Guatemala | Nummer 276 - Juni 1997

“Wir haben Guatemala geformt…”

Chronik eines Dokumentarfilms über Deutsche in Guatemala

“Wir haben Guatemala sozusagen geformt…”, erklärt selbstbewußt der potente deut­sche Unternehmer in seinem gepflegten Büro in Guatemala-Stadt. Der “wichtigste Mann im Land”, an den Wänden x-mal abgelichtet mit einflußreichen Männern der Ge­sellschaft, darunter die letzten Präsidenten, Uwe Seeler und der Papst. Kurze Szene eines Dokumentarfilms, der Geschichte und Gegenwart der Deutschen in Gu­a­te­mala zum Thema hat und Ende des Jahres fertiggestellt sein wird. Ei­ner der Au­to­ren des Films bedient sich einiger unvollständiger Geschichten der Re­cherche und der Dreharbeiten, um den LeserInnen das Thema und den Film näherzubringen.

Uli Stelzner

Guatemala-Stadt, 1993
“Es lebe das Deutschtum”, Teil I

Gläser klingen, Wein und Bier fließt. Vornehm­lich weiß lackierte Karossen fahren vor. Die Aso­ciaciòn de damas gua­temaltecas-alemanas (Ver­ei­ni­gung guatemaltekisch-deutscher Damen) hat ei­nen schwarz-rot-gold/weiß-blau ge­blümten Kranz im Foyer postiert. Die Asociación de Hum­boldt, im Volksmund “Deutscher Club”, hat gela­den. Die Deutsche Ge­meinde trifft sich zur alljäh­rigen Wie­dervereinigungsfeier. Der Botschafter mahnt in seiner Rede zu Toleranz, Verantwortung und Soli­darität in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Nie­mand scheint ernsthaft interessiert, Deutsch­land ist weit weg und diese Tugenden sind in Gua­temala weniger gefragt. Mit dem Ende der Natio­nalhymne kommt Leben in das sonnige Gefilde zwischen Sonnenschirmen und Swimmingpool. Die Kamera bewegt sich auf Gäste zu: “Wer sind Sie”?
Der alte Plastikfabrikant: “Ich bin die 3.Generation, 100 Pro­zent deutsch abstämmig aus, äh, hier in Guatemala ansässig. Mein Großvater ist seinerzeit eingewandert, er hat sich hier ausge­brei­tet im Kaffeeanbau. Durch den Krieg, 2.Weltkrieg, haben hier sehr viele Deutsche ihren Besitz verloren und es wurde uns hier das ganze Ei­gentum entnommen. Ich bin dann wieder zu­rückgekommen, nach­dem wir durch diese Sache in den Staaten interniert wurden und dann später ge­gen amerika­nische Kriegsgefangene ausge­tauscht wur­den.Und wir kamen zurück, praktisch zu nichts. Heute hab ich mir einen Platz erobert in unserer Gemeinschaft und wir sitzen hier in unserem Deut­schen Club, wo wir schöne Zeiten verleben, wo wir un­ser Deutschtum wieder erkennen und wo wir un­ser Deutschtum erleben und unsere deutschen Freunde wiedersehen. Und an­dere Leute kennen­lernen, wie zum Beispiel die Herrschaften, die jetzt bei mir sitzen (verweist auf Tischnachbarn) und die Ar­beiten machen in unseren Ur­wäldern für die richtige ökologi­sche Ausbeutung…”
Bratwürste, Sauerkraut und Erdbeeren, Wein von der Mosel und aufgelockerte Stimmung. Man ist unter sich, ausgelassen und gut gelaunt.
Die Hemdsärmeligen: “Was, aus Deutschland sind Sie? Mensch, hier Deutsches Fernse­hen … wir sind Banker, Ree­dereivertreter, Spediteure, Kaf­feehändler, was Sie wollen….wir sind mal ausge­wandert und füh­len uns immer noch wohl. -Zwi­schenfrage- Ja, hier sind schon mal Reportagen gemacht wor­den. Da haben wir uns vollkom­men gegen gewehrt … die haben alles verdreht, Foto­montagen gemacht, oben die Reichen, un­ten die armen Indianer…”

Hamburg, 1994
Die Recherche zeigt…

Das doppelseitige Titelfoto einer Ausgabe des “Stern” von 1980 präsentiert zwei deutsche Groß­grundbesitzer vor ihrer avioneta, einem kleinen Sport­flugzeug, mit dem man in Guatemala auf seine Fincas zu fliegen pflegt, seit es auf dem Lande so gefährlich geworden ist. Vater und Sohn, beide sind bewaffnet. Aufreißerischer Titel: “Wir wissen, daß wir die nächsten sind.” Der Artikel ist besser als der Titel: Der Autor schreibt von extre­men sozialen Gegensätzen, Bürgerkriegszustand, 37 Toten bei der Stürmung der spanischen Bot­schaft, die von campesinos besetzt worden war. Der Autor zu Besuch bei deutschen Bankern und Kaffeehändlern: “Die Bankleute haben Angst vor der Revolution. Jetzt schnell das Geld aus dem Land holen, bevor die Scheiße hier los geht.” Ei­nige Zeilen darunter: “70 Prozent des Kaffeehan­dels liegt in den Händen Deutscher oder Deutsch­stämmiger.”

Stuttgart, 1993-1995
Kontinuitäten

Das Archiv des Instituts für Auslandsbeziehun­gen (ifa) in Stuttgart, vor dem 2. Weltkrieg “Deut­sches Auslands-Institut”. Alte Kolonial­schriften, vergilbte Fotos, ein Artikel eines gewis­sen Fried­rich Karl v. Erckert über “Die wirtschaft­lichen In­teressen Deutschlands in Guatemala” von 1904:
“Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß in keinem außerdeutschen Gebiete, unsere eigenen Kolonien nicht ausgenommen, ein, wenn nicht ab­solut, so doch relativ so umfangreicher und örtlich so konzentrierter ländlicher Grundbesitz in deut­schen Händen ist wie in Guatemala. … Wenn man nur die für den eigentlichen Plantagenbetrieb ge­eigneten Distrikte ins Auge faßt, sind gerade diese fruchtbaren Landstriche im Besitz von Deutschen. Die Zunahme der deutschen Interessen ging mit der Entwicklung des Landes gleichen Schritts, ja letztere war bis zu einem gewissen Grade die Wir­kung der ersteren. …
Überhaupt spielen unsere Landsleute wirt­schaft­lich die Hauptrolle. 3/5 des Kaffees wurden 1897 von ihnen produziert, und die Handelshäuser Ger­lach, Sapper, Nottebohme nebst ihren Filialen monopolisieren so ziemlich den Handel.”

Guatemala-Stadt, 1995
Ministerängste

Ein gut bewaffneter Wachposten öffnet das 2,50 Meter hohe Eisentor. Ein Großraumbüro, unzäh­lige Computer on-line zur New Yorker Börse, Hemds­ärmelige. Ein Vorgespräch liegt hinter uns. Man ist vorsichtig in Guatemala. zwei Jahre stille Be­mühungen, um hier zu drehen. Don Fritz emp­fängt uns. Weißes Hemd, Jeans, locker, man ist so­fort auf Du. “Die starke deutsche Tradition in der Kaffeeproduktion ist leider nach dem Kriege fast verschwunden, seitdem ist überwiegend der Kaf­fee­handel in deutscher Hand geblieben. Gua­te­ma­la war schon immer ein interessantes Land für deut­sche Einwanderer. Der deutsche Immigrant hat sich immer schnell zurechtgefunden. Die deut­sche Disziplin, die deutsche Zähigkeit, die deut­sche Zuverlässigkeit, verbunden mit dem lockeren und freundschaftlichen Leben in Guatemala ist an­schei­ndend eine optimale Kombination und man sieht es an der gesamten deutschen Kolonie: fröh­liche, glückliche und erfolgreiche Leute.”
-Zwischenfrage- “Unsere Firma exportiert heut­zu­tage um die 500.000 Exportsäcke Kaffee. Das ist 20 Prozent der Landesproduktion, das Vo­lumen in Guatemala hat damit auch ein Limit ge­funden, nich. Wir exportieren 60 Prozent unserer Produk­tion nach Deutschland. Unsere Firma ist im gan­zen Land vertreten, obwohl die Verkehrsver­bindungen nicht optimal sind … Guatemala ist ein Land mit totaler Handelsfreiheit … wir haben ein furchtbar sprunghaftes Jahr gehabt … spektaku­läre Preiserhöhung an der New Yorker Börse … .
-Zwischenfrage- Die Gründerfamilie dieser Fir­ma hat eine lange Tradition im Land, seit Beginn des Jahrhunderts. -Zwischenfrage- Die familiäre Sei­te sollten wir nicht unbedingt rein nehmen, das ha­ben die Inhaber nicht so gerne, das schneidet ihr dann raus, nich?” – Ja, natürlich.

Guatemala – Deutschland, 1897 – 1996
Kontinuitäten

I. Die Firma des Geschäftsführers Don Fritz ist im Familienbesitz der Firma Nottebohm. Es gibt in Guatemala ein Sprichwort: Dios protega nuestros hijos de Schlubbach, Sapper, Nottebohm. Zu deutsch: Gott behüte unsere Söhne vor Schlub­bach, Sapper, Nottebohm. Nottebohm ist zu Be­ginn des Jahrhunderts das alles dominierende Han­delshaus in Guatemala.
II. Die Firma des Don Fritz heißt heute Agro Comercial. Die zweite, ebenfalls große Kaffee-Ex­portfirma der Familie Nottebohm heißt Trans-Café und erhielt von der guatemaltekischen Regie­rung 1995 das Goldene Band für das best geführte­ste Unternehmen des Landes.
III. Don Fritz ist wenige Monate nach diesem Gespräch Kommunikationsminister. Die Politana­lysen hatten Recht: Die Regierung Arzú besteht aus Angehörigen der reichsten Familien des Lan­des. Und das neoliberale Wirtschaftsprogramm wird von Don Fritz nach kurzer Zeit in seinem Mi­nisterium in die Tat umgesetzt: erste Massenent­lassungen in seinem Ministerium, Streiks, die bald im Sande verlaufen …

Guatemala-Stadt, 1993
“Es lebe das Deutschtum”, Teil II

Etwas später, das Bier fließt weiter und der deutsche Botschafter hat den Club verlassen, nicht ohne sich vorher vertrauensvoll auf das Filmteam zu verlassen: “Treten Sie den Leuten hier nicht zu nahe, bitte.” Seine Einladung zur Besteigung des Vulkans Pacaya unter Begleitung von Beamten des deutschen Innenministeriums nehmen wir vorerst an. Endlich wird uns der wichtigste Mann im Land vorgestellt: der Prototyp eines erfolg- und einfluß­reichen Geschäftsmannes, eine wahrhaft sprung­hafte Karriere. Doch zur Sache:
“Wir sind eigentlich hier sehr zufrieden, wir hal­ten hier unsere Position, der Guatemalteke ist auch ein Autonarr, kauft gerne sofisticated cars, und auf dem Nutzfahrzeugesektor sind wir stark ver­treten … und im Stadtbus haben wir 80 Prozent Markt­anteil, wir sind im Überlandbusverkehr sehr stark, und können uns eigentlich nicht beklagen, das Geschäft läuft recht gut.”
-Zwischenfrage- der mozo schenkt nach …
“Ja also, wenn Sie beobachten, daß Firmen wie Hoechst und Bayer ihre Produktionsstätten hier in Gu­atemala haben, die haben sich das auch über­legt, wo ist also das größte Land und der größte Ab­satz für ihre Produkte und alle haben sich also hier angesiedelt. Guatemala hat den Nachteil, po­litisch gesehen, daß es ja bekannt ist als ein Land, das also sehr viele Probleme mit Menschenrechten hat, aber wirtschaftlich ist es also so bedeutend, be­deutender wohl als jedes einzelne Land in Zen­tral­amerika. -Zwischenfrage- Auf der ganzen Welt sterben Menschen. Auch in Deutsch­land schlägt mal einer einem andern ‘n Stein aufn Kopf. Hier wird das also immer gleich hingestellt, als wenn das was mit Menschenrechts­ver­letzungen zu tun hätte. Bedauerlich, daß Gua­te­ma­la sich diesen Mantel nie abstreifen kann. -Zwischenfrage- Ja, die 80er Jahre waren sehr betrüblich, Sie wis­sen, der Kommunismus hat hier gekämpft … -Zwi­schenfrage- Der Indianer trägt nicht viel zum wirt­schaftlichen Leben bei … Wenn der zum Bei­spiel nach zwei Tagen sein Geld zusammenhat, was er für die Woche braucht, dann kommt er nicht mehr zum Arbeiten. Das sind also so Dinge, die können Sie erforschen, wenn Sie mal über Land fahren.” -Vielen Dank-

Alta Verapaz, 1995
Landflucht

Wir fahren über Land, befragen Leute am We­gesrand, auf den Fincas … Ausschnitte:
I. “Der erste Deutsche, der hierher kam, hieß Sapper. Die Alten sagen, früher bauten die Leute hier ihren Mais an. Als die Deutschen kamen, kauf­ten sie das ganze Land, mit Blechmünzen. Und al­le, die auf diesem Land lebten, wurden ihre mo­zos, um die Kaffeeplantagen anzulegen.”
II. “Was die Leute sagen ist, daß die Deutschen hier viele Kinder mit Indianerinnen hinterlassen haben. Sie haben sich nie mehr darum gekümmert, denn sobald sie ihre eigene Finca hatten, holten sie sich eine weiße Frau aus Deutschland.”
III. “Leute wie die Deutschen kommen wohl nie mehr nach Guatemala. Die konnten arbeiten, Es herrschte Ordnung und Disziplin, vor allem zu Zeiten des General Ubico.”
IV. “Diese Straße hier hieß früher “Heilige Elena”, denn Elena hieß die Frau des deutschen Verwalters. Sie hat sich später vergiftet. – Zwi­schenfrage- Sie wollte einen Hiesigen heiraten, aber sie ließen sie nicht …”

Guatemala – Deutschland, 1897 – 1995
Herren denken, Herren handeln

Ia. Die französische Zeitung “Le Monde Diplo­matique” schreibt 1979:
“In Alta Verapaz toben heftige Landkonflikte. … Pläne für den Bau einer neuen Straße verschlim­mern die Situation. Angelockt durch steigende Preise der Ländereien beansprucht der Kaffee­pflanzer Richard Sapper 1300 ha Land der Keck­chí-Dörfer Secuachil, Semococh und Yalicoch. Die Bewohner verfügen nicht über Besitzurkunden und werden mit Gewalt vertrieben. Die Landkonflikte eskalieren im Massaker von Panzos am 29. Mai 1979.”
Die Recherche zeigt: Der Schießbefehl kam von Otto Spiegeler, General und Verteidigungsmini­ster.
Ib. Der Pfarrer in San Pedro Carcha:
“Ja, Sapper. Erst in den Jahren 1986,1987,1988 verbrannte er die Ernten dreier Gemeinden. Er behauptete, es sei sein Land.”
II. Eine Gesundheitsstation auf einer deutschen Finca im Polochic-Tal (1995):
Hier wird Präventivmedizin geleistet. Die Ka­mera läuft: Der Finquero: “Auf unserer Finca le­ben 1200 Leute. Wieviel haben sich sterilisieren las­sen?” Die Angestellte: “10 Familien!” Der Fin­quero: “10 Familien von 200. Das sind fünf Pro­zent. Die denken nicht an Familienplanung. In zehn Jahren weiß ich nicht mehr, was ich machen soll.” Sein Vater, 96 Jahre, Pionier des Kaffeean­baus, aus dem Hintergrund: “10-12 Kinder kann ‘ne Indianerin kriegen.”
Zwei Tage später gesteht der Alte: “Zuerst hatte ich ja fünf Kinder mit einer Hiesigen, so ‘ne ganz einfache Indianerin, wie sie halt hier sind. Die wa­ren aber schon 75 Prozent rassisch, denn die hatte schon nen deutschen Vater. Später hab’ ich dann meine deutsche Frau geholt, mit der hab’ ich auch fünf Kinder.”
III. Alta Verapaz, Österreich, Guatemala-Stadt Filmarchiv (1936-1995):
Die Regierung des General Ubico in den 30er Jahren: Gewaltherrschaft in Guatemala, es herrsch­te Ordnung und Disziplin, das berüchtigte ley fuga. Kriminellen und Oppositionellen wurde gesagt: “Du bist frei.” Nach zehn Metern Freiheit wurden sie hinterrücks erschossen.
Ubico war vor seiner Machtüber­nah­me Wegein­spek­tor in Alta Ver­apaz, dem imperio ale­mán. Er­win Paul Die­seldorff, Kaf­fee­ba­ron und Ur­groß­va­ter des ge­gen­wär­ti­gen Vorsit­zenden des Kaffee­pro­du­zen­tenverbandes ANA­CAFE, über­setzt für Ubico das Skla­vengesetz aus Deutsch-Südwest­af­ri­ka. Ubico erläßt es als das “Gesetz ge­gen das Va­ga­bun­den­tum”: landlose In­dígenas werden ge­zwun­gen, auf den Fin­cas oder im Stra­ßen­bau zu ar­beiten.
Das Filmarchiv zeigt: vor dem Na­ti­onalpalast defilieren die Motorräder aus Deutsch­land für die Po­lizei Ubicos. Deut­sche defilieren mit Hitlergruß. Eine SA-Formation aus Deut­schland grüßt den Präsidenten.
Ein Fotoalbum in Öster­reich offen­bart: Haken­kreuz­fah­nen auf den Fin­cas, im Deutschen Club, auf den Sport­festen…
Mathilde Diesel­dorff de Quirin, 97 Jahre, Tochter des Erwin Paul Die­seldorff, Gründer des Kaf­fee-Imperio alemán, sagt: “Ja, sie waren sehr für Hitler, und mein Mann war einer der viel sprach.”

Guatemala, 1942 – 1954 – 1995
Adenauer sagt…

Pearl Harbour, U-Boot-Krieg in der Karibik. Eine Nachrichten-Relais-Station auf einer deut­schen Finca in der Alta Verapaz vermittelt ver­schlüsselte Nachrichten von deutschen U-Booten ins Führerhauptquartier nach Berlin. Die USA be­sinnen sich auf ihren Hinterhof (Teil I), deportie­ren alle Deutschen und der faschistische Spuk in Guatemala findet ein Ende. Guatemala besinnt sich auf seine eigenen Kräfte. Arevalo und Arbenz hei­ßen die Erneuerer (“O-Ton 1995: “der eine war rot, der andere noch röter und drogensüchtig”). Wir finden verloren geglaubte Filme über eine Re­volution: die Landreform, ein Neubeginn. Bundes­kanzler Adenauer sagt 1952: “Nach Korea und In­dochina ist jetzt Guatemala das Ziel der kommuni­stischen Angriffe.” Die USA besinnen sich 1954 auf ihren Hinterhof (Teil II): Arbenz wird gestürzt, die Zeit der ewigen Diktaturen be­ginnt. (O-Ton 1995: “Dann haben wir mit dem An­ti­kommunismus peu a peu weitergearbeitet”).

Guatemala – Zentralamerika, 1967 – 1984
Wie man mit Antikommunismus Geschäfte macht

Der Zentralamerikanische Markt entsteht. “Gua­temala ist für ein Entwicklungsland fast un­verschämt gesund und stabil” stellt “Die Zeit” 1979 fest. Ausländische Unternehmen investieren: Bayer, Hoechst, Siemens, einfach alle fallen ins Land ein. Billige Arbeitskräfte, keine Steuern, keine Arbeitsgesetze … der Standort Guatemala ver­spricht horrende Gewinne. Dem ehrgeizigsten deutschen Entwicklungshilfeprojekt, dem Wasser­kraftwerk Chixoy, müssen hunderte Indígena-Fa­milien weichen. Im ganzen Land müssen die Indí­genas weichen. Als sie sich wehren, beginnt die Politk der Verbrannten Erde. Anfang der 80er Jah­re sterben zehntau­sende, hunderttausende flüchten.

Guatemala – BRD, 1981 – 1986
Hilfe!

Das Land ist am Boden zerstört. Das Militär & Co. hat gesiegt. Die deutsche Regierung wehrt den Vor­wurf der Waffenlieferung an die Diktatoren ab, lediglich “kleine Handfeuerwaffen” wurden 1981 geliefert.
“Lebensmittel für Arbeit” heißt ein Programm der Armee für die zurückgebliebenen Verlierer. Deutschland (Caritas) spendet Lebensmittel für die Campesinos, die ihre zerstörten Häuser, Straßen, Brunnen sich selbst helfend wieder aufbauen. “De­mo­kratie” heißt kontinentweit das Zauberwort (O-Ton BMW-Vertreter, Enkel von Sapper: “Die hie­sigen müssen spüren, daß die europäischen Sy­steme die besseren sind …”)
Die Demokratie braucht eine Ordnungsmacht. 50 Jahre nach den ersten deutschen Polizei-Motor­rädern für Ubico (zu sehen auf alten 35mm-Film­schnipseln aus Guatemala) defiliert der Hoff­nungs­träger Polizei mit Mercedes-Benz-Gelände­wa­gen und BMW-Motorrädern 1986 vor dem Na­tio­nal­palast. Der Polizeihilfe-Deal wird koordiniert über die Innenministerien beider Länder, finanziert aus dem Entwicklungshilfetopf.

Guatemala-Stadt, 1993
“Es lebe das Deutschtum”, Teil III

Inzwischen sind wir anerkannte Gesprächspart­ner, willige Zuhörer. Nehmen auch einen Schluck.
Der Sesamexporteuer: “Soviel tausende Tote, wir können nicht so weiterleben.” -Zwischenfrage- “Wir müssen weg vom Kaffee, das haben die Leute auch hier erkannt. Wir exportieren heute große Mengen Broccoli, Blumen, Frischgemüse usw. Wir trainieren die Leute, die Leute werden finanziert, sie unterschreiben einen Kontrakt und dann liefern sie das Produkt auch bei Ihnen ab. -Zwischenfra­gen- “Auf Wiedersehen, wenn Sie mal ein Sesam­brötchen essen, denken Sie an mich.”
Der wichtigste Mann im Lande: “Es gibt viele soziale Spannungen, und die lösen sie nur mit Geld, und Geld ist eben Mangelware in Gua­temala.”
Die Lehrerin der Deutschen Schule auf die Frage “Was müßte verändert werden?”: “Die gan­zen Menschen.”
Das Bier fließt weiter, die mozos schenken nach, der Abend endet deutsch-national.


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