Mexiko | Nummer 486 - Dezember 2014

Unterschätztes Risiko

In Mexiko wächst der Widerstand gegen das Fracking als Extrahierungsform der Gasvorkommen

Die mexikanische Regierung sieht Fracking als alternative Energiegewinnung und unterstützt das Extrahieren der Gasvorkommen ohne die kurz- und langfristigen Auswirkungen in Betracht zu ziehen. Dabei sind die Risiken für Umwelt und Bevölkerung enorm.

Caroline Schroeder

Am 11. Oktober 2014 rief die Organisation Global Water Watch zu einem „globalen Frackdown“ auf. An diesem Tag sandten Organisationen der Zivilgesellschaft aus der ganzen Welt sowie Gemeinden, die von der umstrittenen Gasförderung betroffen sind, eine Nachricht an ihre Regierungen: Sie forderten den Ausbau erneuerbarer Energien anstelle der Förderung fossiler Ressourcenextraktion wie dem Fracking. In Mexiko beteiligte sich die Allianz gegen das Fracking, einem Bündnis von inzwischen über 50 Umweltorganisationen, an der Aktion. Sie nutzte den Anlass, um während der internationalen Pressekonferenz, auf die Konsequenzen und Risiken aufmerksam zu machen. Die Methode des Frackings wird insbesondere in Argentinien, aber seit einigen Jahren auch in anderen Ländern Südamerikas und in Mexiko erprobt, mit dem Ziel, diese Technologie weiter auszubauen. Und das, obwohl zivilgesellschaftliche Akteur_innen seit Jahren auf die mit dem Fracking verbundenen Risiken aufmerksam machen.
Fracking ist eine Methode, um Gas aus dem Erdreich zu extrahieren. Die größten Vorkommen sind in Schiefergestein eingeschlossen. Um dieses Gas zu extrahieren, werden drei bis fünf Kilometer tiefe Löcher in das Erdreich gebohrt. Sobald die Erdschicht erreicht wird, in der man die Gasvorkommen vermutet, werden bis zu zwanzig horizontale Bohrungen durchgeführt. Damit das Gas entweichen kann, wird das Gestein durch eine Mischung aus Wasser, Chemikalien und Quarz in tausende Stückchen gesprengt. Die Sprengungen bezeichnet man als „Hydraulic Fracturing“. In den USA hat der Abbau von sogenanntem unkonventionellen Erdgas bereits Anfang 2000 in großem Stil begonnen, was einen Boom nach sich zog. Aroa de la Fuente, Mitarbeiterin der Organisation Fundar und Mitglied der mexikanischen Allianz gegen das Fracking, wies in einem Gespräch mit den LN auf die Gefahren und die Absurdität dieser Technologie hin.
Eines der größten Probleme ist hierbei die Wassernutzung und -verschmutzung. Laut de la Fuente benötigt eine Bohrung zwischen 9 und 29 Millionen Liter Wasser. Dieses Wasser kann nach seiner Nutzung nicht mehr in den natürlich Kreislauf zurück gelangen, da es aufgrund seiner Mischung mit den teils radioaktiven Chemikalien nicht mehr gereinigt werden kann. Viele Menschen in Lateinamerika haben nur schwer Zugang zu sauberem Wasser. Im Norden Mexikos, wo die ersten Explorationen für zukünftige Fracking-Projekte begonnen haben, ist das Wasser knapp. Während der Pressekonferenz wies Juan Alberto Hernández, ebenfalls Mitglied der Allianz gegen das Fracking, darauf hin, dass die Regierung in den Bundesstaaten Nuevo León und Coahuila im Jahr 2011 ein Programm verabschiedet hat, welches der nationalen Wasserkommission die Möglichkeit einräumt, die Rechte von Anwohner_innen auf Wasservorkommen in bestimmten Territorien zu kaufen. Die Menschen, die in dieses Programm eintreten, erhalten pro Kubikmeter 3 Pesos. Sie beklagen sich jedoch darüber, dass die Wasserknappheit sich verschärft hat und ihnen auch nicht der versprochene Preis von 3 Pesos pro Kubikmeter gezahlt wird. Die Allianz geht davon aus, dass dieses Programm das Ziel hat, neue Konzessionen für Frackingprojekte zu vergeben.
Die Unmengen von Wasser, die bei der Bohrung benötigt werden, bleiben nicht vollkommen im Boden, sondern werden in offene Becken neben den Bohrtürmen geleitet. Durch die Kondensierung gelangen die Chemikalien direkt in die Atmosphäre. In manchen Fällen wird das Wasser von Klärwerken aufgenommen, die jedoch, so de la Fuente, nicht im Geringsten ausgerüstet sind, um das Wasser zu filtern und zu säubern. Eine weitere Möglichkeit ist, dass das Wasser an anderen Orten in den Boden injiziert wird, was aufgrund der chemischen Zusammensetzung und des starken Drucks zu Erdbeben führen kann, wie es in Oklahoma im Jahr 2011 der Fall war.
Über die genaue Zusammensetzung der beim Fracking verwendeten Chemikalien gibt die Industrie nur sehr zögernd Auskunft. Studien aus den USA zeigen, dass 75 Prozent der chemischen Stoffe, die bei der Perforierung der Erdschichten genutzt werden, Entzündungen auf Haut, Augen, dem Atmungs- sowie dem Magen-Darmsystem auslösen können. Des Weiteren konnten Krebserkrankungen, Unfruchtbarkeit und Störungen des Immunsystems festgestellt werden. Nicht nur die Arbeiter_innen, sondern auch die anliegenden Gemeinden sind dementsprechend hohen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt.
De la Fuente und die Expert_innen der Pressekonferenz machen in diesem Zusammenhang auf die niedrige Rentabilität der Bohrungen aufmerksam: „Es hat sich gezeigt, dass ein Bohrloch im Jahr zwischen 29 und 52 Prozent an Rentabilität verliert. Nach drei Jahren neigt sich die Produktion dem Ende zu und es müssen neue Bohrungen vorgenommen werden. Es gibt Regionen in den USA, in denen tausende von Bohrungen vorgenommen werden, was einen massiven Wasserverbrauch bedeutet“, führt de la Fuente aus. Je nach Bohrung wird neben dem Wasser auch viel Energie aufgewendet, was sich letzten Endes aufgrund der geringen Energiegewinnung während der Bohrungen jedoch kaum rentiert.
Schließlich, da sind sich die Experten sicher, handelt es sich bei jeder Bohrung um ein Experiment: „Ungefähr 5 Prozent der Bohrlöcher weisen Risse in ihrer Zementierung auf. Bei der Injektion des Wassers und der Chemikalien bricht die Zementwand auseinander und die Flüssigkeit gelangt in die Erdschichten. Dies kann man technisch nicht lösen. Man weiß nie, was bei der Frakturierung passiert und welche Auswirkungen sie kurz- oder langfristig hat. Krankheiten durch verschmutztes Wasser treten meist erst später auf, wenn das Unternehmen in der Regel schon abgezogen ist“, erklärt Eduardo D‘Elia, ehemaliger Ölarbeiter aus Argentinien während der Pressekonferenz.
Trotz der zahlreichen Risiken wird das Fracking offiziell seit 2010 auch in Mexiko praktiziert und soll in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. Das Land ist stark von seinen Ölvorkommen abhängig. Mit dem Fracking von Gasvorkommen soll, so die Regierung, eine alternative Ressource zum Öl gefördert werden, um das Energieangebot zu diversifizieren und die Abhängigkeit zu reduzieren. Ein Rückgang der Ölförderung durch das nationale Unternehmen Pemex ist jedoch bislang nicht zu beobachten.
Die Regierung legitimiert die Fracking-Projekte zudem mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze. „Dabei handelt es sich jedoch kaum um die Förderung des lokalen Arbeitsmarktes, da die Unternehmen mit ihren eigenen Arbeitern anreisen, des Weiteren sind diese großen Risiken ausgesetzt. Die Umweltfolgen tragen eher dazu bei, dass lokale Geschäfte, wie die Landwirtschaft, eingehen“, so de la Fuente.
Als Pro-Fracking-Argument wird häufig auch angeführt, dass die Methode klimafreundlich sei, da anstelle von Öl nun Gas als Kraftstoff genutzt werde. Doch obwohl Fracking eine Alternative zur konventionellen Ressourcenförderung darstellt, ist es weit davon entfernt, eine nachhaltige Methode darzustellen. Fracking trage, so de la Fuente, sogar viel mehr zu der Klimaerwärmung bei als die konventionelle Ressourcenextraktion. Laut Studien der Universität Cornell gelangen 8 Prozent des Gases bei einer Bohrung direkt in die Atmosphäre. Es handelt sich dabei um Methangase, welche die Klimaerwärmung um 25 Prozent mehr steigere als es bei Kohlenstoffdioxid der Fall ist. „Dementsprechend ist es absurd, von einer langfristigen Energielösung auszugehen. Das Fracking als neue Methode, um eine Energiesouveränität langfristig zu erreichen, lockt lediglich die Unternehmen an und lässt neue Investitionsblasen auf dem Finanzmarkt entstehen“, so de la Fuente.
Finanzielle Ressourcen, die eigentlich in den Ausbau und die Entwicklung „echter“ erneuerbarer Energien, wie Wind- oder Solarenergie, fließen könnten, werden lieber in nicht rentable und riskante Projekte wie das Fracking investiert. Die Energiereform, die Mitte 2014 in Mexiko verabschiedet wurde, unterstützt diese Entwicklung. Bis jetzt finden offizielle explorative Projekte in den vier nördlichen Bundesstaaten Coahuila, Nuevo León, Chihuahua und Tamaulipas und auch in den südlicher gelegenen Staaten Puebla und Veracruz statt. Dabei dringen die Firmen auch in indigenes Territorium ein. Mit der neuen Energiereform ist dies jedoch legal möglich, da Energiegewinnung als eine Aktivität „öffentlicher Ordnung“ und allgemeine Priorität angesehen wird. So werden die Bewohner_innen dazu gezwungen, ihr Territorium temporär für eine Exploration an die Unternehmen zu vermieten. Sobald die Anwohner_innen Anspruch auf Konsultation oder Partizipation in dem Entscheidungsprozess erheben, wird dies als Störung der öffentlichen Ordnung angesehen und als Delikt eingestuft.
Während der Debatten um dieses Reformpaket hat sich die mexikanische Allianz gegen das Fracking gegründet. Ziel war zunächst, die Politiker_innen auf die Auswirkungen aufmerksam zu machen. „Wir haben gemeinsam einen Gesetzesentwurf für ein Verbot des Frackings verfasst und im April 2014 im Senat und Abgeordnetenhaus präsentiert. Wir wussten, dass dieser Entwurf kaum Chancen hatte, durchzukommen, jedoch haben wir es geschafft, mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen und die Diskussion anzuregen“, so de la Fuente. Inzwischen konzentriert sich die Allianz verstärkt auf die Problematiken auf lokaler Ebene und versucht, die betroffenen Gemeinden aufzuklären und ihnen Instrumente an die Hand zu geben, anhand derer sie sich organisieren und ihr Territorium verteidigen können. So haben die Bewohner_innen verschiedener Gemeinden der argentinischen Provinzen Buenos Aires und Patagonien erreicht, das Fracking in ihrem Territorium zu verbieten. Ein Beispiel solcherart in Mexiko stellt die Initiative „Chihuahua vs. Fracking“ dar, die gegen das Fracking in ihrem Territorium vorgeht. Ein Problem dabei ist die Präsenz des organisierten Verbrechens in den Regionen, wo Explorationen stattfinden. Dies erschwert die Arbeit der Allianz und macht einen Widerstand der lokalen Bevölkerung fast unmöglich. Kurze Zeit nach der Verabschiedung des Reformpaketes gründete die Regierung per Dekret und als Teil der nationalen Sicherheitsstrategie die „Gendarmería nacional“, eine spezielle Polizeieinheit, welche die territoriale Kontrolle und die Souveränität des mexikanischen Staates garantieren soll. Im Kontext der Energiereform soll diese Einheit auch die für die Sicherheit der Unternehmen und ihrer Projekte im Energiebereich eingesetzt werden. Die Allianz geht jedoch davon aus, dass ihre Einsätze vielmehr eine repressive Maßnahme gegen die lokale Bevölkerung darstellen, die gegen Energieprojekte wie das Fracking aufbegehrt. Die Kriminalisierung von Protesten greift in Mexiko weiterhin um sich.

Mehr Informationen: Pronunciamiento latinoamericano contra el fracking: // http://350.org/es/pronunciamiento-latinoamericano-sobre-el-fracking-globalfrackdown/

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