Keine Wahl ohne Drogen
Die kolumbianische Rechte hat die Kurve gekriegt. In den jüngsten Kongresswahlen haben die Unterstützerparteien der seit acht Jahren amtierenden Regierung von Präsident Álvaro Uribe ihre dominante Stellung ausbauen können. Das gibt Rückenwind für die Präsidentschaftswahlen im Mai. Dabei musste die Rechte Ende Februar einen herben Rückschlag hinnehmen. Ihre Galionsfigur Uribe darf sich nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht um eine dritte Amtszeit bewerben. Der Präsident akzeptierte das Urteil, mit dem das Gericht das geplante „Referendum zur Wiederwahl“ gestoppt hatte, sofort. Ohne mit der Wimper zu zucken, lobte er die Gewaltenteilung und die funktionierenden kolumbianischen Institutionen. Und bekam dafür reichlich Beifall in den internationalen Medien.
Ganz offensichtlich halten sich die ultrarechten Kräfte in Kolumbien inzwischen für so gefestigt, dass die Person des Präsidenten für sie keine allzu große Rolle spielt. Im Gegensatz zu einigen lateinamerikanischen Präsidenten, die auf unbegrenzte Wiederwahlmöglichkeiten drängen, gibt Uribe seinen Posten klaglos ab. Kein Präsident, der an der Macht festhält, keine Gefährdung des Rechtsstaates, so die Schlussfolgerung. Ist das nicht ein „Sieg der Demokratie“, wie der kolumbianische Innenminister Valencia Cossio jubelte? Wohl kaum: Recht fragwürdig erscheint diese „Demokratie“, wenn man sich die Parlamentswahlen etwas genauer ansieht. Zwar mag die direkte Gewalt während der Wahlen weniger geworden sein. Aber wie demokratisch ist eine Wahl, bei der ein großer Teil der Stimmen mal wieder auf Drohungen und/oder Kauf durch Drogengelder basiert?
Gefestigt sind auch die Beziehungen zwischen Kolumbien und der Europäischen Union. Auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien legt man in Brüssel abgesehen von oberflächlichen Statements einmal mehr keinen großen Wert. Erst Ende Februar wurden die Verhandlungen für einen Freihandelsvertrag zwischen der EU und den beiden Andenländern Kolumbien und Peru abgeschlossen. Viel wichtiger als demokratische Prinzipien ist die Investitionssicherheit, die die europäische Politik durch die Fortführung der Politik der „demokratischen Sicherheit“ gewährleistet sieht.
Mit der EU auf einer Linie liegen die Drogenkartelle: Investitionssicherheit für die illegal erwirtschafteten Gelder geht ihnen über alles. Durch systematischen Stimmenkauf legalisieren diese ihre politische Macht, die sie in den letzten Jahrzehnten durch extreme Gewalt aufbauten. Viele Abgeordnete, besonders innerhalb der Regierungskoalition, unterhalten enge Kontakte mit paramilitärischen Gruppen – die Verbindungen zum Drogenhandel sind offensichtlich. 2010 flossen in weit mehr Wahlbezirken als zuvor enorme Geldmengen. Laut Wahlbeobachtungskommission vor allem in den Regionen, in denen Kokainproduktion und -handel tragende Wirtschaftszweige sind. Diese KandidatInnen kümmern weder öffentliche Skandale noch schlechte Presse. Ihre Mandate hängen nicht von einer freien Wahl ab, sondern sind im Vorhinein bezahlt. Die Strukturen des Drogenhandels sind somit auf Dauer in den Parlamenten repräsentiert.
Ist der Siegeszug der Allianz zwischen der Rechten und der organisierten Kriminalität also unaufhaltbar? Abwarten. Eventuell ist die Person Uribe für den Zusammenhalt des Machtbündnisses wichtiger als dieser selbst meint. Es wäre nicht das erste Mal, dass nach dem Abgang der zentralen Figur ein scheinbar stabiler Block in konkurrierende Grüppchen zerfällt. Für die kolumbianische Linke gilt es, sich auf diese Gelegenheit vorzubereiten.