Nummer 346 - April 2003 | Ökologie

Profite und Piraterie

Die Machenschaften des Saatgut-Konzerns Monsanto

2001 registrierten Forscher aus Berkeley eine weiträumige Kontamination der traditionellen Maissorten in Mexiko mit gentechnisch veränderten Konstrukten. Nun liegen die Anträge für einen kommerziellen Anbau transgener Pflanzen in Europa auf dem Tisch. Wobei sich eine Firma im Geflecht der Verbreitung von Gen-Pflanzen hervorhebt: Für neunzig Prozent der weltweit ausgebrachten transgenen Pflanzen ist die US-Firma Monsanto verantwortlich. Zeit über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen und sich etwas näher mit den Strategien und Zielen des Konzerns zu beschäftigen.

Martin Sundermann

Mit Bedacht hatte sich Mexiko 1998 für ein Verbot von Gen-Mais ausgesprochen. Mexiko ist das Ursprungsgebiet mit der größten biologischen Vielfalt an wildem und domestizierten Mais, sein Gen-Zentrum. Dennoch wiesen die Forscher David Quist und Ignacio Chapela von der Universität Berkeley im November 2001 die Auskreuzung von Gen-Mais mit einheimischen traditionellen Sorten in Oaxaca nach. Lange sträubte sich die Pharma-Industrie diese Möglichkeit einer Übertragung der veränderten Genstruktur per Pollenflug und Insektentransport überhaupt anzuerkennen. Nicht nur die Forschungsergebnisse wurden in der Folgezeit wissenschaftlich kritisiert, sondern auch die Forscher selbst persönlich attackiert. Dass die Verunreinigung noch dramatischer ist als ursprünglich berichtet, musste Jorge Soberón von der mexikanischen Kommission für Biodiversität wenige Monate nach der Veröffentlichung bekannt geben: „Dies ist der weltweit schlimmste Fall durch genetisch verändertes Material, da es in der Herkunftsregion eines Hauptnahrungsmittels passierte.“
Im Vergleich zu dem 1999 am schottischen Rowett Institut forschenden Arpad Pusztai, wurden die Wissenschaftler jedoch milde behandelt. Als eine der wenigen Langzeituntersuchungen führte er Fütterungsversuche mit insektenresistenten Kartoffen bei Ratten durch. Nach der für die Zulassung notwendigen Dauer von maximal drei Monaten hatte er keinerlei Auswirkungen entdeckt; erst nach einer Zeit von sechs Monaten waren deutliche Beeinträchtigungen auf das Immunsystem und Wucherungen an inneren Organen erkennbar. Er würde diese Kartoffeln nicht essen, beschrieb er seine Auffassung gegenüber den Medien. Die folgende wissenschaftliche Diskreditierung und persönliche Diffamierung glich einer Treibjagd, von der Suspendierung an der Universität (mit dem Verbot über seine dortige Tätigkeit zu sprechen), bis hin zur Entlassung als Chairman einer Kommission auf europäischer Ebene während der Experten-Sitzung. Dabei war Pusztai ursprünglich gegenüber der gentechnischen Anwendung in Lebensmitteln positiv eingestellt. Die Schlussfolgerungen des Wissenschaftlers über die Risikoabschätzung fielen jedoch drastisch aus: „Ich fühlte mich besorgt darüber, dass wir wie Versuchskaninchen in einem verpfuschten Experiment benutzt werden. Es gibt keine Kontrollen.“ Vertreter der Firma Monsanto begrüßten die Suspendierung: „Wir sind erfreut, dass diese Art von Falschinformationen im Namen der Wissenschaft unterbunden wird.“ Monsanto begann kurz vor der Veröffentlichung des Pusztai-Reports, das Rowett Institut finanziell zu unterstützen.
Eiligst bemühten sich deshalb die Wissenschaftler eines belgischen Forscherteams um Marc DeLooose zu betonen, dass sie ihre Ergebnisse nicht interpretieren wollten: Sie hatten 2001 herausgefunden, dass die meistverbreitete transgene Pflanze, Monsantos Roundup Ready Sojabohne, nicht der in den Anmeldungspapieren genannten genetischen Form entspricht. 534 Basenpaare, die zur Produktion eines mittelgroßen Proteins ausreichen, waren voraussichtlich durch eine Umstrukturierung in der DNA-Kette hinzugekommen.
Innerhalb eines Jahres nach der Einführung von Gen-Food stieg die Zahl an Unverträglichkeiten bei Soja stark an. Über eine Korrelation solcher Zusammenhänge macht sich die Industrie scheinbar keine Gedanken. So betonte Phil Angell, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei Monsanto USA: „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Verträglichkeit genetisch veränderter Lebensmittel zu gewährleisten. Unser Interesse ist, möglichst viel davon zu verkaufen. Die Überprüfung der Verträglichkeit ist Sache des Ernährungsministeriums.“
Die Schräglage der Berichterstattung in den Printmedien machte die Nichtregierungs-Organisation Food First zum Gegenstand der Debatte in Amerika: Bei vier Artikeln, die sich deutlich für gentechnisch veränderte Lebensmittel aussprachen, wurde im Verhältnis nur ein Artikel mit kritischen Positionen veröffentlicht. Die unverkennbare Befangenheit der krisengeschüttelten Zeitungen könnte nicht zuletzt aus der Tatsache resultieren, dass die Verleger um die Schaltung von Anzeigen durch die finanziell potente Industrie bangen.
KritikerInnen hingegen sind einfach nur “schlecht informiert”, wissenschaftliche Studien, die unabhängig finanziert sind und nicht das erhoffte Ergebnis liefern sind “schlechte Wissenschaft”.

Gescheiterte Image-Politur Monsantos

Monsanto ist der zweitgrößte Saatgutproduzent der Welt und weltweit führend im Bereich der Herstellung von Herbiziden. Als ständig wachsender Haifisch undweltweit größter Freisetzer von genmanipulierten Pflanzen macht sich der Konzern nicht nur Freunde. Sogar innerhalb der Belegschaft soll der Konzern umgetauft worden sein in “Monsatan”. Auch die eigene Catering-Agentur verbannte Gen-Food aus den Töpfen. So wurde das Konzept einer Runderneuerung des Image erdacht: Mit den Slogan “Food – Health – Hope” wollte man mit einer neuen Philosophie aus dem Blickfeld der Kritik treten.
Auch nach groß angelegten Werbekampagnen konnte allerdings das schlechte Bild des Konzerns nicht verbessert werden. Im Gegenteil: in Großbritannien stieg daraufhin die Ablehnung von Genfood in der der Anteil Bevölkerung an.
Monsant nimmt auch Einfluss auf die Politik. Der Konzern war einer der größten Sponsoren des Wahlkampfs von Bill Clinton. Tatsächlich erscheint die Politik der bereitwilligste Unterstützer solcher Unternehmen zu sein. In den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, möchte sich Monsanto sogar die Gesetze gleich selber schreiben: Die ehemalige Mitarbeiterin Linda Fischer sitzt inzwischen in der Chefetage des Umweltministeriums (EPA). Ein durchaus Erfolg versprechender Weg, wie die Vergangenheit zeigte, um dem Ziel unbegrenzter Handlungsfreiheit, im Hausjargon “free to operate” genannt, näher zu kommen. Mit dem Agrarministerium (USDA) besteht ein Lizenzabkommen über die Nutzung der viel kritisierten “Terminator-Technologie”. Sie verhindert durch eine Sterilisierung des Saatgutes das Wiederausbringen einbehaltener Ernteanteile im folgenden Jahr, die Basis jeglicher Subsistenzwirtschaft in den Entwicklungsländern.
Die Selbstverpflichtungen des Konzerns in dem “neuen Versprechen” (The New Pledge) zu Dialog, Transparenz, Respekt, Teilhabe und Wohltätigkeit sind damit nur schwerlich in Einklang zu bringen. Gleichsam wurde von KritikerInnen in Anlehnung an das “Neue Versprechen” der Wahlspruch umbenannt in “Fraud – Stealth – Hype’ (Betrug – List – Pubilicity) und ‘Famine – Plague – Despair” (Hunger – Seuchen – Verzweiflung).
Die konkreten Aussagen, an denen sich der Konzern messen lassen muss, sind die Versprechen zur Bekämpfung des Hungers in der Welt und zur Reduktion des Einsatzes von Pestiziden. Dass insbesondere das Hungerproblem in den Entwicklungsländern durch eine kapitalintensive Technologie gelöst werden kann, muss bezweifelt werden. Vielmehr erwartet die Menschen auf diesem Weg die Schuldenfalle. Der Effekt von Monokulturen auf die biologische Vielfalt ist hinreichend bekannt.
Eine auf mehrjährigen Universitätsdaten in den USA gestützte Studie ergab zudem eine Zunahme des Einsatzes von Unkrautvernichtungsmitteln. Aus der ansteigenden Resistenzbildung ergeben sich weitere Probleme.

Ziel: Kontrolle über die gesamte Lebensmittelkette

„Jahrzehntelang haben uns die Firmen einzureden versucht, dass ihre Pestizide gar nicht so schlimm seien“, erklärte Jane Rissler, Agrarexpertin der Forscherorganisation “Union of Concerned Scientists”. „Jetzt teilen uns dieselben Firmen mit, die Pestizide seien eben doch derart gefährlich, dass wir Genpflanzen brauchen, die einen geringen Pestizideinsatz ermöglichen – halten die uns eigentlich für blöde?“
Die Widersprüche, die das “neue Versprechen” von Monsanto so unglaubwürdig macht, sind damit noch nicht beendet: Warum beantragt ein Konzern Patente auf Gene, die in Zusammenhang mit hohen Erträgen gesehen werden? Mit dem Patentantrag WO/0018963 versucht Monsanto ganze Pflanzenfamilien zu beherrschen. Da die Sojabohne mit mehr als neunzig Prozent aller vorkommenden Varianten in China wächst, ist dies ein klassischer Fall von “Biopiraterie”. Als solches wird der patentrechtlich geschützte Diebstahl genetischer Ressourcen bezeichnet. Professor Dayuan Xue, leitender Mitarbeiter am Institut SEPA in Nanjing konstatierte: „Wie kann ein Privatunternehmen etwas erfunden haben, das es in der Natur bereits gibt? Dieses Monsanto-Patent macht deutlich, wie viel den Biotech-Unternehmen aus den Industrieländern daran liegt, die genetischen Ressourcen der Entwicklungsländer, die über eine große Artenvielfalt verfügen, ausbeuten und kontrollieren zu können. Diese Art von genetischem Kolonialismus dürfen wir nicht zulassen.“
Trauriger Beleg dafür, dass Hunger nicht in Abhängigkeit zur Produktion von Lebensmitteln steht, ist die Krise in Argentinien, einem der größten Agrarexporteure. Die Lobbyarbeit der einflussreichen Gen-Industrie konzentiert sich zurzeit neben Europa vor allem auf Brasilien. Monsanto begannen kaufte 1996 Monsoy, einen der größten Saatgut-Zulieferer Brasiliens, und 1997 Sementes Agroceres, des größten Saatguthändler Brasiliens mit einem Marktanteil von dreißig Prozent. Brasilien ist der zweitgrößte Sojamarkt der Welt. Im Bereich des Mais-Saatgutmarktes ist Monsanto in Brasilien bereits führend, beim Verkauf von Sojabohnen zweitplatziert hinter Embrapa, Brasiliens staatlicher Landwirtschaftsorganisation. Eine neue Produktionsanlage zur Herstellung von Glyphosat wurde im Dezember 2001 in Camacari im Bundesstaat Bahia eröffnet.
Doch derzeit gelten noch die Restriktionen aus dem Jahr 1999: Ein Gericht untersagte den Handel mit fünf Monsantoprodukten, die zuvor von der Kommission für Biosicherheit (CNTBio) genehmigt worden waren. Seither dürfen nur konventionelle Kulturen von Soja und Mais angebaut werden. 2001 mussten auch alle experimentellen Genmais-Plantagen vernichtet werden.
Noch im Wahlkampf war auch vom inzwischen gewählten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva eine deutliche Absage an eine zukünftige Freisetzung von Gen-Pflanzen zu vernehmen. Doch man lässt nicht locker. Mitte März trafen sich Vertreter von 24 Landwirtschaftsverbänden um ein Schreiben an den Präsidenten, an Richter und Gesetzgeber zu verfassen, worin eine Befürwortung des Anbaus von Gen-Pflanzen gefordert wird.
Sollte sich Brasilien erneut wieder der Vermarktung von gentechnisch veränderten Pflanzen öffnen, verliert es die Möglichkeit den europäischen und auch den chinesischen Markt zu beliefern. Während die USA und Argentinien zwischen 1996 und 2001 deutliche Exportverluste hinnehmen mussten, wuchsen die Exporte Brasiliens nach Europa von 3,1 Millionen auf 9,7 Millionen Tonnen an. Fällt jedoch Europa als gentechnikfreie Bastion, könnte das auch Auswirkungen auf die brasilianische Haltung haben. Vor allem die BSE-Krise führte dazu, dass sich Europa für genmanipulierte Pflanzen verschloss. Doch die Erinnerung an BSE verblasst langsam.
Der leitende Monsanto-Mitarbeiter Robert Fraley erklärte: „Es ist nicht nur eine Vereinigung von Saatgutfirmen, es ist in Wirklichkeit eine Vereinigung der gesamten Lebensmittelkette.Seit Wasser so zentral für die Lebensmittelproduktion wie das Saatgut ist, versucht Monsanto jetzt seine Kontrolle über das Wasser zu etablieren.“ In Indien und Mexiko wolle man das neue Wassergeschäft beginnen, “ da diese beiden Staaten von Wasserknappheit bedroht sind.”
Doch dem Hai geht es zurzeit nicht gut. Der Präsident Hendrik Verfaillie musste Ende letzten Jahres zurücktreten, da der Konzern in den ersten neun Monaten fast zwei Milliarden US-Dollar Verlust eingefahren hatte. Einen Grund der Misere sieht Börsenexperte Dan Quinn im wachsenden Widerstand der Zivilgesellschaft. Allerdings bleibt das demokratische Prinzip in Gefahr, wenn trotz einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, die Gen-Pflanzen ablehnen, der kommerzielle Anbau genehmigt werden sollte. Die Unmöglichkeit der aktuell diskutierten Koexistenz mit Gen-Pflanzen zeigt das Beispiel Mexiko.

KASTEN:
Monsantos berüchtigte Giftküche

Das von Monsanto erfundene PCB (polychloriertes Biphenyl) steht seit den 30er Jahren im Verdacht schwere gesundheitliche Schäden hervorzurufen. 1976 wurde es verboten. Seit den 40er Jahren produziert Monsanto Dioxin, das als Seveso-Gift bekannt geworden ist. Das Entlaubungsmittel Agent Organe erlangte traurige Berühmtheit durch den massiven Einsatz im Vietnam-Krieg. Noch heute leidet die einheimische Bevölkerung, aber auch US-Veteranen an den Wirkungen des Giftes. Parathion ist ein chemisches Gift, welches das zentrale Nervensystem angreift und wurde als einer der Hauptverursacher von Pestizidvergiftungen genannt. Es gelangte zum Beispiel.1999 in die Nahrungskette Perus und ist verantwortlich für die Vergiftung von 24 Kindern.
Das gentechnisch veränderte Rinderwachstumshormon (rBGH oder BST) soll durch Injektion eine weitere Steigerung der Milcherträge bewirken. Der Beipackzettel gleicht einem “Klinischen Wörterbuch”. Farmer ihre Milch mit “hormonfrei” kennzeichneten, wurden verklagt.
Das aktuelle “Wundermittel”’ des Konzerns ist das Totalherbizid Roundup Ready mit dem aktiven Gift Glyphosat. Es wurde von skandinavischen Forscher in Zusammenhang gebracht mit der Entstehung von Lymphkrebs. Zurzeit wird es im Kampf gegen den Koka-Anbau flächendeckend über Kolumbien versprüht. In den vergangenen Jahren kaufte Monsanto Firmen auf dem Saatgutmarkt für mehr als acht Milliarden US-Dollar.

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