Editorial | Nummer 394 - April 2007

Gringo go home

Die Charme-Offensive des US-Präsidenten hatte offenbar einen üblen Beigeschmack. So kündigte ein Priester eines Maya-Dorfes in Guatemala an, er werde nach der Abreise Bushs den heiligen Ort Iximche flugs einem „Reinigungszeremoniell“ unterziehen, um ihn für die Mayas wieder sauber und nutzbar zu machen. Bushs Botschaft, die er vor seiner achten und ausgedehntesten Lateinamerikareise vor der Hispanischen Handelskammer in Washington verkündet hatte, stieß auf taube Ohren, obwohl er sie mit spanischen Bruchstücken garniert hatte: „Trabajadores y campesinos, ihr habt einen Freund in den Vereinigten Staaten. Wir kümmern uns um eure Not.“
Not gibt es in Lateinamerika in der Tat nach wie vor reichlich: Über 40 Prozent der 570 Millionen LateinamerikanerInnen leben in bitterer Armut. Ihre Hoffnungen setzen sie jedoch mit Fug und Recht nicht auf Bush und seine neoliberalen Ratschläge, sondern auf die Linksregierungen, die sie in den letzten Jahren an die Macht gewählt haben.
Bush hat reichlich spät erkannt, dass sich vielerorts in Lateinamerika der Wind gedreht hat, doch was er bei seiner Reise im Gepäck hatte, waren dennoch nur Peanuts und alte Rezepte: Ein Lazarettschiff zur kostenlosen Behandlung bedürftiger Patienten in Mittelamerika, ein Wohnungsbauprogramm für 385 Millionen Dollar und 75 Millionen Dollar für Stipendien zum Sprachstudium in den Vereinigten Staaten. Dabei beherrschen die Latinos das „Gringo go home“ schon jetzt bestens – allen voran Bushs großer Gegenspieler Hugo Chávez bei seiner gezielten Gegentour. Allein die Aussprache von Chávez’ Namen wiederum mied der US-Präsident wie sonst nur der Teufel das Weihwasser. Trotzdem ist offensichtlich, dass Bushs PR-Tour nur ein Ziel hatte: den wachsenden Einfluss des venezolanischen Präsidenten, der seine bolivarianische Revolution über die Bolivarianische Alternative für Amerika (ALBA) zu exportieren gedenkt, diplomatisch auszubremsen.
Noch ist ALBA nicht weit gediehen, auch wenn nach Kuba inzwischen Bolivien beigetreten ist und Nicaraguas Präsident Daniel Ortega nur noch auf die Ratifizierung seitens des Parlaments wartet. Dennoch trifft dieses Modell einer gleichberechtigten Integration den Nerv in Lateinamerika. Denn die neoliberalen Reformen in den 90ern haben bei allen Unterschieden überall die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Und so war Bush im Gegensatz zu dem euphorisch gefeierten Chávez bei der Basis nirgendwo willkommen, obgleich er sich doch für seine Reiseroute Länder ausgesucht hatte, deren Regierungen ihm zumindest nicht offen ablehnend gegenüber stehen: Brasilien, Uruguay, Kolumbien, Mexiko und Guatemala.
Bushs Helferrhetorik hat bei den über 200 Millionen als arm klassifizierten LateinamerikanerInnen nicht gegriffen, die Abneigung gegen den großen Bruder im Norden ist aufgrund der Geschichte einfach zu groß. Die USA haben auch in ihrem „Hinterhof“ immer die Politik praktiziert, keine Freunde, sondern nur Interessen zu haben. Daran hat sich kein Jota geändert. Bush verspricht zwar seit geraumer Zeit eine Reform der Einwanderungspolitik, doch die Realität sieht anders aus: Jahr für Jahr sterben mit steigender Tendenz Hunderte von MigrantInnen beim Versuch, die immer aufwändiger gesicherte Grenze zu den USA zu überwinden.
Frei sollen aus Sicht der USA nur Waren und Kapital zirkulieren, bei denen sie einen Wettbewerbsvorteil haben. Brasiliens Forderung, die Importzölle auf Ethanol zu streichen, wurde von Bush mit einem kategorischen Nein beschieden. Damit macht man Punkte bei der US-Agrarlobby, nicht aber in Lateinamerika.
Die starre Haltung beim Ethanol konterkariert zudem das Bestreben, Lula als Bündnispartner gegen Chávez zu gewinnen. Aus Bushs Sicht ist das Zünglein an der Waage im Kampf um die politische Hegemonie auf dem amerikanischen Kontinent Brasilien. Das südamerikanische Land versteht sich selbst als regionale Großmacht und Präsident Lula sieht Chávez Vorreiterrolle in Sachen lateinamerikanischer Integration durchaus nicht mit reiner Freude. Dennoch: Als Statthalter für die US-Interessen kann sich Lula nicht hergeben, ohne politisch zur Bedeutungslosigkeit zu verkommen. Denn Bushs diplomatische Offensive in Lateinamerika kann an einem Fakt nichts ändern: Das neoliberale Modell hat dort abgewirtschaftet – so mühevoll der Aufbau von Alternativen auch ist. „Gringo go home“ ist en vogue wie seit langem nicht mehr.

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