Ein Feldzug auf Wall Streets Geheiß?
US-Bank Chase Manhattan forderte mehr Entschlossenheit in Chiapas – Ein Lehrstück über die Allgegenwart des Dollars
Die Chase Bank gibt sich nicht der Illusion hin, daß die ZapatistInnen die alleinige Ursache für den Peso-Crash vom Dezember sind. Der Zusammenbruch der mexikanischen Wirtschaft wurde durch die Überbewertung des Pesos verursacht, und dies hatte es US-InvestorInnen – wie z.B. der Chase Bank selbst – ermöglicht, mexikanische Schatzbriefe totzuspekulieren und dann in sichere US-Dollars anzulegen.
Ein Jahr NAFTA – Wall Street ist verschnupft
Die gesamte US-Finanz und das Lager der PolitstrategInnen befürchten jetzt, daß eine von dem Neuling Ernesto Zedillo geführte mexikanische Regierung – anders als der alte Vertraute Washingtons, Ex-Präsident Carlos Salinas – ins Wanken geraten wird, im Konflikt mit den Zapatistas Zeit gewinnen will und versuchen wird, die Unzufriedenen im Lande zu besänftigen. Aber jede Art von Beschwichtigungspolitik gegenüber einer schäumenden Öffentlichkeit wird den InvestorInnen sicherlich nicht gefallen. Die ökonomische Sicherheit, die ihnen gewährt wurde, war ein Eckpfeiler der NAFTA-Vereinbarungen.
Für die Regierung besteht die Notwendigkeit, mit Subcommandante Marcos und seinen GenossInnen Schluß zu machen. Die Chase Bank drückt dies so aus: “Während unserer Meinung nach Chiapas keine fundamentale Bedrohung der politischen Stabilität in Mexiko darstellt, wird es als eben solche von einer Vielzahl von InvestorInnen wahrgenommen”.
Die Option einer Lösung des Chiapas-Konfliktes am Verhandlungstisch wird von der Chase Bank heruntergespielt: “Es ist schwer vorstellbar, daß die gegenwärtigen Umstände eine friedliche Lösung zulassen würden”. Zedillo wird nicht in der Lage sein, das Vertrauen der ZapatistInnen und ihrer AnhängerInnen zu erlangen, da “die Währungskrise alle verfügbaren Ressourcen für ökonomische und soziale Reformen begrenzt”. Mit anderen Worten: Die ausländischen InvestorInnen haben ein Vorrecht auf die schwindenden Reserven der mexikanischen Staatskasse; für die Anti-Armut Programme, die Zedillo für Chiapas versprochen hatte, bleibt dann nichts mehr übrig.
Riordan Roett – ein Mann sieht Krieg
Autor des Memos, das aus der Markterschließungsabteilung der Chase Bank stammt, ist ihr Berater Riordan Roett. Als ehemaliger Leiter der Lateinamerika-Studien an der John Hopkins School of Advanced International Studies, ist er beurlaubt. Roett soll besonders verbittert über die Vorfälle südlich des Rio Grande gewesen sein: hatte er doch leitenden Beamten der Chase Bank versichert, daß auf Zedillo – seinem langjährigen Gesprächspartner – Verlaß sei, wenn es um die Interessen der ausländischen InvestorInnen gehe. Beruhigt hatte die Chase Bank daraufhin ihre Investitionen in Mexiko erhöht. Als ein riesiges Handelsdefizit Zedillo zwang, den Peso abzuwerten, erwischte es die Chase eiskalt.
Eine harte Gangart der mexikanischen Regierung fordert Roett auch bei anderen Schwierigkeiten, die dieser Regierung ins Haus stehen. Bei den in fünf Bundesstaaten für dieses Jahr vorgesehenen Wahlen hat die in Mexiko regierende PRI nur düstere Aussichten. Roett schlägt vor, die PRI solle sich Wahlerfolge auf anderem Wege sichern. “Die Regierung Zedillo muß sorgfältig prüfen, ob sie von der Opposition fair an den Urnen erzielte Wahlsiege zuläßt oder nicht.” Weiter schreibt er: “Korrekt erzielte Wahlerfolge der Opposition nicht anzuerkennen, wäre ein ernsthafter Rückschlag in Zedillos Strategie der Wahlrechtsreform. Ein Verlust der PRI-Kontrolle würde aber das Risiko einer Spaltung der Partei in sich bergen.”
Roett hat in Washington an allen Lobby-Fäden gezogen, um Unterstützung für seine Politik der “verbrannten Erde” in Mexiko zu erhalten. Er forderte den Kongreß auf, Clintons 40 Milliarden Spritze aus Geldern der Chase Bank und anderen InvestorInnen schnellstens zu bewilligen. Clinton selbst griff angesichts einer sicheren Niederlage im Kongreß zur Präsidialmacht und drückte sein Paket gegen den Willen des Kongresses durch.
Roett’s Strategie ist die des Lobbyisten: Er versorgte Bob Dole, den einflußreichen Sprecher der Republikaner im Senat mit ausgewählten Informationen, sprach vor dem Richtlinienausschuß des Senats und er beriet Beamte des Außenministeriums. Am 11. Januar 1995 sprach er vor mehreren hundert Führungskräften aus Politik und Wirtschaft auf einem vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) organisierten Seminar.
Ein Seminar wird zum Fanfarenstoß
Bei dieser Gelegenheit soll Roett am Rande der Hysterie gewesen sein. Kunden würden ihn permanent fragen – so Roett -, warum die mexikanische Regierung die ZapatistInnen nicht unter Kontrolle bekommt. Roett meinte, aus der Sicht der InvestorInnen sei es wichtig, das Thema Chiapas so schnell wie möglich abzuhaken. Er räumte dabei ein, sein Aufruf zum Krieg, sollte Zedillo sich danach richten, könne negative internationale Auswirkungen haben. Aber bei kühnen Taten fielen immer politische Kosten an.
Die Ausführungen von Roett fanden geneigte ZuhörerInnen. Die Kolumnistin Georgie Anne Geyer schrieb wenige Tage später in einem Artikel: “Niemand auf diesem Seminar hat die mexikanische Situation besser erklärt als Roett.” Die anwesenden Fachleute und FinanzmanagerInnen – so die Kolumnistin – schienen sich einig, daß die ZapatistInnen zwar nicht für eine breite Revolte in ganz Mexiko stünden, sie aber der entscheidende Indikator, der Lackmustest für die Stabilität in Mexiko seien.
Dalal Baer, der Moderator der Veranstaltung, dankte Roett für seine Ausführungen und beklagte das “mexikanische Dilemma” zutiefst. Die mexikanische Regierung stehe unter dem Druck, daß politische System öffnen zu müssen. Die Finanzmärkte reagierten auf eine solche Zunahme der Demokratie nicht unbedingt positiv, da diese oft auch eine Zunahme an Instabilität nach sich ziehe, so Baer.
Auf dem Seminar forderte David Malpass, Direktor eines großen Finanzunternehmens, von Zedillo im Austausch für die von der US-Regierung organisierte Milliardenhilfe, eine Beruhigung der ausländischen InvestorInnen durch eine “gigantische Wiederherstellung des Vertrauens”. So schlugen Malpass und andere zum Beispiel weitere Privatisierungen vor, AusländerInnen sollten auch zu 100 Prozent Banken besitzen dürfen. Die Öffnung der mexikanischen Ölindustrie war ein weiterer Vorschlag.
Zedillo und die Mehrheit der PRI lehnten die “finale” Lösung des Riordan Roett zu diesem Zeitpunkt offiziell noch ab. Ein Beamter des mexikanischen Innenministeriums, der auch am Seminar teilnahm, bezeichnete den Kriegsaufruf Roetts als “nicht statthaft”.
Aber mexikanischen Finanzlobbyisten dürfte es bei Roett’s Analyse wahrscheinlich warm ums Herz geworden sein. Denn am 18.Dezember des vergangenen Jahres hatten sich schon mexikanische Geschäftsleute mit Zedillo getroffen, um von der neuen Regierung eine Offensive in Chiapas zu fordern.
Originaltitel: “Major U.S. Bank Urges Zapatista Wipe-Out: ‘A Litmus Test for Mexico’s Stability’, in:”Counterpunch”, Vol. 2. Nr. 3 vom 1. Februar 1995.