Kolumbien | Nummer 531/532 - September/Oktober 2018

WEITER QUERELEN UM STAUDAMM HIDROITUANGO

Notfallevakuierte zum Teil noch immer in behelfsmäßigen Unterkünften, während Verantwortliche um die Schuldfrage streiten

Um den im Mai beinahe gebrochenen Staudamm Hidroituango – rund 170 Kilometer nordöstlich von Medellín am Fluss Cauca gelegen – gibt es weiter Ärger und Querelen. Und nun geraten auch deutsche Versicherungsfirmen unter Druck.

Von Christian Russau

Foto: Flickr.com / Hidroituango (CC BY 2.0)

Der mit geplanten 2,4 Gigawatt künftig größte Staudamm Kolumbiens, Hidroituango, der im Mai dieses Jahres kurz vor dem Bruch stand, weswegen zehntausende Menschen zwischenzeitlich zwangsumgesiedelt werden mussten, sorgt weiter für erbitterten Streit. Während hunderte Zwangs­evakuierte in überfüllten Behelfsunterkünften ausharren, die Widerstandsbewegung Ríos Vivos weiterhin vor den anhaltenden Risiken warnt, weist der Kontrollrechnungshof in seinem neuesten Prüfungsbericht auf 35 Konstruktionsfehler und Unregelmäßigkeiten bei Hidroituango hin.

Daraufhin ließ der Gouverneur des Departamentos von Antioquia, Luis Perez, erklären, für die Planungsfehler sei die unter Vertrag genommene Baufirma verantwortlich, es würden jedenfalls keine weiteren öffentlichen Gelder für den Bau bereitgestellt werden.

Indessen ließ die staatliche Mehrheitseigentümerin IDEA erklären, sie hoffe, dass die Versicherung den absehbaren Schaden der in Zukunft entgangenen Gewinne den Eigentümern von Hidroituango entschädigen werde. Die Versicherungspolicen decken LN-Recherchen zufolge insgesamt bis zu 3,178 Milliarden US-Dollar ab. Mit bis zu 2,55 Milliarden US-Dollar werden dabei Schäden am Bau und an Maschinen abgedeckt. Weitere 628 Millionen US-Dollar decken die sogenannten „entgangenen Gewinne“ ab. Die Versicherungspolicen indes sehen keine Versicherungsleistungen für Schäden bei Dritten vor. Die Betroffenen gehen beim Versicherungsschutz mal wieder leer aus.

An der Versicherung führend beteiligt ist die Allianz: Deren kolumbianische Tochterfirma ließ auf ihrer Internetseite erklären, dass sie „seit mehreren Wochen die notwendigen Arbeiten voranbringen, um für den Fall bereit zu sein, in dem es erforderlich werde, die Abdeckung ihrer Vertragspolitik zu aktivieren und sofortige Hilfe zu leisten.“

Wie bei solchen Großprojekten üblich wurde die Versicherung für den Fall von Großschäden durch eine Rückversicherung abgesichert. Diese wird normalerweise durch eine Vielzahl an international agierenden Rückversicherern gepoolt, um den potentiellen Großschaden auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Führend bei der Rückversicherung von Hidroituango ist der weltgrößte Rückversicherer, die Münchener Rück. Diese sah sich Anfang August gezwungen, einen „Schadensfall in dreistelliger Millionenhöhe“ im Zusammenhang mit dem Staudamm Hidroituango bekanntzugeben. Auch die Hannover Rück musste den gleichen Schritt vollziehen: Deren Finanzchef Roland Vogel aber erklärte, die Hannover Rück erwarte „vergleichsweise geringe Belastungen“ aus dem Zwischenfall. Die Hannover Rück dürfte „der Fall einen niedrigen zweistelligen Millionen-Betrag kosten“, so Vogel.

Weitere Informationen wollten die Versicherungskonzerne den Medien gegenüber nicht preisgeben. Versicherungskonzerne berufen sich in solchen Fällen üblicherweise stets auf Gründe der „Kundenvertraulichkeit“. Die Öffentlichkeit erfährt über solch kritische Großstaudamm-Geschäftsbeziehungen meist erst dann etwas, wenn es größere Unfälle gibt – also dann, wenn der Schaden eine solche Größe erreicht, dass eine Stellungnahme der Firma aus Pflicht zur Kapitalmarktinformation erfolgen muss.

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