Dominikanische Republik | Nummer 312 - Juni 2000

Wirtschaftsboss mit sozialer Ader

Der zukünftige Präsident Hipólito Mejía verspricht einen Wandel für die Armen

Ralf Leonhard

Ein hemdsärmeliger Agrarunternehmer mit engen Verbindungen zur exilkubanischen Gemeinde wird die Dominikanische Republik die nächsten vier Jahre regieren. Hipólito Mejía, 59, verfehlte in den Präsidentschaftswahlen vom 16. Mai die absolute Mehrheit mit 49,87 Prozent der Stimmen so knapp, dass seine beiden Rivalen auf eine Stichwahl verzichteten. Nach 16 Jahren kommt damit die sozialdemokratische PRD (Revolutionär-Demokratische Partei) wieder zum Zug. Mejías vorrangiges Anliegen ist die Bekämpfung jenes Übels, das die letzte PRD-Regierung ebenso wie die eben abgewählte Regierung der Liberal-Demokratischen Partei (PLD) den Verlust der Macht gekostet hat: die Korruption.
Sieben Prozent Wirtschaftswachstum jährlich. So stolze Zahlen kann keine andere Regierung der westlichen Hemisphäre vorweisen. Trotzdem erreichte der Regierungskandidat Danilo Medina mit 24,94 Prozent gerade halb so viele Stimmen wie der Sieger. Denn die Masse der Armen hat von dem Reichtum, der in den letzten vier Jahren ins Land geströmt ist, bestenfalls die Brosamen gesehen und weiß von der Modernisierung nur aus dem Fernsehen. Der einst von Juan Bosch als Linksopposition gegründeten PLD blieb nach dem Wahlsieg 1996 bestenfalls die populistische Rhetorik. Präsident Leonel Fernández zog ein Programm, das dem Rezeptbuch des IWF entstammen könnte, mit aller sozialen Härte durch. Allerdings ohne vorher die Küche sauber zu machen und die Cucarachas der Korruption zu entfernen. Was in der Theorie dem Volke nützen sollte, wurde damit zur Bonanza für wenige. So privat wie die Energieversorgung nach der Privatisierung der staatlichen Kraftwerke ist, hätte sie eigentlich gar nicht werden sollen. Seit Privatunternehmen sich um die Stromerzeugung kümmern, sitzen alle Familien, die keinen eigenen Generator in der Garage haben, täglich stundenlang im Dunkeln.

Geschicktes Taktieren auf der Politebene

Der amtierende Präsident Fernández, nach der ersten Runde im Mai 1996 nur Zweitplatzierter, musste damals mit dem greisen Caudillo Joaquín Balaguer paktieren, um den populären José Francisco Peña Gómez von der PRD zu schlagen. Deswegen konnte er sich von den klientelistischen Strukturen, die sich in Jahrzehnten patriarchalisch-autoritärer Regierungen eingenistet hatten, nie befreien. Hipólito Mejía, der den vor zwei Jahren an Krebs gestorbenen Peña Gómez politisch beerbte, hat bessere Karten. Als unbestrittener Sieger kann er seine Bedingungen diktieren. Balaguer, mittlerweile 93 Jahre alt, blind und fast taub, brachte es immerhin auf 24,6 Prozent und verfehlte damit den zweiten Platz um knapp 5.000 Stimmen. Doch selbst für den siebenmaligen Präsidenten, der seit der Zeit von Diktator Rafael Leónidas Trujillo die Politik in der karibischen Republik geprägt hat, schien die Sache diesmal aussichtslos. Für einen groß angelegten Wahlbetrug wie in alten Zeiten hatte er nicht mehr die Kraft. Mit dem Hinweis, er könne seine Wähler nicht zu einer Wahlentscheidung zwingen, verweigerte er dem Regierungskandidaten Medina die Allianz für eine Stichwahl und ersparte damit seinen Landsleuten einen neuen aufwändigen Wahlkampf.
Nicht ohne Einfluss auf diese Entscheidung dürfte auch das Versprechen des Wahlsiegers gewesen sein, eine Koalitionsregierung einzusetzen. Er wolle die besten Leute aus allen Parteien an seinem Kabinett beteiligen und Konsenspolitik betreiben. Diese Konzilianz hatte Mejía schon nach der parteiinternen Vorwahl gezeigt, als er die unterlegene Kandidatin, Milagros Ortiz Bosch, eine Nichte des greisen LPD-Gründers Juan Bosch, zu seiner Vizepräsidentin machte.
Hipólito Mejía stammt aus dem landwirtschaftlichen Kernland im Cibao-Tal. Obwohl er der in Politik und Wirtschaft überrepräsentierten dünnen Schicht von Weißen entstammt, versucht er nicht, seine bäuerliche Herkunft zu verleugnen: „Ich bin ein Mann vom Land, ein untypischer Politiker, weil es mir nicht liegt, mich in Szene zu setzen.“ Entscheidend geprägt hat ihn auch die jesuitische Ethik, die er während seiner Gymnasialzeit an einer Eliteschule aufsog. Business hat er in den USA gelernt, wo er an der University of North Carolina Tabakwirtschaft studierte. Seine prosperierenden Geschäfte reichen vom Saatguthandel bis zur Herstellung von Lebensmittelkonserven. Die wirtschaftliche Kompetenz will er jetzt in der Regierung anwenden.
Wenn Mejá hält, was er verspricht, dann hat er das Zeug zu einem großen Präsidenten. Während sein Vorgänger Fernández die Bildung durch die Installation von Computern in öffentlichen Schulen verbessern wollte, spricht Mejía über die untragbare Analphabetenquote von 17 Prozent und kritisiert den Zustand der Klos in den Schulen. Während die bisherige Regierung sich durch die Computerisierung des Patientenregisters um die Volksgesundheit verdient machen wollte, verspricht Mejía etwas für die heruntergekommenen Spitäler zu tun. Statt die Unternehmer aufzupäppeln, die ihre Gewinne ungern im Inland investieren oder gar mit ihren Angestellten teilen, will er mehr Geld in Gesundheit, Erziehung und sozialen Wohnbau stecken.
Auch in seiner eigentlichen Domäne, der Landwirtschaft, will der ehemalige Agrarminister den neoliberalen Trampelpfad verlassen. Die Liberalisierung der Importe von Lebensmitteln, die die heimischen Agrarproduzenten an den Rand des Ruins gebracht hat, soll gestoppt werden. Unter Fernández haben sie sich von 320 Millionen US-Dollar auf fast 1,2 Milliarden vervierfacht. Den Bauern will man durch günstige Kredite auf die Sprünge helfen und durch den Ausbau von Straßen den Zugang zum lokalen Markt erleichtern.
Die historisch belasteten Beziehungen zum Nachbarn Haiti sollen durch pragmatische Maßnahmen verbessert werden. Die rund 500.000 HaitianerInnen, die zur Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern, als KleinhändlerInnen oder Hausangestellte zum Teil illegal im Lande leben, sind immer wieder Ziel brutaler Polizeiaktionen. Immer wenn die Regierung in einer Krise steckt, werden gegen die HaitianerInnen die nationalistischen Emotionen hochgeputscht. Obwohl die Gefahr gering ist, dass das Armenhaus der Karibik, das seit Mitte der 90er Jahre nicht einmal mehr über eine eigene Armee verfügt, über den Nachbarn herfällt, sind die Ängste der dominikanischen Bevölkerung immer noch vorhanden und werden bei Gelegenheit gerne mobilisiert. Von der Regierung Fernández, die mit Versöhnungsgesten antrat, hatte man vergeblich eine konstruktivere Nachbarschaftspolitik erwartet. Mejía hat jetzt vor, an der Grenze Freihandelszonen anzusiedeln, um den Wanderarbeitern feste Jobs zu bieten.

Dankeschön aus Miami

Dass der Wahlsieger als Tabakpflanzer enge Beziehungen zum kubanischen Exil pflegt, ist fast selbstverständlich. Dass er als Sozialdemokrat von der kubanischen Lobby in Miami gesponsert wurde, dürfte nicht zuletzt mit seiner reservierten Haltung gegenüber Kuba zusammenhängen. Mejía verurteilte die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Havanna unter seinem Vorgänger. Zwar will er nicht so weit gehen, sich mit einem neuerlichen Bruch gegen den lateinamerikanischen Trend zu wenden, doch plant er, den Konakt zur Nachbarinsel auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten. Miami dankt es ihm. Sergio Pino, einer der größten Bauunternehmer Südfloridas, der schon die Wahlkämpfe der Brüder Jeb und George Bush großzügig bezuschusst hat, steckte immerhin 77.000 US-Dollar in Mejías Wahlkampfkasse.
Die konservative Grundhaltung des zukünftigen Staatschefs, der keine Sonntagsmesse auslässt und den Kardinal Rodríguez zu seinen Freunden zählt, steht nicht im Widerspruch zu seiner sozialen Ader. Wichtigstes Credo ist eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung. Allzu lange haben die Politiker ihren Beamten vor Augen geführt, dass einer, der nicht die Hand aufhält, der Dumme ist.

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