// Billige Tricks mit teuren Nebenwirkungen
Es wirkte wie eine theatralische Inszenierung. Da tritt der kolumbianische Verteidigungsminister Juan Manuel Santos gemeinsam mit der Militärspitze und dem dauergrinsenden Polizeichef des Landes am Morgen des ersten März vor die Kameras und verkündet freudestrahlend einen spektakulären Coup. Es sei dem Militär gelungen, Raúl Reyes, die Nummer Zwei in der FARC-internen Hierarchie, und weitere „Terroristen“ durch einen Raketenangriff zu töten. Die Aktion habe im Süden Kolumbiens, unweit der ecuadorianischen Grenze stattgefunden.
Aus Ecuador kamen bald darauf andere Infos. Auf ecuadorianischem Territorium seien über zwanzig tote Guerilleros in Schlafkleidung gefunden worden, auf die neben Präzisionsraketen offensichtlich gezielte Schüsse aus nächster Nähe abgefeuert worden waren. Ecuadors Präsident Rafael Correa sprach von einem Massaker und beorderte wie sein venezolanischer Amtskollege Hugo Chávez Militäreinheiten zur kolumbianischen Grenze. Es folgten Protestnoten gegen die Verletzung der ecuadorianischen Souveränität aus fast allen Ländern des Kontinents. Eine knappe Woche später ist der Streit so plötzlich wieder vorbei, wie er vom Grenzzaun gebrochen worden war.
War das Ganze also größtenteils inszeniert oder ging es Kolumbien schlicht darum, gegen die FARC vorzugehen, ohne die Konsequenzen abzuschätzen? Weder noch. Der außenpolitische Kontext spricht für ein knallhartes Kalkül von Bogotá: Torpedierung eines Verhandlungsprozesses um jeden Preis. In Lateinamerika ist das Uribe-Regime mit seiner Politik der harten Hand und seiner Präferenz für eine militärische Lösung des Konflikts mit den Guerillas FARC und ELN so isoliert wie nie zuvor. Chávez und die linksliberale kolumbianische Senatorin Piedad Córdoba verhandeln seit Monaten trotz Widerständen der kolumbianischen Regierung mehr oder weniger offiziell mit der FARC. Mit Erfolg: Insgesamt sechs Geiseln ließ die Guerilla dieses Jahr bereits frei. Die Regierung Uribe verfolgt die Entwicklungen größtenteils vor dem Fernseher. Dort nämlich erklärten die nach Venezuela ausgeflogenen Ex-Geiseln der Weltöffentlichkeit die Notwendigkeit einer Verhandlungslösung des seit über vier Jahrzehnten andauernden Kriegs in Kolumbien.
Chávez, Córdoba und zahlreiche weitere internationale Akteure wie die französische Regierung drängen auf Verhandlungen mit der Guerilla. Die Argumentation des venezolanischen Präsidenten ist einleuchtend: Weder FARC noch Regierung würden den Konflikt militärisch lösen können.
Die Regierung Uribe hingegen macht keinen Hehl daraus, dass sie keinerlei Interesse an einer derartigen Konfliktbeilegung hat. Sie beharrt auf einer Position der Stärke. Jede bedingungslose Geiselfreilassung von Seiten der Guerilla ist ein Schlag ins Gesicht des kolumbianischen Präsidenten und setzt ihn unter Handlungsdruck. Der Raketenangriff auf Ecuador muss daher auch in diesem Kontext gesehen werden. Wer wenige Tage nach der Freilassung von vier ehemaligen Abgeordneten den Verhandlungsführer der FARC tötet, zielt nicht nur auf die Organisation selbst sondern vor allem auf den von außen angestoßenen Friedensprozess. Dass dann auch noch auf drei Computern, die im Camp der FARC gefunden und bei dem Beschuss der kolumbianischen Armee zufälligerweise nicht zerstört wurden, angeblich sämtliche Informationen gefunden wurden, die nötig waren, um die Position der kolumbianischen Regierung nach außen zu legitimieren, ist deren eigentlicher Coup: Mit dem vermeintlichen Nachweis für die engen Verbindungen von Chávez und Correa zur FARC wird die gesamte Friedenspolitik von Chávez diskreditiert. Den Geiseln und anderen Betroffenen des bewaffneten Konflikts ist zu wünschen, dass die kolumbianische Regierung mit diesen leicht durchschaubaren Tricks nicht durchkommen wird.