El Salvador | Nummer 359 - Mai 2004

Angst und andere Wahlhelfer

Die Rechte gewinnt die Präsidentschaftswahlen in El Salvador

Überraschend deutlich entschied die langjährige Regierungspartei ARENA (Republikanisch-Nationalistische Allianz) mit ihrem Kandidaten Tony Saca die Präsidentschaftswahlen in El Salvador bereits im ersten Wahlgang am 21. März. Für den Kandidaten der ehemaligen Befreiungsbewegung FMLN, Schafik Handal, blieb nur Platz zwei. Wichtigster Grund für den ARENA-Durchmarsch: eine breit angelegte Angstkampagne mit tatkräftiger Unterstützung aus den USA.

Michael Krämer

Die WählerInnenbefragungen am Tag der Präsidentschaftswahlen sahen noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden stärksten Parteien El Salvadors voraus. Manche hielten sogar einen Sieg der Ex-Guerillabewegung FMLN für möglich. Doch der Traum, die seit 15 Jahren regierende ARENA, die Partei des salvadorianischen Kapitals, abwählen zu können, war auch diesmal schnell verflogen. Als der Oberste Wahlrat (TSE) am Wahlabend die ersten Ergebnisse bekannt gab, lag Tony Saca deutlich vorn. Die Feier der FMLN auf dem Platz vor der Kathedrale in der Hauptstadt San Salvador wurde daraufhin abgesagt.

Hohe Wahlbeteiligung
Der ehemalige Sportreporter Tony Saca erreichte für ARENA 57,7 Prozent der Stimmen, FMLN-Kandidat Schafik Handal kam auf 35,6 Prozent. Bedeutungslos blieb dagegen die Wahlallianz aus christdemokratischer PDC und der vor allem aus einer PDC-Abspaltung hervorgegangen CDU mit 3,9 Prozent. Auch die „Partei der Nationalen Versöhnung“ (PCN), die während der Militärdiktaturen der sechziger und siebziger Jahre die Regierung stellte, kam auf nur 2,7 Prozent der Stimmen.
Beachtlich ist die hohe Wahlbeteiligung, die mit gut 67 Prozent deutlich besser war als bei den Wahlen der letzten zwanzig Jahre. Mehr als 2,3 Millionen Menschen strömten zu den Wahlurnen, über eine Million mehr als bei den Parlaments- und Kommunalwahlen im Vorjahr. Ein Grund für die hohe Beteiligung ist, dass die Wahlteilnahme einfacher geworden ist. Erstmals reichte der Personalausweis, über den fast alle SalvadorianerInnen verfügen, für die Stimmabgabe. Früher war ein spezieller Wahlausweis nötig, den zu besorgen sehr umständlich war.
Ein anderer Grund ist, dass die Wahlen zu einer Schicksalsentscheidung über die Zukunft des Landes stilisiert wurden. Dabei ist es ARENA gelungen, einen Großteil der Stimmen der NeuwählerInnen auf sich zu ziehen.

Die Angstkampagne von ARENA
Mehrere Faktoren haben zum Wahlsieg von ARENA geführt. Gestützt auf den Regierungsapparat und die finanzielle Unterstützung der salvadorianischen Bourgeoisie entfachte sie eine Werbe- und Materialschlacht, der die anderen Parteien nur wenig entgegenzusetzen hatten. ARENA-Parteihelfer pinselten schon vor dem offiziellen Beginn des Wahlkampfs fast jeden Strommast, jede Brücke und fast alle größeren Steine des Landes, so sie in der Nähe von Straßen gelegen waren, in den Parteifarben Blau-Weiß-Rot. In Fernsehen und Radio waren neun von zehn Spots von ARENA – oder von der Regierung und den verschiedenen Ministerien, in denen die Arbeit der aktuellen Regierung von Präsident Francisco Flores gepriesen wurde. Der FMLN drohte hingegen bereits Wochen vor dem Wahltag das Geld auszugehen, sie musste ihre Fernsehwerbung stark reduzieren.
Der entscheidende Grund für den ARENA-Durchmarsch war jedoch die ausgeklügelte Angstkampagne, mit der die Regierungspartei den Wahlkampf bestritten hat. Diese begann bereits vor rund einem Jahr, zu einem Zeitpunkt, als der Regierung von Francisco Flores eine schlechte Amtsführung und seiner Partei verheerende Umfragewerte bescheinigt wurden. Nach 15 Jahren ARENA-Regierung schien es Zeit für einen Wechsel. Um diesen zu verhindern, machte sich ARENA ein Thema für ihren Wahlkampf zunutze, welches in El Salvador höchst aktuell ist: die Gewalt.

Mit dem Militär gegen Jugendgewalt
Seit dem Kriegsende 1992 sind in El Salvador jedes Jahr mehr Menschen durch Gewaltverbrechen ums Leben gekommen als in den meisten Jahres des Krieges. Insbesondere die Jugendbanden, die so genannten maras, aber auch die teils überzogene Medienberichterstattung sorgten für ein Klima der Unsicherheit und der Angst. In kurzer Zeit entwickelten Regierungsstrategen einen Plan, um das Thema wahlkampftauglich anzugehen. Im Juli 2003 wurde die „Operation harte Hand“ gestartet, eine Art Null-Toleranz-Konzept gegen die mareros. Kern des Konzepts war der äußerst medienwirksame, jedoch klar verfassungswidrige Einsatz des Militärs in den Armenvierteln der Städte. Nur zwei Monate später wurde ein „Anti-Mara-Gesetz“ verabschiedet. Trotz vehementer Kritik verschiedener Menschenrechtsorganisationen wurde die repressive Politik von der Mehrheit der Bevölkerung ausdrücklich begrüßt.
Die Politik der „harten Hand“ zeigte prompt positive Folgen für die Regierungspartei: ARENA lag in der WählerInnengunst um rund zwanzig Prozent vor der FMLN. Doch die Angst-Kampagne griff noch tiefer. Wahlentscheidend war, dass ARENA massive Angst vor einem Wechsel zu einer FMLN-Regierung erzeugen konnte. So wurde argumentiert, dass mit einer Machtübernahme der „Kommunisten“ die remesas, die Überweisungen von in den USA lebenden Familienangehörigen gefährdet seien. Zudem würde die US-Regierung bei einem Wahlsieg der FMLN alle „illegalen“ SalvadorianerInnen ausweisen. Mit mehr als zwei Milliarden US-Dollar sind die remesas die mit Abstand wichtigste Devisenquelle El Salvadors, rund ein Viertel der Bevölkerung ist direkt von ihnen abhängig. Für viele eher unpolitische Menschen war dies vermutlich ein entscheidender Grund, erstmals zur Wahl zu gehen und “konservativ“ zu stimmen.

Wahlhilfe aus den USA
Verstärkt wurde die Angst-Kampagne noch durch Aussagen des US-Vizeaußenministers Roger Noriega und des für Lateinamerika zuständigen Mitglieds des Nationalen Sicherheitsrats, Otto Reich. Beide hatten sich in den 80er Jahren unter Präsident Reagan als Unterstützer der nicaraguanischen Contra einen schlechten Namen gemacht. Von George W. Bush wurden sie nun für die schmutzige Arbeit in Lateinamerika reaktiviert. Noriega und Reich zeigten sich bei Besuchen in San Salvador stets besorgt über die drohende Verschlechterung der US-salvadorianischen Beziehungen, sollte der FMLN-Kandidat Schafik Handal, der ein deutlicher Gegner des US-zentralamerikanischen Freihandelsabkommens CAFTA ist, die Wahl gewinnen.
„Wer nicht ARENA wählt, wird gefeuert“ – mit diesen Drohungen hatten auch einige UnternehmerInnen Anteil daran, einen ARENA-Sieg sicherzustellen. Insbesondere in den fast ausschließlich für den US-Markt produzierenden maquilas wurde den ArbeiterInnen kurz vor den Wahlen propagiert, dass ein FMLN-Sieg den Abzug der Betriebe in die Nachbarländer zur Folge habe. Auch sollen von ArbeiterInnen die für die Wahl nötigen Personalausweise einbehalten worden sein.
Remesas oder Kommunismus – die ARENA-Strategie ist aufgegangen, die Bush-Administration kann zufrieden sein. El Salvador wird weitere fünf Jahre von einer Partei regiert, die auf neoliberale Politikkonzepte setzt und als unterwürfiger Partner der USA agiert. Dies gilt für die Diskussionen um die wirtschaftliche Zukunft Lateinamerikas ebenso wie für die Entsendung von salvadorianischen Soldaten in den Irak. Selbst nachdem in der Folge des angekündigten Abzugs der spanischen Truppen Mitte April auch Honduras und die Dominikanische Republik ihre Präsenz im Irak nicht mehr fortsetzen wollen, zeigt sich El Salvador – neben Nicaragua das einzige in der „Koalition der Willigen“ verbliebene lateinamerikanische Land – weiterhin unbeirrt.

Eine bittere Niederlage
Für die FMLN ist die Wahlniederlage sehr bitter, nachdem sie sich erstmals gute Chancen ausgerechnet hatte, den Wechsel zu schaffen – mit dem zentralen Wahlslogan „el cambio es hoy!“ („der Wechsel steht an“). Die Aufgabe der FMLN in der nächsten Zeit wird es sein, die komplett frustrierte Basis wieder aufzurichten. Angesichts besserer Umfragewerte in den letzten Monaten war die FMLN siegesgewiss. Eine Niederlage, zumal so deutlich, schien ausgeschlossen. Jetzt steht der FMLN eine neue Zerreißprobe bevor.
Im Vorjahr wurde Schafik Handal parteiintern mit knappem Vorsprung vor dem Bürgermeister von Santa Tecla, Oscar Ortiz, zum Präsidentschaftskandidaten bestimmt. Schon am Tag nach der Präsidentschaftswahl am 21. März forderte Ortiz nun vorgezogene Neuwahlen für die Leitungsgremien der FMLN, die Politische Kommission und den Nationalrat. Außerdem solle Salvador Sánchez Cerén, wie Schafik Handal ein historischer Führer der FMLN, vom Parteivorsitz abgelöst werden.
In der Wahlanalyse der Strömung um Ortiz hatten die Manipulationen und die Angstkampagne von ARENA nur geringe Bedeutung. Sie sahen als Hauptgrund für die Niederlage, dass die FMLN mit dem falschen Kandidaten angetreten sei.

Kommunist Schafik Handal
In der Tat: Als überzeugter Kommunist war Schafik Handal für viele Menschen nicht wählbar und eignete sich gut als Angriffsziel für die Schmutzkampagne von ARENA. Zudem wird er mehr als viele andere mit den Zeiten des Krieges in Verbindung gebracht. Auch ist er, meist mit etwas grimmigem Blick und seinen 73 Jahren, längst nicht so telegen wie der deutlich jüngere Tony Saca von ARENA.
Doch ist völlig ungewiss, ob die FMLN mit einem smarteren Kandidaten besser abgeschnitten hätte. Mit Schafik Handal konnte die FMLN ihre Stimmenzahl im Vergleich zu den Parlaments- und Kommunalwahlen im Vorjahr fast verdoppeln, angesichts der ARENA-Kampagne kein schlechtes Ergebnis. Zudem war Handal wie wenige andere innerhalb der Partei ein Garant dafür, dass eine von ihm geführte Regierung sich an die notwendigen Reformen im Land herantraut, die auf den vehementen Widerstand des salvadorianischen Kapitals und der US-Administration gestoßen wären. Dieses Vertrauen hat sicherlich zur Mobilisierung der Parteibasis beigetragen, die sich im Wahlkampf intensiv engagiert hat, unter anderem mit Hausbesuchen.

Richtungsstreit in der FMLN
Die Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen der FMLN-Gremien wurde erst einmal abgelehnt, gewählt wird turnusmäßig im kommenden November. Bis dahin steht zu befürchten, dass sich die FMLN – wie schon bei anderen Gelegenheiten – durch internen Streit lähmt.
Die Forderung von Oscar Ortiz, mit neuem, verjüngtem Personal schon jetzt auf die nächsten Wahlen 2006 hinzuarbeiten, vermag nicht zu überzeugen. Viel wichtiger sind die Arbeit mit der eigenen Basis und die Unterstützung von außerparlamentarischen Mobilisierungen. Schließlich hatte die FMLN zuletzt gerade auch deswegen Zulauf, weil sie deutlich auf eine Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen gesetzt und deren Interessen im Parlament vertreten hat.
Die neue ARENA-Regierung wird sich von der alten kaum unterscheiden. So wird sie beispielsweise einen erneuten Anlauf starten, das Sozialversicherungsinstitut ISSS zu privatisieren. Die Auseinandersetzung um die Privatisierung der Gesundheit war eines der zentralen politischen Themen der letzten Jahre. Hier wie auch bei anderen Konflikten werden die sozialen Bewegungen, etwa die Gewerkschaften, einen Bündnispartner im Parlament brauchen, der, wenn nötig, auch einmal auf Konfrontation setzt.

Das Verschwinden der politischen Mitte
Eine Opposition, die dies nicht zu leisten bereit ist und stattdessen ihr Heil in der so oft beschworenen, in El Salvador aber kaum vorhandenen politischen Mitte sucht, wird konturenlos und unattraktiv bleiben. Mit der Wahlkoalition aus PDC und CDU ist diesmal die politische Mitte untergegangen. Auf Grund des Wahlgesetzes haben beide ihren legalen Status verloren und werden aufgelöst, da sie die als Koalition notwendigen sechs Prozent der WählerInnenstimmen verpasst haben.
Dass CDU und PDC chancenlos sind, hatte sich bereits im Wahlkampf gezeigt. Vor allem das Auftreten von Präsidentschaftskandidat Héctor Silva hat viele enttäuscht. Einstmals FMLN-Bürgermeister der Hauptstadt San Salvador, hatte er Ende 2002 die FMLN im Streit verlassen. Sein Wahlkampf war stärker darauf ausgerichtet, die FMLN anzugreifen, als die verheerenden Auswirkungen der ARENA-Politik zu kritisieren.
Schon hat Silva die Gründung einer neuen Partei der Mitte angekündigt. Doch er weiß, dass dieses Projekt keine Zukunft hat, solange die FMLN halbwegs zusammenhält. So wird er um den Ortiz-Flügel innerhalb der FMLN werben. Dieser wird in den nächsten Monaten alles daran setzen, die Parteilinke, die noch die Mehrheit in den Leitungsgremien stellt, abzulösen.

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