Editorial | Nummer 368 - Februar 2005

Neues aus den Bergen im Südosten Mexikos:

Nein, nicht von Subcomandante Marcos. Diesmal hatte der mexikanische Präsident Vicente Fox der Welt nach einem Rundflug über das Konfliktgebiet von Chiapas eine wichtige Botschaft mitzuteilen: „Der Gebrauch von Waffen seitens der EZLN gehört der Vergangenheit an. Schritt für Schritt setzt sich Gerechtigkeit, Sicherheit und Frieden in Chiapas durch.“ Anders ausgedrückt: Fox hält die EZLN als bewaffnete Befreiungsarmee für überflüssig, die Probleme in Chiapas würden sich auch ohne sie lösen.

Das Entscheidende an diesen von Fox wohl eher lapidar dahin gesagten Worten ist weniger ihre augenscheinliche Unwahrheit, als das erneute Deutlichwerden, wie Fox mit dem ungelösten Konflikt in Chiapas umgeht. Widerlegen lassen sich seine Aussagen leicht. Aus nur ein klein wenig näherer Entfernung als aus der Vogelperspektive seines Hubschraubers wird deutlich: Chiapas ist nach wie vor von Gewalt gezeichnet. Die soziale Situation hat sich in den letzten zehn Jahren kaum verbessert. Noch immer schwelen aufgrund der extremen Armut schwere Konflikte zwischen verschiedenen indigenen Gemeinden. Noch immer treten Paramilitärs die Menschenrechte mit Füßen und werden dabei laut MenschenrechtsaktivistInnen vom ansässigen mexikanischen Militär gedeckt. Das Militär selbst ist mit 91 Kommandoposten in der Region vertreten, was das Klima von Gewalt und Repression zusätzlich aufheizt. Angesichts dieser Tatsachen ist es völlig unangebracht, der EZLN implizit die Überflüssigkeit ihrer Bewaffnung zu suggerieren und vom nahen Frieden in Chiapas zu reden.

Fox’ Sätze legen am ehesten zweierlei nahe. Einerseits einen Mangel an Taktgefühl für eine erfolgreiche Kommunikationspolitik bei diesem Thema. Denn wenn Fox die Zapatistas mit Worten in die Bedeutungslosigkeit drängen wollte, so ist der Schuss gewaltig nach hinten losgegangen. Politische und zivilgesellschaftliche Organisationen bescheinigten Fox die völlige Unkenntnis der Situation in Chiapas. Selbst einige von Fox‘ Parteifreunden fühlten sich genötigt klarzustellen, dass die EZLN noch immer eine wichtige politische Rolle spiele. Die Zapatisten-Armee musste sich dazu noch nicht einmal selbst einschalten.

Andererseits, und das wiegt schwerer, bekundet er mit diesen Aussagen erneut sein Desinteresse, die EZLN ernstzunehmen und den Konflikt im Dialog mit dieser und mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zu lösen. Nachdem er das Foto mit dem Sup zu Beginn seiner Amtsperiode nicht kriegen konnte, welches Fox zu internationalem Ruhm verholfen hätte, erlosch sein Interesse an den ZapatistInnen rasant. Nicht dass die „Aufstandsbekämpfung niederer Intensität“ der Vergangeheit angehöre. Schließlich versucht die Regierung bereits seit langem auf ihre Art und Weise die EZLN und das Projekt der zapatistischen Autonomie in Chiapas zu schwächen und zu sabotieren. So unterstützt sie beispielsweise explizit nicht-zapatistische indigene Gemeinden im Konfliktgebiet mit Geld und Hilfsprogrammen. Zusätzlich wird der Druck auf die BewohnerInnen der autonomen Gemeinden mit Lockangeboten, wie Düngemitteln und Saatgut, erhöht. Für Menschen am Rande des Existenzminimums oftmals eine Entscheidung zwischen Hunger und politischem Gewissen. Denn wer die Hilfe der Regierung annimmt, wird aus dem Kreis der Zapatistas ausgeschlossen. Politisches Dialoginteresse sieht anders aus.

Fox hat so mit seiner Aussage, die Sprache der Waffen in Chiapas gehöre der Vergangenheit an, am ehesten seine eigene Auseinandersetzung mit dem bewaffneten Konflikt zur Sprache gebracht. OppositionspolitikerInnen werfen Fox vor, dass er gerade durch seine Untätigkeit „die Aufstandsbekämpfung“ vorantreibe. Fox sollte dagegen endlich seinen einstigen Worten von der Lösung des Chiapas-Konflikts „in 15 Minuten“ vernünftige Taten folgen lassen, anstatt seinen fahrlässigen Phlegmatismus mit unvernünftigen Worten peinlich in Szene zu setzen.


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