Sonderbeilage zum Golfkrieg der “Dritte-Welt-Zeitschriften”
Editorial
Angesichts der massiven Streitmacht, mit der die Sieger des Kalten Krieges im Nahen Osten aufmarschiert sind, stellt sich für uns heute die Frage, ob dieser zweite Golfkrieg binnen zehn Jahren nicht der Beweis ist, da? eben keine Weltzivilgesellschaft im Enstehen ist. Wir vermuten, da? mit dem blutigen Waffengang, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts der Herrschaftsbereich neo-imperialistischer Staaten wie die USA und neuerdings auch wieder Gro?britannien und Frankreich, abgesteckt werden soll. Damit hat auch der Nord-Süd Konflikt eine andere, militärische Dimension bekommen.
Gleichzeitig hat aber auch die technisierte und rationalisierte Kriegsführung eine neue Qualität erreicht. Und deswegen verlangt sie nach einer noch schärferen und noch perfekteren Zensur der Medien. Verschwiegen werden soll, da? hinter den zeitgemä?en Ausdrücken “Zerstörung” und “chirurgischer Eingriff” der Tod vieler tausend Menschen steht. Damit soll erreicht werden, da? die Brutalität und der Wahnsinn des Krieges, fernab an der “Heimatfront” nicht einmal mehr per TV wahrgenommen werden kann. Der Krieg erscheint dann als Spiel. ?ber den inzwischen hinlänglich bekannten US-Fernsehsender können wir heute an diesem Spiel teilnehmen. Oder wir gehen heute, wie zu allen Kriegszeiten, auf die Stra?e und rufen: “Kampf dem Krieg!”
Diesem ‘Kampf’ ist diese Sonderausgabe gewidmet, so altmodisch das klingt.
hh
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Auflage: 10.000
Der Krieg ohne Blut
Sage und schreibe fünf Tage nach Ausbruch des Krieges gab es für uns TV-KriegsteilnehmerInnen das erste Mal Gelegenheit, zu erschaudern. Zwei amerikanische und ein britischer Bomberpilot, die der Irak nach Abschu? ihrer Maschinen in seine Gewalt gebracht hat, wurden der Welt vorgeführt. Gebrochene Menschen, ohne jede ?hnlichkeit mit den Jungs aus den Militärwerbespots, die wir nach den erfolgreichen Lufteinsätzen der ersten Tage zu sehen bekamen.
Doch gerade die makabere Show, die Hussein hier inszenierte, gibt Anla? zu Hoffnung. Womöglich trägt sie dazu bei, da? die Rechnung der US- Führung nicht aufgeht. Die will bekanntlich keinen zweiten Krieg “am Bildschirm verlieren” und untersagte es den KriegsberichterstatterInnen, die schwachen Nerven der US-Bevölkerung mit Schreckensbildern zu strapazieren.
Die Folgen dieser Zensur sind uns allen bekannt: Weltweit gelangte ein kastrierter Krieg auf die Bildschirme, ein Krieg ohne Blut und Verstümmelung, wie aus der Perspektive des Bomberpiloten gefilmt, der sein auf Punktgrö?e geschrumpftes Ziel ins Visier nimmt, einen Knopf drückt und wieder abdreht.
Nennenswerte Proteste gegen diese Art von Volksverdummung sind hierzulande am sechsten Kriegstag nicht auszumachen. Nur bei den Frau- und Mannschaften in ARD und ZDF, die den Krieg mit ihren Sondersendungen begleiten, macht sich langsam ein gewisses Unbehagen breit. Sie beklagen immer häufiger die Mängel des Materials, das ihnen ihre KorrespondentInnen vom Ort des Geschehens ins Haus schicken.
Aber die Schuld an der verzerrten Berichterstattung über den Krieg trägt nur zum Teil die offene Zensur. Es wird auch dort, wo mehr Objektivität möglich wäre, verzerrt, beschönigt und verschwiegen – die Wirkung tiefsitzender Vorurteile und Feindbilder. So kom
men in etlichen Kommentaren und Berichten die Streitkräfte der USA auch noch Tage nach Kriegsbeginn nur in der Rolle der vernünftigen, beinahe humanen Kriegspartei vor, die ihre Angriffe mit “chirurgischer” Präzision auf strategische Ziele konzentriert. Saddam Hussein hingegen trägt weiterhin die Maske des finsteren Aggressors und die Bevölkerung seines Landes, wenn sie denn überhaupt einmal in den Berichten auftaucht, wird präsentiert als ein unverbesserlicher Haufen von Fanatikern.
Wieviele Aspekte dieses Krieges im Filter der Zensur hängengeblieben sind und was an Falschinformation in die Welt gelangte, wird die Zeit ans Licht bringen. Man mu? jedenfalls auf herbe ?berraschungen gefasst sein.
isar
CNN-Live –
Dabeisein ist alles
Die deutschen TV-Konsumenten, die die erste Kriegsnacht am Bildschirm mitverfolgten, werden sich noch gut an Bernie Shaw erinnern, an den Mann des amerikanischen Nachrichtensenders CNN, der der Auforderung seines Arbeitgebers zum Verlassen Bagdads nicht folgte und stattdessen die Welt mit seinen Impressionen vom Bombardement der irakischen Hauptstadt versorgte. Mit 46 anderen Journalisten harrte er im Rashid- Hotel in der Bagdader Innenstadt aus, nicht etwa im Luftschutzkeller, sondern im 14. Stockwerk , und beobachtete, wie sich der Himmel über Bagdad rot färbte und von einem riesigen Feuerwerk überzogen wurde. So viel “Berufsethos” bringt nicht jeder rasende Reporter auf.
Die CNN Leute haben noch andere Qualitäten. Sie besitzen Ellbogen und haben unter der Gemeinschaft der Auslandskorrespondenten in den verschiedenen Ländern meist die besten Connections , zu Staatsmännern und anderen wichtigen Leuten. Bei der Konkurrenz sind sie nicht gerade beliebt. Aber beliebt oder nicht : Die Berichte der allgegenwärtigen Frauen und Männer von CNN sind für viele andere Sendeanstalten inzwischen zu einer unverzichtbaren Informationsquelle geworden.
Dem aufmerksamen TV-Kriegsteilnehmer in der Bundesrepublik dürfte nicht entgangen sein: der Gro?teil der Berichte, die ARD und ZDF in ihren Sendungen verarbeiten, stammen von CNN.
CNN (Cable News Network) existiert erst seit 1980. Die 10 Jahre seines Bestehens hat Besitzer Ted Turner genutzt, um aus CNN ein weltweit führendes und inzwischen auch sehr gewinnträchtiges Nachrichtenunternehmen aufzubauen. Der Sender aus Alabama wird von 55 Mio US-Haushalten empfangen und von weiteren 7 Mio Haushalten in insgesamt 91 anderen Ländern. 120 Nicht-amerikanische Fernsehstationen übernehmen Beiträge von CNN und in 250000 Hotelzimmern in der Welt können Reisende zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit CNN-Nachrichten empfangen.
CNN schüttet seine Nachrichtensendungen mit Hilfe von fünf Satelliten über der Welt aus, zu denen auch ein sowjetischer Satellit gehört, dessen Ausstrahlungsradius über die halbe Welt reicht.
Der dressierte Weltdörfler
Was ist das Markenzeichen von CNN ? Der amerikanische Nachrichtensender ist zum einen allgegenwärtig, zum anderen sendet er ausschlie?lich live. Er folgt der Maxime, da? die Information oder das Bild, das den Zuschauer mit zeitlicher Verzögerung erreicht, schon nichts mehr wert ist. Der Zuschauer soll nicht mit Informationen versorgt werden, die er akkumulieren kann, sondern er soll direkt angeschlossen werden an das Welt-geschehen, an eine weltumspannende Kommunikation.
Der Medientheoretiker Marshall Mc Luhan soll einmal zum Besitzer von CNN, Ted Turner gesagt haben :”Turner, you are creating the global village”.
Einen entscheidenden Schritt in diese Richtung hat “Weltdörfler” Turner dadurch getan, da? er seinem Team die Anweisung gab, künftig auf das Wort “foreign” zu verzichten. Jeder, der dieses Verbot übertritt, mu? mit einer Strafe von 50 Dollar rechnen. Dieses Wortverbot ist nur Kosmetik. Ausschlaggebend ist die Ex-und Hopp- Berichterstattung von CNN. Und die ist nicht gerade geeignet, das Verständnis anderer Gesellschaften zu fördern.
?ber die rasende Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung und den hektischen Szenenwechsel hat sich der Franzose Paul Virilio, seines Zeichens Geschwindigkeitsforscher, Gedanken gemacht. Ihm zufolge fördert eine solche Berichterstattung durch ein ?berma? an Informationen beim Empfänger Desinformation . Vor allem zerstört sie die Fähigkeit zur Anordnung der Fakten auf der Zeitachse. Auf den Krieg bezogen hei?t das: Der Zuschauer wird in so schneller Abfolge mit Informationen und Bildern versorgt, da? er `vorher` und `nachher` nicht mehr unterscheiden kann. Und damit Angriff nicht mehr von Verteidigung.
In diesem hektischen Bombardement mit zum Teil widersprüchlichen Informationen findet der Zuschauer nicht mehr die Gelegenheit, innezuhalten und sich eine eigene Meinung zu bilden, “sondern nur noch die Zeit, von einem Reflex zum anderen überzuwechseln”.
Das Resultat dieser “Mediendressur”, wie Virilio sie nennt, ist der denkunfähige Mensch ohne Geschichtsbewu?tsein, der wie ein “Opiomane” dahindöst.
CNN, Feind der Diplomatie?
Kaum ein Staatsmann verzichtet heute auf die Live-Information durch CNN. Ein besonders treuer CNN-Kunde ist Bush, aber auch der saudische König Fahd, Hussein von Jordanien, Mitterand und selbst Ghaddafi empfangen oft CNN (Newsweek,18.6.90). In Krisenzeiten wird der Kreis der Empfänger noch grö?er.
In vielen Fällen ersetzt die Sofort-Kommunikation über den CNN-Draht sogar die aufwendigeren diplomatischen Kontakte. So hat Gorbatschow im Dezember 1989, nachdem er von der US-Invasion in Panama erfahren hatte, sofort den Maoskauer CNN-Korrespondenten zu sich in den Kreml gerufen. Dort verlas Gorbatschows Pressesprecher eine Verurteilung der Invasion vor der Kamera. Erst Stunden später ging die Note dem Botschafter zu. Auf Nachfrage antwortete Gorbatschow, er sei davon ausgegengen, da? Bush ohnehin CNN sehe (ZEIT, 21.9.90).
Die Direktkommunikation über den CNN-Kanal hat ihre Haken. Sie kann zu einer gefährlichen Aufheizung der Atmosphäre führen und den Raum nehmen, nach diplomatischen Lösungen zu suchen. “Es ist unser Ziel”, so der Chefredakteur und – manager des Senders, Tom Johnson, “fair und ausgewogen alle relevanten Meinungen zu den Ereignissen des Tages zu bringen.” CNN “schütze” die Zuschauer vor nichts und niemandem. Da? die UN so schnell und entschlossen auf den ?berfall Kuwaits durch den Irak reagierten, über den CNN “sofort ” berichtet habe, könne allerdings kein “Zufall” sein. Da? die politischen Kontrahenten über das Fernsehen miteinander redeten, da? nichts Entscheidendes hinter dem Rücken des Publikums verabredet werden könne, das habe zur Verhinderung von Krieg beigetragen, so triumphierte Johnson noch im September in der ZEIT. So sei CNN mehr “Freund als Feind” des diplomatischen Prozesses. Der Ausbruch des Krieges hat seine Aussage nun ins Gegenteil verkehrt.
dh, sw, isar
Deutsche Waffen, deutsches Geld – morden mit in aller Welt!
Kurze Geschichte des Konflikts bis zum Einmarsch in Kuwait
Zur Entstehung der beiden Staaten bis zu ihrer Unabhän-gigkeit
Kuwait: Das Gebiet des heutigen Kuwait war im 17. Jhd. Teil des osmanischen Reiches und wurde von der Provinz Basra verwaltet. Es begann damals allerdings eine von der Osmanenherrschaft relativ unabhänge Besiedelung durch Araber; sie ernannten einen “Shaij” (Scheich), um Verhandlungen mit den Türken durchzuführen. Ende des 18. Jhds. bat der Scheich von Kuwait England um Unterstützung gegen eine befürchtete Okkupation durch die Wahabiten, die sich später mit der Dynastie der Saudis zusammenschlossen. Auch in den folgenden Jahren traten die Engländer als die Garanten der Unabhängigkeit Kuwaits auf. Sie vereitelten 1899 den Versuch der Türken, die Eisenbahnlinie Berlin- Bagdad durch kuwaitisches Gebiet bis an den Golf zu verlängern.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Kuwait ein autonomer Staat unter britischem Protektorat. Als 1938 das erste ?l zu flie?en begann, überzeugten die “Kuwait Oil Company”, bestehend aus “British Petrol” (“BP”) und “Gulf Oil” (USA) den Emir, ?lbohrungen zuzulassen. Daraufhin unterzeichnete das Parlament die ?lkonzessionen. Kuwait blieb bis 1961 britisches Protektorat.
Irak: Unter den Abbasiden, die 750 von in Damaskus residierenden Ommayaden das Kalifat übernommen hatten, wurde Bagdad zur Hauptstadt des arabischen Gro?reichs. Drei Jahrhunderte lang war die “Stadt von tausend und einer Nacht” das kulturelle Zentrum in der Region. Dem Zerfall des arabischen Reiches folgte abwechselnd eine Herrschaft der osmanischen Türken, Mongolen, Turkomanen und Kurden. Die Region wurde im 16. Jhd. schlie?lich unter osmanischer Herrschaft geeinigt.
Zu Beginn des 20. Jhds. entwickelte sich ein “arabischer Widerstand”, der auch im Irak sehr stark wurde und während des Ersten Weltkriegs die osmanische Herrschaft abschüttelte. Nachdem die Türken besiegt waren, gab es erste Hoffnungen auf Unabhängigkeit. Die allerdings machte England zunichte, das in Persien seine ?linteressen zu wahren versuchte und die arabischen Gebiete nach dem Ersten Weltkriegs unter sich und Frankreich aufteilte. Syrien fiel Frankreich zu, Mesopotamien (das heutige Gebiet des Irak) England. 1920 erklärte Winston Churchill die Gründung des Königreichs Irak. Erst 1955 wurde jedoch dessen endgültige Unabhängigkeit erreicht. Ein Militärputsch im Juli 1958, angeführt von General Kassem, führte zum Sturz des Königs und zur Hinrichtung der königlichen Familie.
Erste Auseinandersetzungen
zwischen Irak und Kuwait
Sofort nachdem Kuwait 1961 aus dem englischen Protektorat entlassen wurde, meldete Irak Ansprüche auf dessen Staatsgebiet an mit dem Argument, Kuwait wäre Teil der osmanischen Provinz Basra gewesen und damit ein Teil Iraks. Der irakische Premierminister Kassem erklärte Kuwait zum integralen Bestandteil des Irak und drohte mit einer gewaltsamen “Befreiung” des Gebiets. Zunächst wurden britische und saudiarabische Truppen in Kuwait stationiert, danach übernahm die Arabische Liga die Verteidigung Kuwaits. Kuwait wurde gegen den Widerstand Iraks in die Arabische Liga aufgenommen. Kassem erneuerte seine Gebietsansprüche nicht, worauf die Präsenz arabischer Truppen auf ein Minimalma? reduziert wurde.
Zwei Jahre später wurde Kassem von Anhängern der Baath-Partei gestürzt und erschossen. Die Baath-Partei konnte jedoch erst 1968 unter der Führung von General Hassan Al-Bakr endgültig die Macht übernehmen. Sie führte eine Landreform durch und nationalisierte 1972 den Erdölsektor. Am 4. Oktober 1972 wurde die Unabhängigkeit Kuwaits anerkannt. 1973 gab es jedoch weitere Konflikte zwischen beiden Ländern. Die Grenzfrage blieb weiter umstritten.
1979 trat Al-Bakr aus gesundheitlichen Gründen zurück, Saddam Hussein, bis dahin Vizepräsident, übernahm sein Amt. Ein Putschversuch gegen ihn scheiterte; Hussein versprach, die bisherige Politik seines Vorgänders fortzusetzen. 1980 fanden direkte Wahlen zur ersten Nationalversammlung statt.
Der irakisch-iranische Krieg
Ende 1980 startete der Irak eine Blitzoffensive gegen Iran mit dem Ziel, die seit 1823 umstrittene Grenzfrage am Schatt el-Arab für sich zu entscheiden. Nach der iranischen Revolution 1979 beanspruchte der Irak die Anerkennung seiner Souveränität über den Schatt el-Arab; offensichtlich versuchte der Irak eine vermeintliche Schwäche des Iran nach der Revolution auszunutzen. Im Verlauf dieses Krieges starben mindestens 500.000, über eine Million wurden verletzt. Die Waffen für die Kriegsführung kamen hauptsächlich aus dem Ausland, da zu dem Zeitpunkt keines der beiden Länder über eine eigene Rüstungsproduktion verfügte. Hauptlieferant des Irak war Frankreich, gefolgt von der Sowjetunion. Mit der Annahme einer Resolution des UN-Sicherheitsrats im Juli 1987 (Iran) bzw. Juli 1988 (Irak) endete dieser Krieg.
Nach Ende des Krieges begann der Irak seine Vormachtstellung in der Region mit einem weiteren Ausbau seines militärischen Potentials und eigener Rüstungsproduktion zu stärken, in der Absicht, so zur arabischen Führungsmacht aufzusteigen. Unter den Waffenlieferanten aus dem Ausland standen wieder Sowjetunion und Frankreich an erster Stelle. Aus der BRD kam vor allem Technologie für die Produktion chemischer Kampfstoffe.
Irakische Rakete: Entwicklungshelfer MBB
Im Frühjahr 1990 bot der kuwaitische Scheich Dschaber as-Sabah dem Irak die umstrittenen Inseln Bubijan und Warba für einen unbefristeten Zeitraum zur Pacht an. Er forderte als Gegenleistung die erneute Anerkennung der Unabhängigkeit Kuwaits von Saddam Hussein, was dieser ablehnte. Unter Vermittlung Arafats und König Husseins von Jordanien fanden Verhandlungen statt, die im März 1990 scheiterten. Im Juni warf der Irak Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, die von der OPEC festgesetzte Fördermenge für Rohöl zu überschreiten und den Weltmarktpreis zu drücken. Der Irak behauptete, durch die ?berproduktion beider Länder sei ihm ein Schaden von 14 Mrd. Dollar entstanden und verlangte den Erla? der Schulden aus dem Golfkrieg. Am 1. August scheiterten die Versöhnungsgespräche zwischen Irak und Kuwait, ohne da? neue Verhandlungen vereinbart wurden. Am 2. August marschierten irakische Truppen in Kuwait ein, besetzten den Palast des Emirs, den Flughafen sowie in der Folge das gesamte Territorium des Scheichtums. Der Emir flüchtete mit seiner Familie nach Saudiarabien.
tl
“Ich werde mich nicht dazu hergeben, Leichen zu zählen”
General Schwarzkopf
Wir aber Herr General!
Es ist Krieg. Fassungslos sind wir einer beispiellosen Mediensimulation, Zensur und Propaganda ausgeliefert. Ohnmächtige Wut wechselt sich mit Resignation und Zynismus ab. Es ist in diesen Tagen schwierig geworden, einen klaren Kopf zu behalten. Trotzdem, der Versuch sei gewagt, einige erste Thesen aufzustellen.
Die Diktatur im Irak bot den idealen Vorwand für die USA und ihre Verbündeten, in einer neuen weltpolitischen Situation ihre Bedingungen für die Zukunft zu diktieren.
Der Krieg im Nahen Osten ist in dieser Form die erste echte militärische Nord-Süd Konfrontation nach dem Auseinanderbrechen der Ost-West- Weltordnung. Saddam Hussein konnte sich gegen die USA auflehnen, da davon auszugehen war, da? die Sowjetunion sich nicht einmischen würde und ihn zu einem Frieden zwingen könnte. Allerdings haben die USA und GB schon 1982 angedeutet, was es hei?t, wenn staatliche Diplomatie am Ende zu sein scheint und die militärische Logik am Ende des 20. Jahrhunderts das Gesetz des Handelns übernimmt. Der Falkland-Konflikt war gewisserma?en die militärische “Generalprobe” für den Angriff auf den Irak. Er wurde fälschlicherweise als letzter Krieg der imperialistischen Kanonenbootpolitik des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Heute sprechen viele Anzeichen dafür, da? dieser Konflikt zwischen GB und Argentinien nicht die letzte kolonialistische, sondern die erste spezifische Form einer neuen postkolonialen Auseinandersetzung war.
Hintergründe der Alliierten
Auf der einen Seite stehen in erster Linie die USA und GB und nicht die zivile Weltgesellschaft, die in jeder “Kriegs- Talk Show” beschworen wird. Auffallend ist die Strategie beider Länder, andere diplomatische Aktivitäten seit dem zweiten August zu negieren, unabhängig davon, ob der Irak auf sie anders reagiert hätte: innerarabische Lösungsversuche, z.B. Algeriens und der Arabischen Liga wurden durch den schnellen und massiven militärischen Aufmarsch in Saudi Arabien im Ansatz erstickt. Die französische Diplomatie wurde von den USA und GB hart kritisiert, da sie die vom Irak geforderte Einbeziehung der palästinensischen Seite in ihre ?berlegungen mit aufnahm. Die UNO-Missionen dienten in erster Linie dazu, in der ?ffentlichkeit Verhandlungswillen zu demonstrieren. Im Grunde nahm sie keiner ernst, was sich an den eingeschränkten Möglichkeiten des UN- Generalsekretär zeigte. Die EG wurde an der kurzen Leine gehalten, und die einzelnen Mitgliedsländer zogen sich in ihr nationalstaatliches Schneckenhaus zurück. Die Diplomatie steuerte so zwangsläufig auf einen Krieg zu. Warum gab es keinen Versuch von Seiten der USA, mit Saddam selbst ins Gespräch zu kommen? Bei einem Kompromi?vorschlag hätte sein eigener innenpolitischer Hintergrund mit berücksichtigt werden müssen.Er selbst brachte sein Dilemma auf den Punkt: “Wenn ich mich aus Kuwait ohne Ergebnis zurückziehe, werde ich von meinen Offizieren als Verräter erschossen. Kommt es zu Krieg, ende ich schlimmstenfalls als Märtyrer.” Das Verhindern anderer Möglichkeiten, aus der Krise zu kommen, spiegelt die Unfähigkeit wider, arabisches Selbstverständnis zu verstehen. Ein anderes Umgehen mit dem Irak hat nicht automatisch etwas mit Nachgiebigkeit oder dem Münchner Abkommen von 1938 zu tun. (sog. Appeasement- Politik)
Das Versagen der Diplomatie kann aber auch anders interpretiert werden. Die USA lie?en den Irak in eine Falle laufen und wollen keineswegs die weltweite Staatengemeinschaft schützen, sondern verfolgen schlicht eigene Interessen in diesem Krieg.
Erinnern wir uns! Die konkrete Idee, sich der ?lquellen zu bemächtigen, um an den wichtigen Rohstoff billig heranzukommen, existiert seit 1974. Die Stäbe von Henry Kissinger erstellten Pläne für die Besetzung der wichtigsten ?lquellen auf der arabischen Halbinsel. Diese ?berlegungen führten zu verschiedenen Doktrinen, die die Region als lebenswichtig für die USA darstellten. Schnelle Eingreiftruppen, die in der ägyptischen Wüste Manöver abhielten, wurden aufgestellt und stehen heute wie die 82. Luftlandedivision als Kerntruppen im Krieg gegen den Irak. Solange sich entscheidende Länder der OPEC den Interessen der USA und Europas beugten, konnte auf eine Intervention verzichtet werden. Mit der Revolution 1979 im Iran erhöhte sich die Gefahr für die Regierungen der USA schlagartig. Für die Herrschenden entwickelte sich nach der kommunistischen eine zweite DominoSituation: die islamische. Alles, was sich dem islamischen Fundamentalismus widersetzte, wurde daraufhin mit Waffen aus der halben Staatenwelt überhäuft. Die fürchterlichen Folgen werden mit jedem Kriegstag deutlicher.
Seit Anfang der 70er Jahre schwindet die Hegemonie der USA im globalen Kapitalismus, da ihre ?konomie in produktiven Bereichen von anderen kapitalistischen Staaten überrundet wurde. Sie haben seit dieser Zeit ihre Macht immer mehr zugunsten ihrer jeweiligen internen Interessen eingesetzt. Vermutlich diente dazu auch der “Kriegskeynesianismus” der 80er Jahre. Riesige staatliche Summen wurden in die Kriegstechnologie investiert. Die Ergebnisse werden heute vorgeführt, um einen Teil dieser verlorenen Hegemonie zurückzuerobern.
Die Hintergründe im Irak
Im Gegensatz zur CDU, die das diktatorische Regime im Irak erst seit August letzten Jahres kennt (kein Wunder, einige ihrer Bundestagsabgeordneten fungieren als Lobbyisten wichtiger Rüstungslieferanten), haben wir die Vernichtungspolitik des Irak gegenüber der eigenen Opposition und der kurdischen Bevölkerung schon immer kritisiert – leider mit wenig Resonanz.
Neben der moralischen Empörung müssen wir aber auch die strukturellen Zwänge analysieren, denen nicht nur der Irak in den letzten Jahren zunehmend ausgesetzt ist. Die Herrschenden und die Bevölkerung in fast allen Staaten der “Dritten Welt” sehen sich einer konstant sich verschlechternden nationalökonomischen Situation gegenüber. Traditionelle Wege nationaler Entwicklung, ob in der algerischen, vietnamesischen oder brasilianischen Variante wurden, trotz aller miteinbezogenen internen Schwierigkeiten, durch die Schuldenkrise (Nettokapitaltransfer in den Norden), der Abschottung der Märkte der Industrieländer und der Auflagenpolitik des IWF erschwert bis verunmöglicht. Für die Mehrheit der arabischen Bevölkerung kommt zu der zunehmenden ökonomischen Misere eine psychologische. Die letzten vierzig Jahre werden als eine Aneinanderkettung von Niederlagen wahrgenommen. Das Ende des Kalten Krieges verstärkt diesen Eindruck noch: “Das Gefühl, nur noch als ?llieferant wahrgenommen zu werden, trotz des Reichtums, arm und ohnmächtig zu sein, bestimmt die politische und psychische Befindlichkeit der Araber” (Ahmed Taheri). Da kam Saddam gerade recht. Er stand gegen den Imperialismus und die Israelis auf. Der seltsam befreiend anmutende Jubel nach dem ersten Einschlag der Scud-Raketen erklärt sich vor diesem Hintergrund.
Der Irak ist nicht die einzige Diktatur, die jahrelang unterstützt wurde. Die erste Forderung aus der BRD kann daher nur lauten: Stop den Waffenexporten! Zweitens können die Konflikte in der Region nur von den Menschen längerfristig und friedlich beigelegt werden, die dort leben und nicht durch eine Einmischung von au?en.
Das Militär
Den Militärs – und wir lassen uns in diesen Tagen und Nächten von ihnen, wenn auch nur optisch, unsere Köpfe vernebeln – ist ihr “Job” klar. Die Kampfmaschinen der White Anglo Saxon Allies haben in den Nord/Süd – Kriegen mehrere militärtechnologische Vorteile. Sie werden uns von kalten Technokraten erläutert. Wir bekommen z.B. die Aufnahmen von in Marschflugkörpern eingebauten Kamaras vorgeführt. Mit diabolischem Grinsen zeigt man uns die “chirurgischen Schnitte”, mit denen das gegnerische Hauptquartier zerstört wird.
Wir müssen uns lösen aus der militärischen Logik, so hart die Propaganda der Bilder aus diesem “High Tech – Krieg” auch auf uns einstürzt. Vom Fernseher weg, befallen uns neben Verzweiflung über die Zerstörung und das menschliche Leid, das bewu?t ausgeblendet wird, eine dunkle Vorahnung über das, was nach dem Krieg bleiben könnte. Der Irak und Kuwait eine Wüste, unbewohnbar!
Politiker hier beschworen mit ihren willfährigen Intellektuellen am Ende des letzten Jahres die heraufdämmernde Weltzivilgesellschaft. Dabei wurde erstens der grö?te Teil der südlichen Halbkugel ausgeblendet und zweitens vergessen, da? kapitalistische Interessen sich in spezifisch historischen Situationen mit Gewalt durchsetzen.
Wir konnten diesen Krieg mit unseren bescheidenen Mitteln nicht aufhalten, aber jetzt gilt um so mehr KAMPF DEM KRIEG !
GEGEN HEILIGE UND GERECHTE KRIEGE
Georg Lutz
Weiterführende Literatur:
Zum irakisch-iranischen Golfkrieg:
– Blätter des iz3w 146 (Dezember 1987)
– A. Malanowski, M. Stern (Hrsg.): “Bis die Gottlosen vernichtet sind”; rororo aktuell, Hamburg 1987
Zur Politisierung des Islam:
– Blätter des iz3w 147 (Februar 1988)
Zu den Aktuellen Ereignissen bis Herbst 1990:
– B. Nirumand (Hrsg.): “Sturm im Golf. Die Irak- Krise und das Pulverfass Nahost”; rororo aktuell, Hamburg 1990
– “Chronik eines angekündigten Krieges”;
Arbeiterkampf Nr. 325, Hamburg 1990
Zu Rüstungsexporten:
– Die Todeskrämer. Bundesdeutsche Rüstungsexporte an den Golf; BUKO-Kampagne “Stopt den Rüstungsexport”; Bremen November 1990
Für weiter Interessierte: Wir (d.h. das Infomationszentrum Dritte Welt, Freiburg) planen die Erstellung einer Artikelsammlung, die bei uns angefordert werden kann. Au?erdem wird der Schwerpunkt der nächsten Ausgabe der “blätter des iz3w” der Golfkrieg und seine Hintergründe sein.