Kolumbien | Nummer 423/424 - Sept./Okt. 2009

Vorsicht mit den fremden Mächten

Das Abkommen zwischen Kolumbien und den USA über militärische Kooperation wird von vielen südamerikanischen Regierungen stark kritisiert

Auf dem UNASUR-Gipfel Ende August im argentinischen San Carlos de Bariloche debattierten die südamerikanischen Staatschefs über die wachsende Militärpräsenz der USA in Kolumbien. Zwar wurde die Skepsis der Nachbarländer über das Abkommen deutlich, doch zu einer expliziten Verurteilung des Vertrags kam es nicht.

Thilo F. Papacek

„Vorsicht walten lassen und Suppe essen hat noch niemandem geschadet!“ Der brasilianische Präsident Luis Inácio „Lula“ da Silva liebt es, seine politische Position in der Form von Sprichwörtern auszudrücken. Und so erklärte er auch seine Skepsis gegenüber dem „Abkommen über Kooperation in militärischen Fragen“ zwischen Kolumbien und den USA vom 14. August mit einer so genannten Volksweisheit. Grund für die Vorsicht sieht Lula in der langen Grenze im Amazonasgebiet, die Brasilien mit Kolumbien teilt. Er wies darauf hin, dass Industrienationen an den natürlichen Ressourcen in der Region interessiert sein könnten.
Mit dem Abkommen bekommt das US-Militär Zugang zu drei Luftwaffenstützpunkten der kolumbianischen Luftwaffe, zwei Stützpunkten der Armee, sowie zu zwei Marinestützpunkten. Offiziell ist es „nur“ eine Ausweitung des Plan Colombia aus dem Jahr 2000, mit dem die USA Kolumbien bei der Bekämpfung von Drogenhandel und der Guerilla Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) helfen wollten. Doch schon der Plan Colombia hat vehemente Kritik aus allen Teilen der Welt, insbesondere natürlich in Lateinamerika, hervorgerufen.
So verwundert es nicht, dass die Skepsis gegenüber der militärischen Kooperation zwischen den USA und Kolumbien nicht nur von Lula ausging. Auf dem außerordentlichen Gipfel der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), der am 28. August in San Carlos de Bariloche tagte, äußerten sich fast alle anwesenden Regierungschefs kritisch über die wachsende Präsenz US-amerikanischer Militärs in Kolumbien.
Insbesondere die Präsidenten Ecuadors und Boliviens, Rafael Correa und Evo Morales, verurteilten das Kooperationsabkommen. Evo Morales verlangte, dass die UNASUR generell den Aufbau von fremden Militärbasen in Südamerika unterbinden solle. „Wenn hier niemand eine Militärbasis will, warum können wir nicht einfach hier und jetzt ein Dokument unterschreiben, das besagt, dass die südamerikanischen Präsidenten keine ausländischen Basen akzeptieren?“ fragte er. Wohl um Kolumbien nicht zu eindeutig zu verärgern, einigte man sich im Abschlussdokument der Konferenz auf die diplomatischere Formel, dass Südamerika eine „Friedenszone“ bleiben solle und fremde Basen zu verurteilen seien, die den Frieden der Region gefährden könnten.
Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe verteidigte auf dem Treffen in Bariloche den Deal mit den USA. Er richte sich ausschließlich gegen Drogenhändler und die FARC-Guerilla. Und schließlich sei nichts Besonderes dabei. Immerhin seien seit 1952 US-Truppen in Kolumbien anwesend. Darauf fragte Lula, wie effizient denn dann diese Militärhilfe sei: „Wenn uns unser Kollege Uribe zeigt, dass die US-Basen bereits seit 1952 in Kolumbien existieren, dann will ich – ganz liebevoll – sagen, dass, wenn die Basen seit 1952 existieren und es noch immer keine Lösung für die Probleme gibt, wir über eine andere Möglichkeit nachdenken sollten, um die Probleme zu lösen.“
Uribe verwies auch darauf, dass laut dem Abkommen zwischen den USA und Kolumbien die Kontrolle der Basen bei den kolumbianischen Streitkräften verbleiben würde. „Was auch immer der Inhalt des Vertrags zwischen den USA und Kolumbien besagt, die kolumbianische Verfassung erlaubt nicht, dass [von diesen Basen aus] Truppenverschiebungen getätigt werden“, erklärte er weiter. Es gehe also, so Uribes Schlussfolgerung, keine Gefahr für die anderen südamerikanischen Ländern von der US-Militärpräsenz in Kolumbien aus.
Dagegen hielt Rafael Correa, dass Kolumbien dies nicht kontrollieren könne. Er verwies auf eine Klausel im Abkommen zwischen den USA und Kolumbien, wonach Mitglieder der US-Streitkräfte nicht von einem kolumbianischen Gericht verurteilt werden dürften. Wenn ein US-Militär gegen geltendes Recht verstoße, müsse er, nach dem Vertrag vom 14. August, in den USA verurteilt werden. So sichert sich das US-Militär – trotz der so sehr betonten kolumbianischen Kontrolle der Stützpunkte – extraterritoriale Gerichtsbarkeit für ihre Angehörigen. Wenn nun, so spekulierte Correa, von den US-Basen in Kolumbien Ecuador oder ein anderes Land angegriffen werden sollte, könnten die Militärs ebenfalls nicht von einem lateinamerikanischen Tribunal verurteilt werden.
Ebenso sieht der venezolanische Präsident Hugo Chávez sich von der wachsenden US-Militärpräsenz bedroht. Er fühle sich „im Blickpunkt der Basen“, sagte er, als am 14. August die Nachricht über das neue Abkommen veröffentlicht wurde. Er glaube, dass die Basen der Auslöser für einen Krieg in Südamerika sein könnten.
Die Spannungen zwischen Venezuela und Kolumbien haben sich zusätzlich verstärkt, als Kolumbien Venezuela beschuldigte, die Guerilleros von der FARC mit schwedischen Waffen ausgestattet zu haben. Daraufhin rief Caracas seinen Botschafter in Bogotá zurück – inzwischen veröffentlichte der südamerikanische Fernsehsender Telesur Videoaufnahmen, die belegen, dass kolumbianische Guerilleros von dem Nationalen Befreiungsheer ELN die Waffen von venezolanischen Grenztruppen erbeutet hätten. Wie sie danach zur FARC gekommen sind, ist aber immer noch ungeklärt.
Die anderen südamerikanischen Staatschefs haben durchaus Recht zu hinterfragen, ob sich die US-Militärpräsenz nur gegen die Guerilla FARC und den Drogenhandel in Kolumbien richtet. Insbesondere der venezolanische Präsident Hugo Chávez verwies auf eine veröffentlichte Studien des Aerial Mobility Command der USA. In diesem Papier werden die kolumbianischen Stützpunkte als wichtige Posten für strategische Flugzeuge genannt. Zwar seien die Basen gar nicht für größere Truppenverschiebungen ausgelegt, aber auf dem Weg nach Afrika und in andere Regionen Südamerikas könnten strategische Transportflugzeuge des Typs C 17 von den Basen aus aufgetankt werden. Und solche Tankstellen brauchen die USA derzeit. Im November läuft nämlich das Nutzungsabkommen zwischen Ecuador und den USA über den Militärstützpunkt Manta aus und wird nicht verlängert, da die neue ecuadorianische Verfassung ausländische Militärbasen in dem Andenstaat verbietet. Wollen die USA nicht ihre militärische Mobilität auf der Südhalbkugel verlieren, brauchen sie also dringend Ersatz. Kleinere „Expeditionsbasen“ wie die in Kolumbien, können dabei also von Nutzen sein. Überhaupt plant das US-Militär eine Verschiebung ihrer Strategie, weg von großen Basen überall auf der Welt, hin zu mehr Mobilität. Dadurch wächst gerade die Bedeutung kleinerer Basen wie der in Kolumbien.
Solche Veröffentlichungen aus den Führungskreisen des US-Militärs selbst verstärken natürlich die Skepsis der südamerikanischen Staatschefs, ob die Basen wirklich nur für den Gebrauch innerhalb Kolumbiens gedacht sind. Deshalb forderten mehrere Staatschefs, darunter Lula und Correa, dass Präsident Obama sich mit den Präsidenten der UNASUR treffen und seine Pläne für die Lateinamerikapolitik erklären sollte. Zusätzliche Spannung in das Thema bringt die Tatsache, dass Uribe regelmäßig die Regierungen Ecuadors und Venezuelas beschuldigt, die Guerilla FARC zu unterstützen. Auf dem Gipfel in Bariloche behauptete er erneut, dass zwei hochrangige FARC-Funktionäre sich in Venezuela aufhalten würden. Die Nachbarn Kolumbiens befürchten nun, dass die vorgebliche Unterstützung der FARC den USA als Anlass dienen könnte, sie von den kolumbianischen Basen aus anzugreifen. Deshalb wies auch Rafael Correa die Vorwürfe, Ecuador biete der FARC einen sicheren Hafen, vehement zurück: Die Präsenz der FARC in der Grenzregion sei ein kolumbianisches Problem, sagte er auf dem Gipfel. Er verlangte dagegen, dass Kolumbien gefälligst die Grenzen besser bewache.
Obwohl die Staatschefs sich über sieben Stunden in Bariloche austauschten, blieb es am Ende bei dem besagten Abschlussdokument, dass nur indirekt das Abkommen zwischen USA und Kolumbien verurteilte. Schuld daran, dass keine endgültige Lösung für den Konflikt gefunden wurden, sei die Tatsache, dass die Verhandlungen im südamerikanischen Fernsehen direkt übertragen wurde, meinte Lula. Alle Staatschefs wären zu sehr darum bemüht gewesen, in ihren jeweiligen Ländern den richtigen Eindruck zu hinterlassen, anstatt wirklich auf eine Lösung hinzuarbeiten. „Wenn alles übertragen wird, sagen die Leute nicht, was sie wirklich denken“, meinte der brasilianische Staatschef.
Doch auch ohne verschlossene Türen zeigte sich, wie isoliert der engste Verbündete der USA in Lateinamerika, Álvaro Uribe, inzwischen auf dem Subkontinent ist. Seine Stimmung wird sich bestimmt nicht verbessert haben, als er kurz nach dem Treffen an der Schweinegrippe erkrankte. Vielleicht hört er ja auf Lulas Rat: Hühnersuppe soll sehr gut bei grippalen Infekten helfen.

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