Farbige Rivalität
Waffenstillstand im „Krieg gegen die Presse“
Schon kurz nach dem Amtsantritt Basdeo Pandays kam es zu einem heftigen Disput mit der Tageszeitung Trinidad Guardian. Panday schloß das Blatt kurzerhand von Regierungsveranstaltungen aus und bezeichnete den Chefredakteur Jones Madeira als rassistisch, boshaft und gehässig. Sicher hatte der Trinidad Guardian wie auch diverse andere Printmedien und Radiostationen unmittelbar nach der Wahl in die anti-indische Kerbe gehauen und die neuen „Masters“ an die Wand gemalt, dennoch war die Reaktion Pandays reichlich überzogen. Zu dieser Einsicht gelangte Panday nach einem Treffen mit drei Zeitungsherausgebern aus karibischen Nachbarländern schließlich selbst, so daß er den Bann gegenüber dem Guardian flugs wieder aufhob. Der als „Krieg der Worte“ bezeichnete Streit ging jedoch weiter. 17 RedakteurInnen waren schließlich derart genervt, daß sie den Guardian verließen, um sich mit der Neugründung einer Zeitung wieder auf ihre Arbeit besinnen zu können.
Mit ihrem Vorschlag zur Medienreform goß die Regierung weiter Öl ins Feuer. Sowohl von den Medien als auch von anderen Sektoren wurde der Entwurf als Versuch der Zensur und Einschränkung der Pressefreiheit zurückgewiesen. Panday versuchte einzulenken und beauftragte einen externen Ratgeber mit der Unterbreitung eines Schlichtungsvorschlags. Der Vorschlag des Kommunikationsberaters Roy Boyke verblüffte durch seine Simplizität: die Regierung solle ein „einseitiges Moratorium“ im Krieg gegen die Medien ausrufen und sich ansonsten bemühen, „schadensbegrenzende Mechanismen“ im Medienrecht zu stärken. Auch Panday selbst scheint verblüfft. Seit der Vorschlag Anfang September veröffentlicht wurde, tendieren seine öffentlichen Ausbrüche kontra MedienvertreterInnen gegen Null. Zwei neue Schwerpunkte zieren seine Medienpolitik: zum einen wendet er sich gegen die überhandnehmende Gewaltverbreitung im Fernsehen und zum anderen setzt er sich für eine Förderung des lokalen Programminhalts ein. Während sich viele JournalistInnen über den zumindest vorläufigen Waffenstillstand erleichtert zeigen, gibt es einige KritikerInnen, die Pandays geänderte Medienpolitik lediglich als neue Taktik interpretieren, sich die Kontrolle der Medien durch die Hintertür des lokalen Inhalts anzueignen. Prominentester Kritiker ist der Afrotrinidadier Patrick Manning, Vorgänger von Panday, der sich seit den Wahlen 1995 mitsamt seiner Partei, dem People´s National Movement (PNM), in der ungewohnten Oppositionsrolle befindet. Eine Rolle, die sich zumindest bis Ende 1996 hätte vermeiden lassen, denn erst zu diesem Zeitpunkt wären die Parlamentswahlen laut Verfassung fällig gewesen. Manning zeigte sich jedoch immer stärker genervt von seinen zunehmend eingeschränkteren Regierungsmöglichkeiten.
Nachwahlen von Parlamentssitzen und der Rücktritt seines Außenministers Ralf Maraj hatten die Regierungsmehrheit schwinden lassen. Ohne Einbindung der Opposition ließen sich nur noch einfache Gesetze durchsetzen. Manning war dies zu wenig. Er erhoffte sich durch vorgezogene Neuwahlen eine bequeme Mehrheit, in der Annahme, daß die Wählerinnen und Wähler den wirtschaftlichen Aufschwung unter seiner Ägide entsprechend goutieren würden. Er verkalkulierte sich und mußte so Basdeo Panday Platz machen.
Das kleine Tobago gibt den Ausschlag
Unkonventionelle Wahlergebnisse erfordern unkonventionelle Regierungsbildungen. Ein Patt auf Trinidad zwischen dem afrotrinidadischen People’s National Movement (PNM) und dem indotrinidadischen United National Congress (UNC) erbrachte das Novum: die oft vernachlässigte Kleininsel Tobago wurde zum Zünglein an der Waage. Die knapp 50.000 und zu mehr als 90 Prozent afrikanischstämmigen BewohnerInnen Tobagos werden im nationalen Parlament durch zwei Sitze repräsentiert, und diese zwei Sitze gewinnt seit ihrer Gründung 1986 mit steter Regelmäßigkeit die Parteienverbindung National Alliance for Reconstruction (NAR). Die Abneigung der afrotobagischen NAR gegen die jahrzehntelange Alleinregierung der afrotrinidadischen PNM überwiegt selbst die Differenzen zum indotrinidadischen United National Congress (UNC). Als Königsmacher für den ersten indischstämmigen Ministerpräsidenten des Inselverbunds fungierte so kurioserweise der schwarze Parteichef der NAR, Arthur Napoleon Raymond Robinson. Eine weitere Pikanterie: Bei der Koalition handelte es sich um eine Quasi-Neuauflage der Regierung von 1986, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Damals stellte die NAR den Ministerpräsidenten und konnte zum ersten Mal die Dominanz des PNM durchbrechen. In die NAR integriert und größter Stimmensammler war die United Labour Front (ULF), die Vorgängerin des UNC, die in erster Linie die trinidadischen Hindus repräsentierte. Bereits 1988 verließen jedoch die ULF-Mitglieder im Streit die Regierung von Robinson und gründeten 1989 unter Führung von Basdeo Panday den UNC. Trotz des damaligen Zwists koalierte der UNC Pandays 1995 mit der NAR. Die Koalition erwies sich indes als brüchig. Zum einen war der UNC seit dem Übertritt zweier PNM-Abgeordneter kaum noch auf die NAR angewiesen, zum anderen befindet sich die NAR in der Selbstauflösung. Zankapfel war der vakante Abgeordnetensitz von Robinson, denn der Königsmacher wurde am 19. März 1997 auf Vorschlag Pandays zum Präsidenten von Trinidad und Tobago gewählt. Die parteiinterne Auswahl eines Kandidaten für die anstehenden Nachwahlen endete in heftigem Disput. Die einzige noch verbliebene NAR-Abgeordnete Pamela Nicholson trat aus der Partei aus und erklärte die NAR für tot, womit die Koaltion de facto beendet wurde. Der UNC unterstützte bei den Nachwahlen den unabhängigen Kandidaten Winford James, ebenfalls ein Ex-NAR-Mitglied, und zeigte dadurch klar, daß er in Zukunft auf die Unterstützung der NAR nicht mehr angewiesen sein will. Die NAR lebt jedoch auf Tobago weiter, denn nicht Winford James, sondern der Kandidat der NAR, Morgan Job, gewann die Nachwahlen. Der UNC reagierte prompt. Er bot Job den Ministerposten für Tobago-Angelegenheiten an und brachte so den Interimschef der NAR, Nizam Mohammed, zur Weißglut. Er rief zu einer vereinten afrotrinidadischen Opposition gegen die Regierung auf, bisher jedoch folgenlos für den UNC, dessen indotrinidadische Ausrichtung ein koloniales Produkt ist.
Ethnische Segmentierung als koloniales Produkt
Wenngleich der UNC formal multiethnisch orientiert ist, so repräsentiert er – wie sein Vorläufer ULF – faktisch primär die trinidadischen Hindus. Die an ethnischen Trennungslinien orientierte Parteien- und Siedlungsstruktur Trinidads hat ihre Wurzeln in der kolonialen Vergangenheit der Karibik. Auf allen karibischen Inseln besteht die Bevölkerungsmehrheit aus Schwarzen und Mulatten, letztlich also aus Nachkommen afrikanischer Sklavinnen und Sklaven, wobei es auf nahezu jeder Insel kleine und oft einflußreiche Minderheiten europäischer oder asiatischer Herkunft gibt. Trinidad jedoch nimmt insofern eine Ausnahmestellung ein, da die InderInnen mit 41 Prozent fast die Hälfte der Bevölkerung stellen.
In der seit 1802 britischen Kolonie Trinidad wurde trotz der durch die Konkurrenz des Rübenzuckers bedingten Krise in den Jahren 1844 bis 1917 rund 150.000 indische KontraktarbeiterInnen im sogenannten Indentur-System (Vertragsarbeitssystem) für die Zuckerplantagen angeworben. Die Plantagenwirtschaft hatte sich auf Trinidad seit 1783 entwickelt, die Produktpalette umfaßte Kakao, Zucker und Kaffee. Die Kontrakte der indischen IndenturarbeiterInnen enthielten den kostenlosen Rücktransport nach Vertragsablauf. Die steigenden Reisekosten brachten die Kolonialverwaltung jedoch auf die Idee, den ArbeiterInnen alternativ Kronland anzubieten. Etwa drei Viertel der ArbeiterInnen griffen darauf zurück. Das soziokulturelle Gefüge wurde kräftig durcheinandergeschüttelt, und zwar nicht nur ethnisch. Zu den überwiegend christlichen Afrikanischstämmigen kamen nun indische Hindus und zu einem geringeren Teil auch Moslems. Zudem bildete sich eine Gruppe christlicher InderInnen, da die Konversion zum Christentum den Zugang zu christlichen Bildungseinrichtungen erleichterte.
Seit der Indentur ziehen sich ethnische Gesichtspunkte wie ein roter Faden durch die trinidadische Geschichte. Während sich bis heute die Landbevölkerung überwiegend aus indischen Nachfahren konstituiert, haben die Schwarzen und Mulatten sich vorwiegend in den Städten niedergelassen und stellen das Gros der Industriearbeiterschaft und der öffentlichen Angestellten. Von den 300.000 Einwohnerinnen und Einwohnern der Hauptstadt Port of Spain sind gerade mal zehn Prozent indischer Abstammung. Die Afro-TrinidadierInnen konnten nach der Unabhängigkeit bis 1995 die umkämpfte politische Hegemonie in ihren Händen halten. Der Ausdruck der Hegemonie bildete die jahrzehntelange Alleinregierung der ersten modernen Partei Trinidads, des People´s National Movement (PNM).
The Fête is over: Die schwarze Vormacht bekommt Risse
Erst Anfang der fünfziger Jahre tauchten in Trinidad Parteien moderner Prägung auf, allen voran das People’s National Movement (PNM), das von Angehörigen der schwarzen Bildungselite aus der Mittelschicht gegründet wurde.
Zum Vorsitzenden wurde der Oxford-Absolvent, renommierte Historiker und Afrotrinidadier Eric Williams gewählt, der bis zu seinem Tode 1981 die Entwicklung der Insel nachhaltig prägen sollte. Nach dem Sieg des PNM bei den Wahlen von 1956 erodierte die Macht der weißen Bevölkerungsgruppe zunehmend. Die Schlüsselstellungen von Verwaltung und Justiz wurden nun durch Angehörige der afrotrinidadischen Mittelschicht besetzt. Ein Großteil der Weißen emigrierte, viele andere wechselten in die Privatwirtschaft.
Eric Williams betonte zwar immer den multiethnischen Charakter des PNM, dennoch entwickelte es sich zu einer antikolonialen, sozialdemokratischen Partei der schwarzen Mittelschicht mit proletarischer Massenbasis. Die indische Kultur wurde als ein im Assimilierungsprozeß befindliches, der Kreolisierung unterworfenes Phänomen betrachtet. Kein Wunder, daß ob solcher Politik Bewegung in die bis dato recht passive indische Bevölkerung kam. Ein erster Erfolg wurde bei den Wahlen zum regionalen Parlament der British West Indies Federation erreicht, als eine breite, vor allem von mehreren indotrinidadischen Parteien getragene Allianz das PNM knapp besiegen konnte. Das politische Klima zwischen afrikanisch- und indischstämmigen TrinidadierInnen verschärfte sich abrupt.
Williams beschimpfte die Indischstämmigen offen als feindliche Minderheit Trinidads. „Masters“ hatten die Schwarzen Trinidads schließlich lange genug gehabt. Die gerade erklommene Macht sollte nun auf keinen Fall preisgegeben werden, die Narben aus der Sklaverei waren noch allzu frisch.
Auch in Sachen Unabhängigkeit differierten die Positionen anhand der ethnischen Trennungslinie. Mit dem Austritt Jamaicas sowie Trinidad und Tobagos brach die westindische Föderation auseinander. Beide Länder forcierten nun die nationale Unabhängigkeit von der Kolonialmacht, am 6. August 1962 wurde Jamaica als Staat unabhängig, am 31. August 1962 Trinidad und Tobago. Während hier das PNM als Motor der Unabhängigkeit fungierte, verhielten sich die indotrinidadisch geprägten Parteien reserviert. Zu groß waren die Bedenken gegen ein unabhängiges Trinidad unter Führung des PNM, hatten die Afrikanischstämmigen sich doch schon Verwaltung, Militär und Polizei unter den Nagel gerissen. Nach der Unabhängigkeit profitierte das PNM bis zum Tode von Eric Williams 1981 in starkem Maße von der explosionsartigen Entwicklung der Ölpreise. So hatten sich 1980 die Devisenerlöse aus dem Ölexport gegenüber 1970 verzehnfacht, womit sich eine massive Erweiterung des Patronagesystems finanzieren ließ. Der Nachfolger von Williams, George Chambers, hatte mit der Ölpreisentwicklung weniger Glück. Bereits in seinem ersten Amtsjahr mußte er 1982 verkünden: „The Fête is over“. Bis 1986 fiel der Barrelpreis von 34 auf 13,14 US-Dollar. Eine schwere Finanz- und Wirtschaftskrise folgte. Kein Wunder, daß auch für das PNM die „Fête“ vorerst zu Ende ging. Sie unterlag bei den Wahlen 1986 dem ethnisch und ideologisch disparaten Parteienbündnis der National Alliance for Reconstruction (NAR), die Dominanz des PNM auf nationaler Ebene war erstmals durchbrochen.
Neuer Ministerpräsident wurde der schwarze Arthur Napoleon Jonathan Robinson, obwohl schon damals die indotrinidadische United Labor Front (ULF) um Basdeo Panday die meisten Stimmen zum Wahlsieg beigetragen hatte. Aber die Zeit schien damals noch nicht reif für einen indischen Minsterpräsidenten. Seit zwei Jahren ist ein indischstämmiger Regierungschef in Trinidad und Tobago nun Realität. Die afrotrinidadische Dominanz ist angeknackst, aber nicht gebrochen. Der Kampf um die Hegemonie geht weiter, verläuft aber bei allen Spannungen in gewaltfreien Bahnen, zumindest eine bemerkenswerte Tatsache.
Ein ausführlicher Artikel über Trinidad und Tobago vom selben Autor erschien kürzlich in: Lateinamerika. Analysen und Berichte 21, Land und Freiheit, Horlemann Verlag 1997.