Der Traum ist aus

Wer sich heute die politische Situation in Nicaragua ansieht, würde kaum glauben, dass das Land vor 45 Jahren einen Moment großer Hoffnung auf den Aufbau eines neuen, egalitäreren politischen Modells erlebte. Nach der siegreichen sandinistischen Revolution von 1979 – und dem Ende der Diktatur der Somoza-Familie – begannen die 80er Jahre in dem kleinen, mittelamerikanischen Land mit einer Mischung aus Träumen und intensiven Kämpfen.

In dieser Zeit reisten rund 15.000 junge Aktivist*innen aus Westdeutschland in sogenannten Brigaden nach Nicaragua, um sich mit revolu­tionären Gruppen zu solida­risieren. Aus historischer Sicht stellen sich heute die Fragen: Was geschah in dieser Zeit? Welche Gründe für und Erfahrungen von politischem und sozialem Engagement hatten diese jungen Menschen? Mit dem Dokumentarfilm Ein Traum von Revolution gelingt es Regisseurin Petra Hoffmann, einige Antworten darauf zu geben. Hoffmann, die in der zweiten Hälfte der 80er Jahre selbst Brigadistin in Nicaragua war, entschied sich für eine Erzählung, die stilistisch an ein filmisches Tagebuch erinnert. Ihre Voice-Over-Kommentare werden mit alten Interviews und aktuellen Zeug*innenaussagen vermischt sowie mit Archivbildern und aktuellen Aufnahmen illustriert.

Im Laufe von 95 Minuten Film entsteht ein Einblick in den Alltag von Revolutionär*innen und Brigadist*innen aus der Perspektive derer, die diesen Moment erlebt haben. Höhepunkte sind die Reflektionen von Dora María Téllez, die im Juni 2021 nach Jahrzehnten des Kampfs für die Revolution von der Regierung ihres ehemaligen Genossen Daniel Ortega verhaftet wurde und heute im Exil in den Vereinigten Staaten lebt, sowie die emotionalen Beiträge der Schriftstellerin und Dichterin Gioconda Belli, die aktuell in Spanien lebt.

Dazu kommen aktuelle Berichte weiterer Personen, die fliehen mussten oder deren Staatsbürgerschaft durch das diktatorische Regime von Daniel Ortega entzogen und der Zugang zu ihrem eigenen Land verwehrt wurde. Derselbe Daniel Ortega, der einst ein Weggefährte der Revolution war, hält sich heute mit Repression und Verfolgung an der Macht. Eine traurige historische Kehrtwende, die in den 80er Jahren unvorstellbar war.

Bisweilen erhält die Erzählung einen nostalgischen Unterton, wenn sie mit Bildern von Nicaragua unterlegt wird, aufgenommen vom costa-ricanischen Ufer des Flusses, der die Länder trennt. Es entsteht ein Porträt eines Landes, dessen Regierung die Ideale der Solidarität aufgab und in eine zunehmend repressive Diktatur abrutschte. Es macht traurig, wenn die aktuellen Widerstandsversuche junger Menschen mit ihrer Musik und ihrer Freude gezeigt werden. Ein Engagement, dem der Raum fehlt, um die Intensität früherer Jahrzehnte zu erreichen.

Der Film Ein Traum von Revolution zeigt eine Geschichte, die erzählt werden musste. Er fungiert zudem als wichtige Dokumentation und historische Aufzeichnung der Beziehungen Deutschlands zu Nicaragua und zu Lateinamerika im Allgemeinen.

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