Mexiko | Nummer 249 - März 1995

Ein Feldzug auf Wall Streets Geheiß?

US-Bank Chase Manhattan forderte mehr Entschlossenheit in Chiapas – Ein Lehrstück über die Allgegenwart des Dollars

Eine mächtige US-Bank forderte am 13. Januar in Namen verunsicherter InvestorIn­nen von der mexikanischen Regierung, die aufständischen ZapatistInnen in Chiapas auszuschalten. An der Spitze der Kriegstreibertruppe von der Wall Street steht die Chase Bank, insbesondere deren Markterschließungsabteilung bangt um Milliarden Dollar, die in Mexiko investiert sind. Ein Bankeninsider spielte der US-Zeitschrift Counterpunch ein “Political Update on Mexiko” zu, in dem es unverblümt heißt: “Die Regierung wird die Zapatisten ausschalten (eliminate) müssen, um zu demonstrieren, wie wirksam ihre Kontrolle über nationales Territorium und nationale Sicherheit ist”

Ken Silverstein und Alexander Cockburn Übersetzung: Martin Ziegele

Die Chase Bank gibt sich nicht der Illu­sion hin, daß die ZapatistInnen die allei­nige Ursache für den Peso-Crash vom De­zember sind. Der Zusammenbruch der mexikanischen Wirtschaft wurde durch die Überbewertung des Pesos verursacht, und dies hatte es US-InvestorInnen – wie z.B. der Chase Bank selbst – ermöglicht, mexikanische Schatzbriefe totzuspekulie­ren und dann in sichere US-Dollars anzu­legen.
Ein Jahr NAFTA – Wall Street ist verschnupft
Die gesamte US-Finanz und das Lager der PolitstrategInnen befürchten jetzt, daß eine von dem Neuling Ernesto Zedillo ge­führte mexikanische Regierung – anders als der alte Vertraute Washingtons, Ex-Präsident Carlos Salinas – ins Wanken ge­raten wird, im Konflikt mit den Zapatistas Zeit gewinnen will und versuchen wird, die Unzufriedenen im Lande zu besänfti­gen. Aber jede Art von Beschwichti­gungspolitik gegenüber einer schäumen­den Öffentlichkeit wird den InvestorInnen sicherlich nicht gefallen. Die ökonomi­sche Sicherheit, die ihnen gewährt wurde, war ein Eckpfeiler der NAFTA-Vereinba­rungen.
Für die Regierung besteht die Notwen­digkeit, mit Subcommandante Marcos und seinen GenossInnen Schluß zu machen. Die Chase Bank drückt dies so aus: “Während unserer Meinung nach Chiapas keine fundamentale Bedrohung der politi­schen Stabilität in Mexiko darstellt, wird es als eben solche von einer Vielzahl von InvestorInnen wahrgenommen”.
Die Option einer Lösung des Chiapas-Konfliktes am Verhandlungstisch wird von der Chase Bank heruntergespielt: “Es ist schwer vorstellbar, daß die gegenwär­tigen Umstände eine friedliche Lösung zulassen würden”. Zedillo wird nicht in der Lage sein, das Vertrauen der Zapa­tistInnen und ihrer AnhängerInnen zu er­langen, da “die Währungskrise alle ver­fügbaren Ressourcen für ökonomische und soziale Reformen begrenzt”. Mit an­deren Worten: Die ausländischen Investo­rInnen haben ein Vorrecht auf die schwin­denden Reserven der mexikanischen Staatskasse; für die Anti-Armut Pro­gramme, die Zedillo für Chiapas verspro­chen hatte, bleibt dann nichts mehr übrig.
Riordan Roett – ein Mann sieht Krieg
Autor des Memos, das aus der Markter­schließungsabteilung der Chase Bank stammt, ist ihr Berater Riordan Roett. Als ehemaliger Leiter der Lateinamerika-Stu­dien an der John Hopkins School of Ad­vanced International Studies, ist er beur­laubt. Roett soll besonders verbittert über die Vorfälle südlich des Rio Grande ge­wesen sein: hatte er doch leitenden Be­amten der Chase Bank versichert, daß auf Zedillo – seinem langjährigen Ge­sprächs­part­ner – Verlaß sei, wenn es um die In­teressen der ausländischen Inve­storInnen gehe. Beruhigt hatte die Chase Bank dar­aufhin ihre Investitionen in Me­xiko er­höht. Als ein riesiges Handelsdefi­zit Ze­dillo zwang, den Peso abzuwerten, er­wischte es die Chase eiskalt.
Eine harte Gangart der mexikanischen Regierung fordert Roett auch bei anderen Schwierigkeiten, die dieser Regierung ins Haus stehen. Bei den in fünf Bundesstaa­ten für dieses Jahr vorgese­henen Wahlen hat die in Mexiko regie­rende PRI nur dü­stere Aussichten. Roett schlägt vor, die PRI solle sich Wahler­folge auf anderem Wege sichern. “Die Regierung Zedillo muß sorgfältig prüfen, ob sie von der Op­position fair an den Ur­nen erzielte Wahl­siege zuläßt oder nicht.” Weiter schreibt er: “Korrekt erzielte Wahlerfolge der Op­position nicht anzuer­kennen, wäre ein ernsthafter Rückschlag in Zedillos Strate­gie der Wahlrechtsre­form. Ein Verlust der PRI-Kontrolle würde aber das Risiko ei­ner Spaltung der Partei in sich bergen.”
Roett hat in Washington an allen Lobby-Fäden gezogen, um Unterstützung für seine Politik der “verbrannten Erde” in Mexiko zu erhalten. Er forderte den Kon­greß auf, Clintons 40 Milliarden Spritze aus Geldern der Chase Bank und anderen InvestorInnen schnellstens zu bewilligen. Clinton selbst griff angesichts einer siche­ren Niederlage im Kongreß zur Präsidial­macht und drückte sein Paket ge­gen den Willen des Kongresses durch.
Roett’s Strategie ist die des Lobbyisten: Er versorgte Bob Dole, den einflußreichen Sprecher der Republikaner im Senat mit ausgewählten Informationen, sprach vor dem Richtlinienausschuß des Senats und er beriet Beamte des Außenministeriums. Am 11. Januar 1995 sprach er vor mehre­ren hundert Führungskräften aus Politik und Wirtschaft auf einem vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) organisierten Seminar.
Ein Seminar wird zum Fanfarenstoß
Bei dieser Gelegenheit soll Roett am Rande der Hysterie gewesen sein. Kunden würden ihn permanent fragen – so Roett -, warum die mexikanische Regierung die ZapatistInnen nicht unter Kontrolle be­kommt. Roett meinte, aus der Sicht der InvestorInnen sei es wichtig, das Thema Chiapas so schnell wie möglich abzuha­ken. Er räumte dabei ein, sein Aufruf zum Krieg, sollte Zedillo sich danach richten, könne negative internationale Auswirkun­gen haben. Aber bei kühnen Taten fielen immer politische Kosten an.
Die Ausführungen von Roett fanden geneigte ZuhörerInnen. Die Kolumnistin Georgie Anne Geyer schrieb wenige Tage später in einem Artikel: “Niemand auf diesem Seminar hat die mexikanische Si­tuation besser erklärt als Roett.” Die an­wesenden Fachleute und Finanzmanager­Innen – so die Kolumnistin – schienen sich einig, daß die ZapatistInnen zwar nicht für eine breite Revolte in ganz Mexiko stün­den, sie aber der entscheidende Indikator, der Lack­mustest für die Stabilität in Mexiko seien.
Dalal Baer, der Moderator der Veran­staltung, dankte Roett für seine Ausfüh­rungen und beklagte das “mexikanische Dilemma” zutiefst. Die mexikanische Re­gierung stehe unter dem Druck, daß politi­sche System öffnen zu müssen. Die Fi­nanzmärkte reagierten auf eine solche Zu­nahme der Demokratie nicht unbedingt positiv, da diese oft auch eine Zunahme an Instabilität nach sich ziehe, so Baer.
Auf dem Seminar forderte David Mal­pass, Direktor eines großen Finanzunter­nehmens, von Zedillo im Austausch für die von der US-Regierung organisierte Milliardenhilfe, eine Beruhigung der aus­ländischen InvestorInnen durch eine “gigantische Wiederherstellung des Ver­trauens”. So schlugen Malpass und andere zum Beispiel weitere Privatisierungen vor, AusländerInnen sollten auch zu 100 Pro­zent Banken besitzen dürfen. Die Öffnung der mexikanischen Ölindustrie war ein weiterer Vorschlag.
Zedillo und die Mehrheit der PRI lehn­ten die “finale” Lösung des Riordan Roett zu diesem Zeitpunkt offiziell noch ab. Ein Beamter des mexikanischen Innenministe­riums, der auch am Seminar teilnahm, be­zeichnete den Kriegsaufruf Roetts als “nicht statthaft”.
Aber mexikanischen Finanzlobbyisten dürfte es bei Roett’s Analyse wahrschein­lich warm ums Herz geworden sein. Denn am 18.Dezember des vergangenen Jahres hatten sich schon mexikanische Ge­schäftsleute mit Zedillo getroffen, um von der neuen Regierung eine Offensive in Chiapas zu fordern.

Originaltitel: “Major U.S. Bank Urges Zapatista Wipe-Out: ‘A Litmus Test for Mexico’s Stability’, in:”Counterpunch”, Vol. 2. Nr. 3 vom 1. Februar 1995.


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