Grenzen | Nummer 481/482 - Juli/August 2014

„Ich fliehe vor der Gewalt“

Ein Gespräch mit zwei Geflüchteten aus Honduras

Willkür bestimmt im US-amerikanischen Justizsystem die Beurteilung der Aufenthaltsgesuche von Geflüchteten laut den Anwältinnen Natalie Hansen und Stephanie Taylor. Ein Gespräch mit zwei ihrer Mandantinnen zeigt das Problem deutlich. Jeymi Moncada lebt heute mit einer offiziellen Arbeitserlaubnis in Texas, während Ana A. (Name von der Red. geändert) nach ihrer Abschiebung in Honduras auf das Urteil ihrer Berufungsklage wartet.

Jan-Holger Hennies

Im Jahr 2004 kam Jeymi Moncada Mejia das erste mal in die USA, nachdem sie vor häuslicher Gewalt aus Honduras geflohen war. Sie wurde jedoch wieder abgeschoben. „Aber ich konnte nicht nach Hause kommen. Also bin ich noch am Tag meiner Deportation wieder aufgebrochen.“ In den USA wurde sie 2009 erneut von der Migrationsbehörde aufgegriffen und in die Internierungsanstalt für Frauen T. Don Hutto in Taylor, Texas gebracht. Bevor sie vor Gericht mit Dokumenten aus Honduras ihre Situation belegen und mit einer offiziellen Arbeitserlaubnis in Texas leben konnte, verbrachte sie ein Jahr und zwei Monate in der Anstalt. „Die Wärter dort verhielten sich korrekt, aber das Essen war schlecht. Manchmal waren sogar schon Würmer darin“, beschreibt sie ihre Haftbedingungen.
Auch Ana A. versuchte bereits zwei Mal, in den USA ein neues Leben zu beginnen – bisher erfolglos. Nach ihrer ersten Flucht aus Honduras im Jahr 2012 wurde sie in den USA für einen Monat festgehalten und anschließend abgeschoben. Doch auch für Ana war es keine Option mehr, in ihrem Geburtsland zu leben: „Im gleichen Monat bin ich wieder losgegangen“, erzählt sie. Doch derzeit lebt Ana wieder in Honduras. Bei einer ihrer Schwestern wartet sie auf das Ergebnis der Berufung vor dem US-amerikanischen Migrationsgericht, die sie noch kurz vor ihrer zweiten Abschiebung eingelegt hatte. Denn die Umstände, die in die Ablehnung ihres Gesuches um einen legalen Aufenthaltsstatus mündeten, zeigen die Willkür des Justizsystems offenkundig. Nachdem Ana bei ihrem zweiten Versuch, in die USA zu gelangen von der Migrationsbehörde aufgegriffen worden war, folgte eine über einjährige Odyssee durch verschiedene Haftanstalten. „Sie hielten mich zuerst einen Monat in Eagle Pass, Texas, fest, weil ich die Grenze illegal überquert hatte. Dann wurde ich in eine Internierungsanstalt in Del Rio gebracht, war danach für eine Woche in Laredo eingesperrt und kam daraufhin nach T. Don Hutto in Taylor“, berichtet Ana. Während der sechs Monate in dieser Anstalt entstand der Kontakt zu American Gateways. „Aber sie brachten mich nach Miami und deshalb konnte ich meinen letzten Gerichtstermin nicht wahrnehmen. In Miami stellte ich zwar einen Antrag, um zu meinem Gerichtstermin gehen zu können. Aber niemand hat mir je geantwortet“, erzählt sie. „Und auch meine Anwältin wusste die gesamte Zeit über nicht, wo ich mich befand. Sie erfuhr erst von mir, als ich einer Freundin außerhalb des Gefängnisses ihre Telefonnummer geben konnte.“ Da Ana nicht vor Gericht erschien, wurde ihr Gesuch abgelehnt. Als sie es einige Tage später doch in das Gericht schaffte, sagte der Richter ihr bloß, dass sie ihren Termin verpasst hätte. „Wie soll ich denn vor Gericht erscheinen, wenn ich an einem anderen Ort festgehalten werde?“, fragt sie heute wütend. Die letzten Monate vor ihrer Abschiebung verbrachte Ana in einem privaten Gefängnis in Robstown, Texas, das sowohl Migrant_innen als auch im Strafvollzug Inhaftierte hält. „Schrecklich ist es dort,“ berichtet sie, „und die Beamten behandeln einen schlecht.“ Gefährlicher Reise und über einem Jahr in Haft zum Trotz: Wäre ihre Berufung nicht noch in Arbeit, sie hätte sich schon längst wieder auf den Weg gemacht, um Mexiko auf dem Güterzug „La Bestia“ zu durchqueren. Denn in Honduras kann sie nicht mehr bleiben: „Ich habe nicht mal meine gesamte Familie hier gesehen, da ich mich verstecken muss. Ich fliehe vor der Gewalt.“
Jeymi Moncada dagegen hat ihr Leben in Honduras hinter sich gelassen und berichtet freudig über ihre Kontakte zu US-Amerikaner_innen und ihren Job als Hausangestellte. Sie fühlt sich nicht diskriminiert, hat einen neuen Lebensgefährten und zwei Töchter bekommen. „Hier ist das Leben anders. Ich mag mein Land sehr. Aber nach dem, was mir passiert ist, glaube ich nicht, je zurückzukehren“, erzählt sie mit fester Stimme. Sollte sich die Gesetzeslage in den USA nicht verändern, ist das möglich – derzeit erneuert sich ihre Arbeitserlaubnis unbegrenzt. Die Justiz hinter sich gelassen hat sie dennoch nicht. Seit Kurzem läuft ein Prozess, um ihre vier Kinder aus Honduras mit einem humanitärem Visum in die USA zu holen: „Denn auch meine Kinder sind auf der Flucht vor ihrem eigenen Vater.“

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