Mehringhof | Nummer 313/314 - Juli/August 2000

Die Polizei hat einen Sack gefunden

Erneute Durchsuchung des Mehringhofs ohne Ergebnisse

Am 30. Mai diesen Jahres durchsuchte die Polizei erneut das Gelände des Mehringhofs, in dem auch die Lateinamerika Nachrichten ihre Räume haben, auf der Suche nach Hinweisen auf ein Sprengstofflager.

Die Redaktion

Im Editorial der Lateinamerika Nachrichten 308 kommentierten wir eine zerstörungswütige Hausdurchsuchung des gesamten Mehringhofkomplexes mit den Worten „Die Hauptstadt stellt sich vor.“ Am 19. Dezember 1999 waren etwa 600 Polizeibeamte im Einsatz und durchwühlten den ganzen Mehringhof. Hintergrund dieser Staatsschutzaktion war eine Aussage des für die Bundesanwaltschaft (BAW) als Kronzeugen tätigen Tarek M.. Dieser behauptete, dass sich im Mehringhof ein Sprengstoffdepot der in den 70er und 80er Jahren tätigen „Revolutionären Zellen“ (RZ) befunden haben soll. Also schickte das Bundeskriminalamt (BKA) zur Aufklärung einer Reihe von teilweise verjährten Straftaten seine besten Sprengstoffexperten und Hunde durch die verwinkelten Katakomben dieses Gebäudes. Es wäre doch gelacht, wenn 600 Polizisten nicht in der Lage sein sollten, irgendwo zwischen Kindertagesstätte, Autonomenkneipe und Buchladen Spuren von Explosivstoffen aus einem Depot der RZ aufzufinden. Zeitgleich schlug auf der Basis der Kronzeugenaussage der lange Arm der BAW zu und nahm den langjährigen Mitarbeiter aus der Flüchtlingsunterstützungsarbeit Harald G., den Mehringshof-Hausmeister Axel H. und Sabine E. fest. Zwischenzeitlich wurden auch noch Matthias B. und Lothar E., seines Zeichens in den 80er Jahren Mehringhofhausmeister, verhaftet.
Die BAW durchsuchte den Mehringhof am 30. Mai diesen Jahres erneut, diesmal erheblich weniger martialisch als beim ersten Mal. Dabei lässt sich die vom Bundesgerichtshof gegebene Durchsuchungsbegründung an Witz kaum noch überbieten. In dem von Ermittlungsrichter Wolst unterschriebenen Durchsuchungsbeschluss steht unter Hinweis auf die Polizeiaktion vom 19.12.1999 lapidar: „Sprengstoff und Waffen wurden bei der Durchsuchung nicht gefunden.“ Aber da „der Nachweis, dass im Mehringhof Sprengstoff lagert oder gelagert worden ist, (…) für den Fortgang des Ermittlungsverfahrens von Bedeutung“ sei, habe man erneut durchsuchen müssen. Das Eingeständnis, dass 600 Polizisten im Dezember 1999 nichts strafrechtlich Relevantes finden konnten, bedeutet, dass ein zentraler Teil der Aussagen des Kronzeugen Tarek M., der bereits im April freigelassen wurde, erfunden ist. Aber da die BAW im Sinne eines Kontaktschuldverfahrens fünf der vom Kronzeugen Beschuldigten zum Teil schon für ein halbes Jahr weggesperrt hat, ist es plausibler noch mal zu durchsuchen. Wenigstens beschlagnahmte das BKA bei der jüngsten Mehringhofdurchsuchung noch einen blauen Müllsack und ergatterte ein paar Staub- und Wischproben. Und mindestens „da müsste doch eigentlich was dran sein“, denkt sich wohl der Volksmund und die BAW. Der eigentlich nahe liegende Gedanke, den sich um Kopf und Kragen redenden Kronzeugen, wenn schon nicht „zum Teufel zu schicken“, doch wenigstens mit äußerst spitzen Fingern anzufassen, die anderen Inhaftierten endlich freizulassen und das Strafverfahren einzustellen, kommt der eifrigen Strafverfolgungsbehörde aus Karlsruhe nicht in den Sinn. Nach Informationen aus Verteidigerkreisen wird nach dem jetzigen Stand des Verfahrens mit dem Beginn eines Prozesses frühestens im nächsten Jahr gerechnet.

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Kontakt zum Bündnis über: Soli-Büro im Mehringhof, Gneisenaustr. 2.a, 10961 Berlin, Tel. 030-6938318, Info- und Bürodienst immer Montag 16-19 Uhr. Dort kann auch die Kampagnenzeitung Zitronenfalter bestellt werden. Aktuelle Informationen gibt es im Internet unter www.freilassung.de

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