Guatemala | Nummer 276 - Juni 1997

Quo vadis?

Die Linke in Guatemala nach dem Friedensschluß

Der FMLN im benachbarten El Salvador ist mit den letzten Wahlen gelungen, was der “Partei der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas” in spe, dem neuen Projekt der Ex-Guerilla URNG, vorschwebt: die nach 36 Jahren Kampf errungenen Konzepte von “Demokratie” und “Partizipation” mit eigenem Leben zu füllen. Der folgende Beitrag befaßt sich mit dem schwierigen Übergang vom revolutionären be­waffneten Projekt zur linken politischen Kraft, die nun – will sie im Spektrum der guatemaltekischen Linken ein umfassendes nationales Politikkonzept entwickeln- auf Bündnisse und Breitenwirkung angewiesen ist.

Claudia Koch

Tiefe Seufzer und gequälte Augenaufschläge waren die wie­derholte Reaktion auf meine Frage an verschiedene namhafte “Lin­ke”, wer heute “die Linke” in Guatemala und welche ihre Per­spektive sei. Das gemeinsame La­mento der URNG-Angehöri­gen, der “DissidentInnen” und der schon immer Unabhängigen ist, daß “die Linke” mit Aus­nah­me derjenigen, die sich unter dem Dach der Ex-Guerilla URNG wiederfinden, auf viele Klein­gruppen verteilt bzw. nicht organisiert ist. Auch fehle ihr eine gemeinsame Position oder gar Strategie angesichts der neo­liberalen Durchmarschpläne, mit denen die Regierung in die Nachkriegszeit zieht.
Aber Kla­gen beiseite, es gibt sie, die Linke. So gehört es zur neuen Konjunktur nach den Frie­dens­abkommen, daß in Zei­tungs­ko­lumnen, in neugegründeten Zeit­schriften und gutbesuchten Po­di­umsdiskussionen über eben die­se Fragen debattiert wird. Zwi­schen zurückgekehrten URNG-Kadern, schon länger heim­gekehrten Dis­sidentInnen, jun­gen AktivistIn­nen und denen, die irgendwie die Repres­sions­jah­re im Land über­standen ha­ben, hat ein Prozeß der Be­geg­nung, des Kennenler­nens und Wie­dererkennens be­gon­nen, der ne­ben den öffentli­chen Schau­plä­tzen in vielen pri­vaten Zu­sammenhängen stattfin­det.
Die gegenseitige Vermittlung von zehn, fünfzehn, zwanzig Jah­ren unterschiedlicher Erfah­run­gen, das Anhören anderer Wertungen über vermeintliche Erfolge oder Niederlagen wäh­rend der Kriegsjahre und die gemeinsame Trauer um verlo­rene FreundInnen und Angehö­rige brauchen ihre Zeit. Nicht immer enden sie harmonisch. Auch die Zersplittertheit der Linken am Rande der URNG selbst ist ein Produkt des 36jährigen bewaffneten Kon­flikts. Des­sen Logik erstickte, so­zu­sagen bis vorgestern, jeden Versuch einer linken Formierung au­ßerhalb der URNG: Entspre­chend der allumfassenden Dok­trin des Aufstandsbekämpfungs-Staats verfolgten und vernichte­ten die repressiven Regimes alle An­sätze von Opposition.
Die URNG ihrerseits ak­zep­tier­te in­folge ihrer militärisch-po­liti­schen Macht­er­grei­fungs-Stra­te­gie keine Gruppie­rung, die au­ßerhalb oder innerhalb der ei­ge­nen Reihen ihren Avantgarde-An­spruch in Frage stellte. Im Lau­fe ihrer 15jährigen Existenz hat sie dies auf allen Ebenen vie­le Kader gekostet.

Vom Primat des Militärischen

“Die Praxis der URNG cha­rak­terisierte sich durch drei Ele­men­te: das Primat des Mi­li­tä­r­i­schen über die Poli­tik, die Aus­wei­tung der konspi­rativen Me­tho­den auf politische Ebenen, und die Notwendigkeit, andere po­litische Kräfte und so­ziale Or­ga­ni­sationen zu lenken und zu kon­trollieren. Der Blick durch die militärische Brille po­la­ri­sier­te die Sicht auf soziale und po­li­ti­sche Aspekte. Die ei­gene Kampf­form wurde verab­so­lu­tiert, und wer mit der Fort­füh­rung des bewaffneten Kam­pfes nicht einverstanden war, endete da­mit, als Gegner be­trachtet zu wer­den. (…) Abge­se­hen davon, daß diese einge­schränkte und sek­tiererische Sichtweise zur Auf­splitterung der Linken bei­ge­tra­gen hat, mach­te sie die realen Ver­bünde­ten sozusagen un­sicht­bar”, resü­miert Megan Thomas in einem Dis­kussionsbeitrag über die Zu­kunft der Linken in der neu­en Zeitschrift Aportes.
All die “Ehe­maligen”, so ihre Schluß­folgerung, stellen jedoch ne­ben den vielen, die in URNG-un­ab­hängigen Strukturen in der ei­nen oder anderen Weise für so­zi­ale Veränderungen, Ent­mili­ta­ri­sie­rung und reelle De­mo­kra­ti­sie­rung gearbeitet haben, ein gro­ßes Potential dar. Mit grö­ße­rem Bündnisgeschick und -wil­len als bisher könnte dies in ei­nem neuen linken Projekt zu­sam­men­gebracht werden: “Not­wen­dig ist eine wirkliche De­mo­kra­ti­sie­rung der politischen Praktiken der Linken. Unser Diskurs über De­mokratie, Respektierung der Viel­falt und Verschiedenheit ver­liert angesichts von Prakti­ken, die dem tagtäglich wider­spre­chen, an Glaubwürdigkeit.”

Die URNG konstituiert sich als Partei

Ohne Zweifel ist die URNG wei­terhin die bedeutendste Kraft im Lager der guatemaltekischen Linken. Ihre Mitgliedsorganisa­tionen haben sich in den ersten drei Monaten des Jahres sukzes­sive aufgelöst und damit den Pro­zeß des Parteiaufbaus einge­lei­tet. Über die zukünftige Partei ist bisher wenig Konkretes durch­gedrungen. Auf einer De­legierten-Vollversammlung in El Sal­vador im März wurde – Ver­laut­barungen zufolge ohne Pro­porz­rücksichten auf die Stärke der einzelnen URNG-Mitglieds­or­ganisationen – ein 15 köpfiger “Pro­visorischer Nationalrat” ge­wählt, dem die bisherige Gene­ral­kommandantur der URNG vor­steht.
Ein Parteiprogramm und die Sta­tuten werden zur Zeit aus­ge­ar­beitet und sind somit bis­lang nicht veröffentlicht. Be­kannt ist aber, daß es eine offene Massen­partei werden soll, wenn­gleich sich die Struktur zunächst na­tür­lich auf die bisherigen Kämpfer­Innen der URNG stüt­zen wird. Über Allianzen – so Miguel An­gel Sandoval, ehema­liges Mit­glied der Politisch-Di­plo­ma­ti­schen Kommission der URNG und weiterhin Kader der URNG – wer­de man sprechen können, wenn es Gruppen neben der URNG gibt, mit denen Bünd­nis­se möglich sind. Bisher sehe er nur einen verstreuten Haufen klei­ner Grüppchen. Eine Aus­nah­me bilde die Partei der De­mo­kratischen Front Neues Gu­a­te­mala FDNG (Frente De­mo­crá­ti­co Nueva Guatemala), mit der ein strategisches Bündnis ge­sucht werde.

Klarheit tut not

Schwer behindert wird der Weg zur offiziellen Parteikon­stituierung dadurch, daß Rodrigo Asturias, Ex-Kommandant Gas­par Ilom der ORPA (der URNG-Teilorganisation Organi­zación Re­volucionaria del Pue­blo en Ar­mas, Revolutionäre Or­ga­ni­sa­tion des bewaffneten Vol­kes) und Mitglied des Provisori­schen Na­tionalrats, bislang nicht nach Guatemala zurückgekehrt ist. Grund dafür ist die Entfüh­rungs-Affaire vom Oktober ver­gan­genen Jahres, die weiterhin un­an­genehme Wellen schlägt.
Zur Erinnerung: Im Laufe des ver­gangenen Jahres entführte ein nach ORPA-Lesart autonom agie­rendes Kommando von ORPA-Mitgliedern die Industri­el­len-Greisin Olga de Novella. Die Aktion endete mit der Fest­nahme des Kommando-Verant­wortlichen Rafael Baldizón alias Comandante Isaías, der nach dis­kreten Verhandlungen auf höch­ster Regierungs- und URNG-Ebe­ne im Austausch ge­gen die Ent­führte freigelassen wur­de. Als die Ultrarechte die ganze Ge­schichte ans Tageslicht zerrte, kam es zum Abbruch der Frie­dens­verhandlungen, bis Ro­dri­go Astu­rias mit seinem Rück­zug vom Verhandlungstisch die Fort­set­zung ermöglichte.

Stillschweigen über ein unschönes Detail

Inzwischen wurden der Presse Informationen zugespielt, daß sei­nerzeit nicht nur Comandante Isaías festgenommen wurde, sondern noch ein weiteres URNG-Mitglied, Juan José Ca­brera Rodas alias Mincho. Min­cho wurde offenbar nach der Festnahme zu Tode gefoltert, und offensichtlich war es Teil der diskreten Austauschvereinba­rung zwischen Regierung und URNG, über dieses häßliche Detail Stillschweigen zu wahren. Als nun in den Zeitungen die er­sten Fragen über den Verbleib von Mincho gestellt wurden, lie­ßen sich Regierung und URNG/ ORPA zu bizarren und teilweise makabren Erklärungen hinrei­ßen, in denen sie die Exi­stenz dieser Person negierten. Ange­sichts der Ergebnisse erster Nachforschungen, die die UNO-Mission für Guatemala MINU­GUA auf Antrag von Familien­angehörigen durchführte, sind solche Äußerungen jedoch nicht länger möglich. Erklärungen beider Seiten stehen aus.
Die politische Bedeutung die­ses Vorfalls ist vielschichtig. Ein­deutig werden die Informa­tionen, wie schon zu Beginn des Entführungsskandals, gemäß dem Zeitplan und Kalkül der Hardliner-Fraktion aus den Rei­hen der Armee und der ultra­rech­ten Oppositionspartei FRG (Fren­te Republicano Guatemal­te­co) gestreut. Sie sind scharfe Muni­tion, gegen den Präsidenten und sein Kabi­nett, im anhalten­den Macht­kampf in­nerhalb der Ar­mee und zur Diskreditierung der URNG. An dieser Stelle will ich mich auf die Konsequenzen für die URNG beschränken.

Politischer Schaden für die URNG

Ro­dri­go Asturias, der URNG-Kom­man­dant mit dem stärksten Cha­risma und der meisten Poli­tik­erfah­rung, galt als sicherer Prä­sident­schaftskandidat und po­li­tische Leitfigur der künftigen Par­tei. Der Entführungsfall in all seinen Facetten ist daher für die Rechte auch innerhalb der regie­ren­den “Partei des Nationalen Fort­schritts” (PAN) ein reichhal­tiges Arsenal, um ihn als politi­sche Figur völlig in Verruf zu brin­gen. Gleichzeitig hat dieser Fall eine zersetzende Wirkung in den Reihen der URNG und der ehe­maligen ORPA selbst: Die an­de­ren URNG-Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tionen werden es irgendwann mü­de sein, die eklatanten politi­schen Fehler der ORPA mitzu­be­zah­len. Und auch unter den ORPA-Mitgliedern ist Unmut zu hö­ren über die Linie der Füh­rung, die nicht nur Co­mandante Isa­ías verleugnete, sondern of­fen­sichtlich auch dem zu­stimm­te, daß die Folter und Er­mordung ei­nes ihrer Kamera­den ungestraft bleibt. All diese un­schönen De­tails erfahren einfa­che URNG-Mit­glieder wie an­dere auch aus der Tagespresse. Das hat nicht ge­rade einigende Wirkung.
Auch die Demobilisierung der Ex-KämpferInnen, die inzwi­schen abgeschlossen wurde, birgt Un­sicherheitsfaktoren für den künf­tigen Zusammenhalt der URNG. Für viele GenossInnen wa­ren deren konkrete Umstände ein bitteres Erwachen. Beim Ver­lassen der Demobilisie­rungs­la­ger erhielten sie drei Mo­nats-Schecks in Höhe von insge­samt 3.780 Quetzales (rund 635 US-Dol­lar) als dreimonatiges “Aus­bil­dungs-Stipendium”, dazu je 30 Quetzales (5 US-Dollar), für die Busfahrt vom Ende des Sam­mel­transports zum An­kunftsort. Über Inhalt, Ort und Kon­di­tio­nen der Fortbildungs­kurse konn­te mir in drei Lagern kei­neR der “Be­günstigten” Aus­kunft geben. Es gibt lediglich vage Aussichten auf weitere Exi­stenz­grün­dungs­hil­fen, ungefähr in Höhe des ge­nann­ten Stipendi­ums. Über die Fru­stration und Zukunftsangst in den Reihen der Demobilisierten kann sich ange­sichts dieser Um­stän­de jedeR eine eigene Vor­stellung machen – noch herrscht al­lerdings eine bewundernswerte Dis­ziplin und Vertrauen in die Füh­rung vor.
Es wäre ein Mißverständnis, die­se Darstellungen als Rundum­schlag gegen die URNG zu in­terpretieren. Ein ebensolches Mißverständnis wäre es, die Ge­neralkommandantur mit der URNG gleichzusetzen, oder das eine auf das andere zu reduzie­ren. Während der ersten drei Monate ihres “öffentlichen Le­bens” in den Demobilisierungs­lagern wurde deutlich, daß die jeweiligen Guerillaverbände in der Bevölkerung der Umgebung verankert waren und große Achtung genießen. Ebenfalls traten die zahlreichen Kader auf mittlerer Ebene ans Licht der Öf­fentlichkeit.

Gehversuche als (parla­mentarische) Opposition

Nun werden sie Gelegenheit ha­ben, ihre politi­schen und mensch­lichen Füh­rungs­qua­li­tä­ten im zivilen Rah­men ein­zu­se­t­zen. Die URNG stellt ein großes po­litisches Po­tential dar. Ihre Füh­rung wird hoffentlich in der La­ge sein, den schwierigen Über­gangsprozeß von der klan­de­st­inen, militäri­schen Grup­pie­rung zur offenen, poli­ti­schen Or­ga­nisation zu lei­ten und da­bei Raum für eine neue Führ­ungs­ge­ne­ration und Allianzen zu öf­f­nen.
Ende April, anläßlich der er­sten Bilanz zur Umsetzung der Frie­densabkom­men auf Regie­rungs­seite, gab die URNG ihr De­but als zivile poli­tische Oppo­si­tion. Viel beachtet von links und rechts, kritisierte sie die neo­li­berale Wirtschafts­politik der Re­gierung und präzi­sierte ihre ab­lehnende Haltung gegenüber der Privatisierung grundlegender staat­licher Dienst­leistungen, nach­dem Rodrigo Asturias die Ge­werk­schaften mit einer pri­va­ti­sie­rungsfreundlichen Äu­ße­rung von Mexiko aus ver­ärgert hatte. Die Erfüllung der Frie­dens­ab­kom­men ist derzeit der einzig prä­zise Bezugsrahmen für die Poli­tik der URNG. Nun gilt es ab­zuwarten, wann sie wieder ge­nug Luft ho­len kann. Dann muß sie konkre­tisieren, was sie meint, wenn sie sagt, daß die Ab­kom­men nur eine Mini­mal­ba­sis für die De­mokratisierung von Wirt­schaft und Gesellschaft sind.

URNG und FDNG – eine strategische Allianz

Eine weitere Unbekannte auf dem künftigen Weg der Linken ist die Zukunft der FDNG. In ih­rer Gründungsphase von einem wirk­lich breiten Bündnis linker In­tellektueller, Volksorganisa­tio­nen und KleinunternehmerIn­nen ge­tragen, konstituierte sie sich schließlich drei Monate vor den letz­ten Präsidentschafts- und Kon­greßwahlen im November 1995 als Ausdruck der mit der URNG sympathisierenden Volks­bewegung und konnte über­raschend als drittstärkste Par­tei des Landes mit sechs Ab­ge­ordneten in den Kongreß ein­zie­hen.
Nineth Montenegro, eine der FDNG-Abgeordneten, ge­steht in ei­nem Artikel über die Per­spek­ti­ven der Linken selbst­kritisch ein, daß die FDNG bis­lang kein brei­tes Bündnis, son­dern die Iz­quier­da Popular vertritt. Ihre po­li­ti­sche Zukunft hänge davon ab, Tei­le der ver­streuten linken Inte­llek­tuellen, der Frauen- und Indí­gena­bewe­gung und der Mittel­schicht zu gewinnen. Als Be­din­gungen da­für nennt sie, “das ei­ge­ne Haus in Ordnung zu brin­gen”, und das nächste Na­tio­nal­ko­mi­tee demo­kratisch zu wäh­len. Im gua­te­mal­te­kischen Kon­text heißen diese vor­sich­ti­gen Um­schreibun­gen, daß die Par­tei eine wirkliche Un­ab­hängigkeit von der URNG ge­win­nen muß, mit der im übri­gen eine stra­te­gi­sche Allianz an­ge­strebt wird.

Im Bündnis gegen Machtmonopole

Insgesamt ist zu beobachten, daß sich sowohl die URNG als auch die FDNG stark auf die nächsten Wahlen im Jahre 2000 konzentrieren. Sicher hat der Aufbau glaubwürdiger, demo­kra­tischer Wahloptionen eine nicht zu unterschätzende Be­deutung in einem derart abge­wirtschafteten politischen Sy­stem, in dem für die Einführung minimaler rechtsstaatlicher Prak­ti­ken die Waffen erhoben werden mußten. Er kann aber in die Sackgasse führen, wenn die Parteien nicht gleichzeitig daran arbeiten, zum offenen Sprach­rohr und Katalysator der zer­splitterten sozialen Bewegungen zu werden, ohne diese zu domi­nieren oder zu instrumentalisie­ren. Bündnisse zu schaffen und diesen im wohlverstandenen ei­genen politischen Interesse zu dienen, kann dabei durchaus als historische Bringschuld gesehen werden. Denn ausgehend von politischen Strömungskämpfen, die von URNG-Spaltungen aus­gelöst wurden, hat sich bei­spielsweise die Flüchtlingsbe­völkerung gespalten, in Ver­handlungsunfähigkeit gegenüber der Regierung manövriert, und nun verschleißt sie sich gegen­seitig im Ixcán (Grenzregion zu Me­xiko, in der viele Flüchtlings­rücksiedlungen entstanden sind; Anm. der Red.) zugunsten land­gieriger Öl-Firmen.
Gleiches gilt für die 300 Landbesetzungen von Bauern­or­ga­nisationen verschie­de­ner po­li­ti­scher Ausrichtung, die in allen Lan­des­teilen der Ent­faltung der Bündnisfähigkeit ih­rer Führer harren, damit sie nicht länger ein­zeln zu schlagen sind, sondern gemeinsam der Regie­rung Lösungen abtrotzen kön­nen.
Die Regierung ihrerseits be­setzte in den vergangenen Wo­chen fast unangefochten die Schlüssel­positionen verschiede­ner von den Friedensabkommen vor­gesehener Kommissionen mit ih­ren KandidatInnen: Dem Na­tio­nalen Frauen-Forum wurde ohne vorherige Konsultationen mit Aracelli de Conde eine Frau vor­gesetzt, die ihre Politikerfah­rung im Team des Putschisten Jorge Serrano gesammelt hat. Die Nationale Kommission zur Be­handlung der Agrarprobleme führt Luis Reyes Mayen an, ehe­ma­liger Präsident der Agrar­kammer, des Horts der reaktio­nären Unverbesserlichen. (Vor­läu­fig) ist es also so, wie der Ko­or­dinator der Bauern- und In­dí­gena­organisation KABAWIL in ei­nem Gespräch sagte: “… schwie­rig, gegen diese Manöver der Regierung anzugehen, so­lange wir nicht einmal in der Lage sind, gemeinsam eigene Ge­genkandidaten aufzustellen.”
Suche nach Einheit
Die gesamte Marschrichtung zur Umsetzung der Friedensab­kommen hängt daher von der Bündnis- und Handlungsfähig­keit einer Linken ab, die mehr als die URNG und FDNG um­fassen müsste. Die Ausgangsbe­dingungen dafür sind, trotz der geschilderten Probleme, günstig. Denn innerhalb und außerhalb der Hauptstadt ist eine Vielzahl von Initiativen entstanden, die mit viel Schwung damit begon­nen haben, die neu gewonnenen politischen Spielräume zu beset­zen. Lokale BürgerInnengruppen machen den Nachfolge-Instanzen der Zivilpatrouillen das bisherige Macht­monopol auf der lokalen Ebe­ne streitig und gewinnen Ver­handlungsfähigkeit gegen­über den politischen Parteien.
Frauen organisieren sich in ver­schie­densten Landesteilen und nehmen über Re­gio­nal­ko­or­di­na­tionen an den nationalen Fo­ren teil. Dieser Prozeß wird ge­ra­de auch von Indígena-Frauen ge­tra­gen und ist nicht nur in­te­res­sant und wichtig für die Her­aus­bil­dung einer Frauenbewegung auf nationaler Ebene, sondern hat ebenfalls frischen Wind in die Debatten der Indígena-Bewe­gung über die Interpretation von au­thentischer Kultur gebracht. Die Indígena-Bewegung selbst kon­solidiert nach und nach plu­rale, repräsentative Vertretungs­struk­turen und gewinnt Schritt für Schritt Stimme und Gehör auf nationaler Ebene.
Neue Ak­teure arbeiten an neu­en Themen und alle sind sich be­wußt, daß jede zukünftige Ver­änderung der Kräfte­ver­hält­nis­se im Land nur über Zu­sam­men­schlüsse gehen wird. In die­sem Zusammenhang ist es viel­ver­sprechend, wenn aus den Rei­hen der “alten” Akteure zu hö­ren ist, daß künftige Allian­zen nicht als ideologische son­dern als so­zi­ale Bündnisse ge­sucht wer­den sol­len. Im Mo­ment, und wohl ei­ne ganze Weile noch, ist Um­bruch- und Auf­bruch­stimmung an­gesagt, kön­nen von außen nur Fra­gen ge­stellt, aber keine Wer­tun­gen ab­gegeben wer­den.

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