Nummer 361/362 - Juli/August 2004 | Öffentliche Güter

Ein Plan für die Mächtigen

Der Plan Puebla Panama treibt die Privatisierung von öffentlichen Gütern voran

Mit dem Plan Puebla Panama hat die mexikanische Regierung Fox in Zusammenarbeit mit den zentralamerikanischen Staaten ein umfassendes Infrastruktur-Entwicklungsprogramm geschaffen. Durch die Privatisierung öffentlicher Güter werden jedoch transnationale Unternehmen gefördert und Bodenschätze ausgebeutet. Forderungen der Bevölkerung werden nicht berücksichtigt, und wirtschaftlichen Nutzen zieht sie keinen aus dem Programm. Jedoch hat sie die enormen Folgen zu tragen.

Klaus Schilder, Jonna Schürkes

Bald wird Guiechiquero geteilt sein. Die Gemeinde in Oaxaca liegt in einem Gebiet, das durch die geplante Fernstraße von Oaxaca nach Huatulco in zwei Teile zerschnitten wird. Im Januar diesen Jahres richtete sich die Gemeindeverwaltung in einem Beschwerdebrief an den mexikanischen Präsidenten, dass sie über das Bauvorhaben weder informiert noch befragt worden sei. Es war nicht die erste Beschwerde an den mexikanischen Staat, Antwort hat sie jedoch wieder einmal keine erhalten.
Der Bau der Fernstraße ist Teil des ehrgeizigen Infrastrukturprogramms „Plan Puebla Panama“ (PPP) der zentralamerikanischen Regierungen, das auf eine Initiative des mexikanischen Präsidenten Fox aus dem Jahr 2001 zurückgeht. Für die einen nährt der PPP Hoffnungen auf wirtschaftliche Prosperität, für die anderen dient er der ökonomischen Nutzung der reichen Natur- und Bodenschätze Mittelamerikas. Jedoch ist die erklärte Absicht des PPP, durch Infrastrukturförderung Armut zu lindern und regionale Entwicklungsimpulse zu setzen, sehr fraglich.

Regionale Entwicklung und Integration
Kurz nach seiner Wahl rief Fox dieses regionale Entwicklungs- und Integrationsprojekt ins Leben, an dem neben neun Bundesstaaten im südlichen Mexiko die zentralamerikanischen Länder Guatemala, Belize, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panamá beteiligt sind. In diese benachteiligte Region fließen bisher nur wenige öffentliche und private Investitionen, die sozioökonomischen Indikatoren gehören zu den niedrigsten Amerikas. Vicente Fox beschrieb die Ziele des PPP im Juni 2001 wie folgt: „Beim PPP geht es um menschliche Entwicklung und hier in erster Linie um die Bekämpfung der Armut. Es ist ein Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung, bei dem es vor allem darum geht, eine Infrastruktur zu schaffen, die die Grundvoraussetzung für eine günstige wirtschaftliche Entwicklung schafft.”
Im Rahmen des PPP sollen Straßenkorridore, Telekommunikations- und Energieversorgungsleitungen von Norden nach Süden und vom Pazifik zum Atlantik geschaffen werden. Die wichtigsten Projekte umfassen den Bau einer Straßenverbindung von Puebla in Mexiko bis Panama-Stadt entlang des Pazifik, einer Verbindung am Golf von Mexiko sowie mehrerer Quertrassen. Zudem sollen Häfen und Flughäfen ausgebaut, Grenzübergänge erneuert, neue Staudämme errichtet und Überlandleitungen und Gaspipelines gezogen werden. Die Investitionskosten sind beträchtlich: Allein die Straßenkorridore werden 3,5 Milliarden US-Dollar verschlingen, die Gesamtkosten liegen bei über 10 Milliarden US-Dollar. Die Finanzierung erfolgt teils mit Krediten der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) und anderer internationaler Finanzinstitutionen, teils mit Entwicklungsmitteln der Industriestaaten sowie durch Eigenleistungen der beteiligten Staaten.

Plan Para los Poderosos – Plan für die Mächtigen
Der PPP ist eine der logischen Konsequenzen des Ende 2003 zwischen den USA und den zentralamerikanischen Staaten geschlossenen Freihandelsabkommens CAFTA. Er schafft die strukturellen Voraussetzungen zum kontinentalen Warenaustausch im Rahmen der geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone FTAA. Ziel des PPP ist es, den Süden Mexikos und Mittelamerikas in eine riesige Freihandelszone zu verwandeln, die den transnationalen Konzernen den Zugang und die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen der Region erleichtern und günstige Produktionsbedingungen schaffen soll. Entlang der Korridore sollen zudem freie Produktionszonen entstehen, in die sich ein Teil der Billiglohnindustrie aus dem Norden Mexikos verlagern wird. Außerdem schaffen die geplanten Verkehrsverbindungen zwischen den beiden Ozeanen Alternativen zum Panamakanal, vor allem für den steigenden Handel zwischen China, der Asia-Pazifik-Region und den USA.
Nicht die politische Einsicht, die rückständige Region ins 21. Jahrhundert zu katapultieren, sondern die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung ihrer natürlichen Ressourcen für transnationale Unternehmen stand Pate für die Initiative.

Privatisierung öffentlicher Güter
Die öffentlichen Güter wie Wasser, Erdöl, Bodenschätze, Edelhölzer und die reiche Biodiversität sind bislang zumeist noch unter der kollektiven Kontrolle der indigenen Landbevölkerung oder in staatlicher Hand. Durch die geplanten Infrastrukturmaßnahmen werden die Transportkosten zu den US-amerikanischen Märkten, bislang ein hoher Kostenfaktor, deutlich sinken. Für ausländische Pharma- und Biotechnologieunternehmen ist die Region von hoher strategischer Bedeutung, da sich in den Tropenwäldern zwölf Prozent der weltweiten Artenvielfalt findet. Nutznießer der Infrastrukturmaßnahmen sind daher vor allem US-amerikanische Bergbau-, Gas- und Erdölkonzerne, Biotechnologiefirmen und weitere Billiglohnindustrien (die so genannten Maquiladoras), die die geringeren Lohnkosten und unzureichende Sozialstandards nutzen, um ihre Produktionskosten zu drücken.
Für Miguel Pickard, Mitarbeiter des Centro de Investigaciones Económicas y Políticas de Acción Comunitaria (CIEPAC) in Mexiko, ist die Zielsetzung klar: „Es überrascht niemanden, dass der PPP nicht etwa eine Strategie ist, um die enorme Armut zu lindern, sondern ein genialer Kniff, um gewaltige öffentliche Mittel in Infrastrukturprojekte umzulenken, die wiederum, so hofft man, private Investitionen anziehen sollen“.

Pobreza Para el Pueblo – Armut fürs Volk
UmweltschützerInnen, GewerkschaftsvertreterInnen und MenschenrechtsaktivistInnen in der gesamten Region protestieren schon lange heftig gegen den PPP. Ihr Hauptargument: Positive Entwicklungseffekte für die indigene und die lokale Bevölkerung werden gering sein, da der Plan die lokalen Interessen nicht berücksichtigt. Die geplanten Infrastrukturmaßnahmen werden nur wenig zur Armutsminderung und nachhaltigen Entwicklung beitragen, da vor allem die lokale Bevölkerung die negativen Folgen des Baus von Staudämmen, Fernstraßen und Eisenbahnlinien zu tragen hat, aber kaum vom wirtschaftlichen Nutzen profitiert.
„Der PPP dient vor allem der Exportwirtschaft. Und genau deshalb sind wir gegen diese Maßnahmen, weil die Regierungen bei der Auswahl der Projekte die Forderungen der betroffenen Gemeinden nicht berücksichtigen. Den transnationalen Konzernen wird lediglich der Zugang zu den Rohstoffen garantiert und ihnen so der Export von Waren ermöglicht. Dies ist eine Infrastrukturentwicklung, bei der die nationalen Bedürfnisse nach Produktion und Konsum nichts zählen“, so Ariane Grau Crespo, Mitglied der Asociación Servicios de Promoción Laboral (Aseprola) in Costa Rica.
Ein Blick auf die Finanzierung einzelner Projektvorhaben bestätigt, dass wesentlich mehr Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen als in die Bereiche Soziales, Bildung und Umwelt fließen. Der umweltbezogene Anteil an den direkten und indirekten PPP-Investitionen liegt bei mageren 12,9 Prozent.
Der wirtschaftliche Nutzen des PPP für die betroffenen Länder ist also insgesamt als gering zu bezeichnen. Die möglichen ökologischen und sozialen Folgeschäden sind jedoch hoch. Zudem tragen die Rechnungen der Infrastrukturerschließungsprojekte zur Verschuldung bei, werden sie doch zum Großteil mit nationalen Steuergeldern oder durch Kreditaufnahmen finanziert, deren Zinsen und Rückzahlungsverpflichtungen bedient werden müssen.

„Alle werden angehört“
Kritik gibt es auch an der mangelhaften Beteiligung der Bevölkerung. 2001 hatte Fox angekündigt, dass alle, die innerhalb und außerhalb der Region leben würden, die Möglichkeit hätten, sich zu beteiligen und Ideen einzubringen. Jede und jeder solle angehört werden. Bislang gab es jedoch nur vereinzelt Konsultationen, Beschwerden von betroffenen Bevölkerungsgruppen wurden dagegen kaum berücksichtigt.
Die lokale Bevölkerung ist nicht grundsätzlich gegen Infrastrukturmaßnahmen in der Region, wehrt sich aber gegen die Exportausrichtung der PPP-Maßnahmen. „Man sollte eher über die Schaffung einer Infrastruktur für den nationalen Markt nachdenken, die die Gemeinden miteinander verbindet. Denn wir sind es, die die Kredite zurückzahlen müssen. Wir müssen 10.000 Kilometer [regionaler] Verbindungsstraßen erhalten, bauen und verbessern, damit die Landwirtschaft sowie klein- und mittelständische Unternehmen überlebensfähig bleiben. Das Gleiche gilt für die Energie- und die Trinkwasserversorgung und den Telekommunikationsbereich“, fasst die nicaraguanische Organisation Cristianos Nicaragüenses por los Pobres zusammen. Bislang ist ein solcher Strategiewechsel aber nicht zu erkennen.

Widerstand formiert sich
Doch der Widerstand formiert sich. So zum Beispiel im „Mesoamerikanischen Forum gegen den PPP“, einer breiten Plattform zumeist indigener Gemeinschaften und Organisationen. Dort werden Informationen ausgetauscht, Forderungen formuliert und Alternativen zum PPP entwickelt.
Auch die Gemeinde Guiechiquero wehrt sich schon lange gegen das Bauvorhaben: Bereits im November 2001 hatten die betroffenen Gemeinden ihren Widerstand gegen den Bau dieser Straße ausgedrückt: „Die Schneise geht durch unser Territorium und provoziert die Zerstörung unserer Nanchesträucher (eine traditionelle Heilpflanze), die fast im ganzen Gebiet angebaut werden. Außerdem wird durch den Bau der Straße die Zerstörung von 30 Mangosträuchern, 200 Palmen und die einzige Trinkwasserquelle, die sowohl die Bedürfnisse der BewohnerInnen, als auch die der dort lebenden Tiere stillt, provoziert.” Auf ihren Protest hat die Gemeinde jedoch bis heute keine Antwort erhalten.

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