In eigener Sache | Nummer 486 - Dezember 2014

Wie funktioniert das LN-Redaktionskollektiv?

Eine Reportage in eigener Sache

Recherchieren, kontaktieren, schreiben, redigieren, transkribieren, übersetzen – jeden Monat verbringen wir freiwillig viele, viele Stunden mit der Produktion der neuen LN. Dass unser Redaktionskollektiv seit über 40 Jahren ehrenamtlich, solidarisch und unabhängig zu Lateinamerika berichtet, wissen vermutlich die meisten unserer Leser_innen. Doch was muss eigentlich passieren, damit das Heft zuverlässig in euren Briefkästen landet? Und wer ist eigentlich die Redaktion?

Die LN-Redaktion

Nach dem Heft ist vor dem Heft

Jeden Donnerstag tagt die LN-Redaktionskonferenz im Dachgeschoss des Mehringhofs in Kreuzberg, das wir gemeinsam mit anderen Vereinen nutzen. Dabei gilt: nach dem Heft ist vor dem Heft. Der erste Donnerstag im Produktionszyklus ist Verschickungstag. Gemeinsam versehen wir die druckfrischen Lateinamerika Nachrichten mit Adressaufklebern und schnüren sie in nach Postleitzahlen sortierten Bündeln zusammen. Dabei blättert bereits die eine oder der andere durch das neue Heft und nicht selten wird es Opfer erster Kritik. Die LN haben es bei den LN nicht immer leicht. Dennoch ist es immer wieder ein kollektiv-schöner Moment, das Ergebnis unserer Arbeit in den Händen zu halten.
Direkt nach der Verschickung beginnt die erste Redaktionssitzung für das neue Heft, bei der sich auch die stets wechselnde neue Heftleitung findet, die aus zwei bis drei Redaktionsmitgliedern besteht. Am Anfang dieser und jeder folgenden Redaktionssitzung heißt es zuerst: „Was ist wichtig?“ Wir sammeln Ideen, fragen uns, über welches aktuelle Thema wir aus „LN-Perspektive“ berichten wollen. Artikelkoordinator_innen und Autor_innen werden festgelegt und Interviewtermine vergeben. In der ersten Sitzung nach der Verschickung machen außerdem zwei Mitglieder der Redaktion eine ausführliche Heftkritik.

“Ich als Kolumbianerin und Redaktionsmitglied schätze es, eine stets kritische Berichterstattung mitzugestalten, durch die Menschen in Europa an die absurden Verhältnisse erinnert werden, die in manchen lateinamerikanischen Ländern herrschen. Unsere starken persönlichen Bindungen zu Lateinamerika motivieren uns immer wieder dazu, mehr zu lernen, zu recherchieren und zu schreiben.”
Daniela Rivas Grajales, Studentin

Wer steckt dahinter?

Die vierte Sitzung ist zugleich der Redaktionsschluss, hier werden bereits Artikel zur Erstkorrektur vergeben. In der Umbruchwoche, der letzten im LN-Zyklus, werden die vorliegenden Artikel dann redigiert und, wenn möglich, auch schon layoutet. Wie immer bei LN kann jedes Redaktionsmitglied jeden Arbeitsschritt übernehmen.
Am Samstag nach der letzten Donnerstagsitzung stellen wir das Heft dann gemeinsam fertig: Erst-, Zweit- und Layoutkorrektur wandern von Hand zu Hand und von Ordner zu Ordner. Ein gutes Titelbild will gefunden werden und das aktuelle Editorial wird gemeinsam besprochen. Meistens sind wir vor Mitternacht fertig …
Am Sonntag prüfen unsere begabtesten Layouter_innen noch einmal das gesamte Heft, Bilder werden nachbearbeitet und Seitenzahlen erstellt. Am Montag wird die fertige Datei, das sogenannte „Buch“, schließlich an die Druckerei geschickt.

“Als langjähriger Redakteur beim SFB und bei der Deutschen Welle mit dem Arbeitsschwerpunkt Lateinamerika waren die Lateinamerika Nachrichten für mich immer eine zuverlässige Quelle und manchmal auch ein wichtiges Korrektiv!”
Norbert Ahrens, Journalist und Autor

Unser Redaktionskollektiv ist auf den ersten Blick nur schwer auf einen Nenner zu bringen. Das Alter beginnt bei Anfang zwanzig und geht bis in die fünfziger. Die Redaktionssitzungen sind grundsätzlich offen und fast jede Woche gibt es Anlass zu einer Vorstellungsrunde, weil neue Mitglieder vorbeischauen. Wenn alle ihre Interessen- und Arbeitsschwerpunkte nennen und von der persönlichen LN-Erfahrung berichten, reichen die Aussagen von „heute das zweite Mal dabei“ bis „seit vor dem Mauerfall“. Unser Kollektiv besteht aus professionellen und angehenden Journalist_innen, Studierenden und Lateinamerika-Interessierten, viele haben längere Zeit in Lateinamerika gelebt, gearbeitet oder eine bi-nationale Familiengeschichte.

Warum machen wir das?

Anfang der 1970er Jahre gründeten Westberliner Aktivist_innen aus Solidarität mit der Regierung von Salvador Allende die Chile-Nachrichten. Kurz darauf entstand auch das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika, mit dem die LN bis heute verbunden sind. Die enorme Nachfrage nach Informationen über die politischen Entwicklungen in ganz Lateinamerika und der Karibik führte zu einem immer größeren Themenspektrum in den Chile-Nachrichten und schließlich, im Sommer 1977, zur Umbenennung in Lateinamerika Nachrichten. Seither haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Leerstelle in der deutschsprachigen Berichterstattung über Lateinamerika mit gründlich recherchierten, kritischen und detaillierten Reportagen, Nachrichten und Analysen zu füllen.
Unser Korrespondet_innen-Netzwerk in und zu Lateinamerika ist umfangreicher und stabiler als das der meisten deutschsprachigen Medien. Und das, obwohl wir „nur“ ehrenamtlich arbeiten. Wir machen weiter, weil LN uns am Herzen liegt, weil uns ihr Erscheinen heute mindestens genau so wichtig ist wie vor vierzig Jahren, weil sie für uns ein Solidaritäts- und Verbindungspunkt zu dem Kontinent ist, zu dem wir alle eine besondere Beziehung haben. Wir machen auch weiter, weil wir jeden Donnerstag auf den Sitzungen sehen, dass das Interesse groß ist. Groß ist auch die Notwendigkeit, das bestätigen die täglichen Meldungen, die uns von der anderen Seite des Atlantiks erreichen. Euer – unser – Heft ist Zeitzeuge aller historischen Momente der zeitgenössischen Geschichte Lateinamerikas. Wir finden, dass das auch weiterhin so sein sollte.

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren