmitglieds der baskischen Partei Herri Batasuna, genannt Pipe. Vor dem Haftrichter widerrief Pipe alle Aussagen und erklärte, daß die Aussagen unter Folter zustande gekommen sind
Der spanische Staat fordert die Auslieferung von Benjamin. Obwohl nach Einschätzungen von amnesty international und des UNO-Sonderbeauftragten für Folterangelegenheiten systematischen Folter im spanischen Staat betrieben wird, wird voraussichtlich der Asylantrag, den er gestellt hat, abgelehnt werden da Spanien von der BRD als “verfolgungsfreies Herkunftsland” eingestuft wird.
Protestschreiben können Sie an folgende Adresse schicken: Bundesjustizministerium, Heinemannstr. 6, 53175 Bonn, fax: (o228) 584525 und an das Kammergericht Berlin, Witzlebenstr.4, 14057 Berlin, Fax:(030) 32092266
Solidaritätsbriefe in einfachem Deutsch an: Benjamin Ramos Vega, JVA, Alt-Moabit 12a, 10559 Berlin