Land und Freiheit | Nummer 485 - November 2014

Verhagelte Ernte

Nach massiven Protesten wird das im Juni beschlossene „Ley Monsanto“ in Guatemala wieder aufgehoben

Nur wenige Monate war das umstrittene Monsanto-Gesetz in Guatemala in Kraft. Anfang September stimmte der Kongress unter dem Druck der Bevölkerung mehrheitlich für die Aufhebung des Dekrets. Er bricht damit eine Vereinbarung des umstrittenen DR-CAFTA-Freihandelsabkommens.

Sarah Bekker

Monsanto ist der Gigant unter den Konzernen, die gentechnisch verändertes Saatgut produzieren. Das 1901 gegründete US-Agrarunternehmen mit Niederlassungen in 61 Ländern kontrolliert 80 Prozent des Markts, den Rest teilen sich Bayer, Syngenta und DuPont. Monsanto verkauft unter anderem Breitbandherbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat sowie transgene Maissorten und nutzt Biotechnologie zur Erzeugung gentechnisch veränderter Feldfrüchte.
Der enorme Einfluss Monsantos spiegelt sich auch in der legislativen Praxis wider, ganze Gesetze werden dem Großkonzern buchstäblich auf den Leib geschneidert und nach ihm benannt. So zuletzt in Guatemala, als am 26. Juni 2014 das „Ley Monsanto“ als Dekret 19-2014 im Amtsblattveröffentlicht wurde und somit in Kraft trat. Zuvor hatte der guatemaltekische Kongress der Gesetzesvorlage zugestimmt.
In der Folge kam es zu massiven Protesten von großen Teilen der Bevölkerung – mit Erfolg. Bereits Anfang September kippte der Kongress das Gesetz wieder; 117 der 158 guatemaltekischen Abgeordneten stimmten für eine Aufhebung des Gesetzes.
Die überwiegend kleinbäuerlich geprägte Gesellschaft Guatemalas hat allen Grund für ihre Ablehnung. Denn Monsanto nimmt genetische Änderungen an einheimischen Samen vor und meldet anschließend ein Patent für dieselben an. Auf Grundlage des „Ley Monsanto“ wäre der Konzern berechtigt, somit alljährlich Geld von guatemaltekischen Bauern und Bäuerinnen zu verlangen – auch wenn es sich nicht um Hybridsorten handelt und das Saatgut nicht jährlich neu gekauft werden muss, sondern vermehrt werden kann.
Gerechtfertigt wurde das nun gekippte Gesetz von Regierungsseite mit dem Schutz von Pflanzensorten. Dabei war die Verabschiedung des „Ley Monsanto“ mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (DR-CAFTA) schlichtweg vertraglich festgelegt, es war gar eine Vorbedingung der US-Regierung für dessen Zustandekommnen.
DR-CAFTA nimmt niedrige Arbeits- und Umweltstandards billigend in Kauf und bedroht die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Zentralamerika vor allem mittels durch Subventionen verbilligte US-Exporte. Der „Schutz“ von Samen und Pflanzen schützt nicht die Interessen der Kleinbauern und -bäuerinnen. Gesetze wie das „Ley Monsanto“ flexibilisieren die Aussaatregistrierung und erlauben Konzernen, sich das Saatgut anzueignen.
Zudem gefährden oder verhindern derartige Beschlüsse durch die vertraglich festgelegte Ab­hängigkeit von Großunternehmen die Ernährungssouveränität der betroffenen Staaten. Durch die Kontrollmöglichkeiten der Konzerne werden Kleinbauern und -bäuerinnen abhängig von Monsanto und Co. Wer nicht zahlt, muss mit hohen Geld- oder sogar Freiheitsstrafen rechnen. Der Saatgutmarkt wird mehr und mehr monopolisiert, der Politik werden zunehmend Spielräume und Einflussmöglichkeiten entzogen.
Oder die amtierenden Politiker_innen übernehmen das gleich selbst, am besten, wenn sie die Bevölkerung abgelenkt glaubt: Nicht zufällig wurde das „Ley Monsanto“ in Guatemala während der Fußball-WM verabschiedet – Aufmerksamkeit erregte es trotzdem. Über soziale Netzwerke verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer und brachte eine massive Protestwelle ins Rollen, wie es sie nicht nur in Guatemala auch schon während der Verhandlungen des CAFTA-Abkommens gegeben hatte.
Die Unterzeichnung des DR-CAFTA-Abkommens im Jahr 2005 ist eine Konsequenz des Scheiterns von FTAA. Unter diesem Namen hatten vornehmlich die USA versucht, ein Freihandelsabkommen voranzutreiben, das alle 34 Staaten in Nord-, Süd- und Mittelamerika sowie in der Karibik (mit Ausnahme Kubas) umfassen sollte. DR-CAFTA verpflichtet die Staaten Mittelamerikas sowie die Dominikanische Republik, bis 2015 alle Importhürden für US-Waren abzubauen und garantiert US-Unternehmen so den uneingeschränkten Zugang zum mittelamerikanischen Markt. Umgekehrt erhalten Waren aus Zentralamerika besseren Zugang zum US-Markt.
DR-CAFTA reiht sich dabei ein in eine lange Liste bi- und multilateraler Freihandelsabkommen, die seit dem Patt innerhalb der Welthandelsorganisation WTO nach der Konferenz in Hongkong 2005 abgeschlossen wurden und werden. Aktuellste Beispiele dafür sind die jüngst abgeschlossenen Verhandlungen zu CETA zwischen der EU und Kanada sowie die derzeitigen Verhandlungen zu TTIP zwischen den USA und der EU.
Mit ihrer Ablehnung von rein kaptitalfreundlichen Gesetzen wie dem „Ley Monanto“ und Freihandelsabkommen zwischen ungleichen Partnern steht die guatemaltekische Bevölkerung nicht allein – im Gegenteil. Auch in anderen lateinamerikanischen Staaten gab und gibt es massiven Protest und Widerstand gegen die jeweilige nationale Variante des Monsanto-Gesetzes und entsprechenden Freihandelsabkommen. Mit der jetzigen Aufhebung des „Ley Monsanto“ in Guatemala – und dem damit verbundenen Vetragsbruch von DR-CAFTA – ist allerdings ein Präzedenzfall geschaffen worden, dessen Auswirkungen derzeit noch kaum abzuschätzen sind.

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