Mit dem Freundbild war es nichts
Kaum jemand hat vor zwei Jahren nach der Wahl Bill Clintons zum Präsidenten der USA vorauszusagen gewagt, daß er in so vielen Punkten seiner Politik erfolgreich sein würde. Die USA haben in diesen beiden Jahren ein Wirtschaftswachstum gehabt, um die sie alle anderen Industrienationen beneidet haben. Dabei ist die Inflation gesunken, die Zahl der Arbeitslosen ziemlich rapide zurückgegangen. Vor allem konnte Clinton durch eine Haushaltsführung des rigorosen Sparens das unter seinen Vorgängern Bush und Reagan gewaltig angestiegene Defizit erheblich reduzieren, und das, obwohl nur die reichsten 1,2 Prozent der Bevölkerung höhere Steuern zahlen mußten. Der ständigen Aufrüstung nach innen und nach außen wurde die Spitze abgebrochen; stattdessen wurde der Akzent auf nationale Schulreform und Studienförderung gelegt.
Erfolge über Erfolge
Selbst wenn die von Hillary Clinton koordinierten Bemühungen um die geplante Gesundheitsreform nicht richtig vom Fleck gekommen sind, gibt es in der jüngeren Geschichte der USA kaum einen Präsidenten, der mit seinen gesetzgeberischen Bemühungen gegenüber einem zwar demokratisch beherrschten, aber doch widerspenstigen Kongreß so erfolgreich gewesen ist. Haushaltsreform, Steuerreform, Verwaltungsreform, Verbrechensbekämpfungsgesetz, Ratifizierung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens und manches wichtige Gesetz mehr hat er mit äußerster Mühe und viel Hängen und Würgen eben doch durchgekriegt.
Und wer hätte schon vor zwei Jahren erwartet, daß schwerbewaffnete und schwerbepackte US-Marine-Infanteristen auf einer vom Imperialismus schwer geplagten Karibik-Insel wie Haiti von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung umjubelt werden, weil sie – auch noch ohne Invasion und den üblichen Blutzoll – einen Präsidenten ins Land und in sein Amt zurückbringen, der vorher von der CIA nach allen Kräften als gefährlicher Feind der USA diffamiert worden war? Wer hätte noch vor wenigen Jahren prophezeien wollen, daß sich im Weißen Haus Aristide und Nelson Mandela und Yassir Arafat und mancher andere aus der Reihe der Weltrevolutionäre praktisch die Klinke in die Hand geben, sodaß am Ende nur noch Fidel Castro fehlt? Wer hätte dem jungen Präsidenten zugetraut, daß er die Verhandlungen über einen GATT-Kompromiß über die Runden kriegt, sich aus Somalia ohne schweren Gesichtsverlust zurückziehen kann, mit Nordkorea und Kuba Regelungen findet, die einen Zusammenstoß vermeiden, als Friedensgarant zwischen Israel, Palästina, Jordanien, Syrien und sogar dem Irak auftreten kann?
Früher galt in den USA, daß nichts so erfolgreich ist wie der Erfolg. Danach müßten Clintons Gefolgsleute die Wahlen 1994 haushoch gewonnen haben. Tatsächlich ist das Gegenteil eingetreten. Der Republikanischen Partei ist es gelungen, wahrheitswidrig den Zustand der Wirtschaft als fortwährende Rezession darzustellen, die der unerfahrene Präsident als unermüdlicher Steuereintreiber und Verschwender auch noch tatkräftig fördere. Und die Massen glaubten das. Kleine Affairen, über die man bei Ronald Reagan die Achseln gezuckt hätte und die sich neben dem systematischen Betrug durch den Bankrott der Sparkassen unter Reagan oder dem Iran-Contra-Skandal von Reagan-Bush wie ein Mäusefurz ausnehmen müßten, wurden gewaltig aufgebauscht und nahmen die Regierung ziemlich in Anspruch.
Das müde Wahlvolk und die wache Grand Old Party
Erstaunlich ist nicht, daß die Kandidatinnen und Kandidaten der Republikanischen Partei in dem schmutzigsten und ekligsten Wahlkampf, an den man sich erinnert und in dem das Versprechen möglichst häufiger Vollstreckung der Todesstrafe zu den stärksten Argumenten zählte, so oft die relative Mehrheit der Stimmen erhalten haben. Erstaunlich ist vielmehr, daß die große Masse der Leute, zu deren Gunsten die geplanten und durchgeführten Reformen sich auswirken sollten und auswirken werden, den Präsidenten in keiner Weise unterstützt hat, sondern sich dem Ressentiment gegen Politik im allgemeinen und gegen Kongreß und Regierung im besonderen voll hingegeben hat und entweder gar nicht oder bewußt gegen Clinton wählte.
Die Grand Old Party (Republikaner) bringt es fertig, den Massen die Zeiten ihrer Präsidenten Reagan und Bush, in denen die Steuern der Reichen gesenkt wurden und wahnsinnige Rüstungsprojekte aus immer höheren Schulden finanziert wurden, als Glanzzeiten des Imperiums zu verkaufen, in denen die Marine-Infanteristen der Welt noch – wie in Grenada oder Panama oder im Golfkrieg – klarmachten, wo der Feind steht.
Und alle sozialen Bewegungen sehen zu, nicht einmal voller Mitleid, eher hämisch. Von einer machtvollen Umweltbewegung, die den Vizepräsidenten Al Gore stützt, ist kaum etwas zu spüren. Die Frauenbewegung ist in der Abtreibungsfrage in der Defensive und identifiziert sich möglichst nicht zu sehr mit Hillary Clinton. Die Friedensbewegung scheint sich überhaupt aufgelöst zu haben. Und die internationale Solidaritätsbewegung ist ganz damit beschäftigt, nachzuweisen, daß es sich in Haiti doch um eine Invasion mit imperialistischen Hintergedanken handelt.
Erst wenn die führenden republikanischen Senatoren die Schlüsselstellungen im Kongreß besetzt haben und die Innen- und Außenpolitik maßgeblich mitbestimmen, wird das alte Feindbild wieder stimmen. Lateinamerika kann dabei nur verlieren: Ein neuer Aufrüstungs- und Verschuldungsschub würde das internationale Zinsniveau wieder kräftig anheben und die zeitweilig fast vergessene Verschuldungskrise der lateinamerikanischen Länder neu ankurbeln. Die in Kalifornien in einer Volksabstimmung angenommene sogenannte Proposition 187 zeigt, wohin die Reise im Verhältnis zu den Latinos geht, die – großenteils illegal – in den USA leben: Sie sollen benachteiligt, ausgegrenzt und vertrieben werden.
Mit Jesse Helms wird jetzt der reaktionärste Mann, den es überhaupt in den letzten 20 Jahren im Kongreß gegeben hat, zum einflußreichsten Außenpolitiker des Senats werden. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß nach seiner Meinung anständige US-amerikanische Soldaten Leute wie Allende oder Castro oder Aristide zum Teufel jagen sollten. Mittelamerika und die Karibik sollen wieder wie der Hinterhof der USA behandelt werden. Mit Leuten wie Jesse Helms wird Clinton in Zukunft gelegentlich einen Deal machen müssen, um andere Projekte durchsetzen zu können. Dann wird er endlich entlarvt sein, werden manche denken. God bless Latin America!