Film | Nummer 332 - Februar 2002

Was Sie schon immer über Flugbegleiterinnen wissen wollten

Der argentinische Film Todas las azafatas van al cielo

Bettina Bremme

Wenn ein Film in Feuerland spielt, geht es zumeist um Extrempunkte im Leben: Orte wie Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt, stehen wie geographische Metaphern für einen fernen Fluchtpunkt am Ende der Welt, für Grenzerfahrungen auf der Schwelle zum Tod. Eine unwirtliche und gleichzeitig eigentümlich berührende Natur. Aus der Luftperspektive betrachtet, lässt sie den Einzelnen inmitten der verschneiten Landschaft wie ein Häuflein Vogelschiss aussehen. Das Bild von zwei einsamen Gestalten, die wenige dutzend Meter voneinander getrennt dem Tod durch Erfrieren harren, ist eines der eindrucksvollsten Bilder in Todas las azafatas van al cielo von Daniel Burman. Für einen jungen Regisseur, der in einem wirtschaftlich gebeutelten Land wie Argentinien arbeitet, legt Burman eine beachtliche Produktivität an den Tag. Bereits vor vier Jahren war er mit Un crisantemo estalla en Cincoesquinas, einer filmerisch brillanten, aber inhaltlich etwas schwülstigen Gründerzeitsaga im Panorama der Berlinale vertreten. Auch sein zweiter Film Esperando al mesias war in Deutschland zu sehen, unter anderem bei den Jüdischen Filmtagen.
Burmans neuer Film, der sich auf Deutsch sowohl nüchtern mit Alle Stewardessen fliegen gen Himmel als auch metaphysisch mit „Alle Stewardessen kommen in den Himmel“ übersetzen lässt, erzählt die Geschichte zweier Lebensmüder, die einander gerade noch rechtzeitig erblicken, um sich gegenseitig von ihren Vorhaben abzuhalten: Die Stewardess Teresa weiß spätestens seit ihrer ungewollten Schwangerschaft nicht mehr, was sie auf dieser Welt verloren hat. Der Augenarzt Julián ist von Agonie erfüllt, weil vor kurzem seine Frau, die ebenfalls Stewardess war, gestorben ist. Nach Ushuaia ist er geflogen, um ihre Asche an der Stelle ins Meer zu streuen, wo sie sich einst kennen gelernt haben. Auf Menschen wie Teresa und Julián, die bereits deprimiert nach Feuerland kommen, scheint die frostige Landschaft eine fatale Anziehungskraft auszuüben. Und wenn dann noch im Mitternachtsprogramm des Kabelfernsehens Dokumentarfilme über sanfte Suizidmethoden im ewigen Eis laufen…
Bis es zum ab einem gewissen Punkt vorhersehbaren Happy End kommt, hat der Regisseur Teresa und Julián nicht nur einige Schneeverwehungen in den Weg gelegt, sondern auch diverse seelische Slalomkurse. Denn die beiden, die sich da begegnen, sind auf den ersten Blick nicht gerade das ideale Paar. Teresa ist eine schöne Frau, die das Leben über den Wolken jeder festeren Bindung vorzieht, gleichzeitig jedoch an ihrer Einsamkeit fast zerbricht. Den pummeligen Onkel Doktor findet sie zunächst alles andere als sexy. „Du erinnerst mich an einen Schneemann“, meint sie unverfroren, als die beiden sich bei einer Tasse heißem Tee von ihren Selbstmordversuchen erholen. Julián dagegen hat bereits Feuer gefangen, als er Teresa das erste Mal in dem Flugzeug sah, das die beiden von Buenos Aires nach Ushuaia brachte. Sein zweifelhaftes Glück scheint allgemein darin zu bestehen, dass Frauen in seiner Anwesenheit eher in mütterlicher Zärtlichkeit entflammen. Und nur zu gerne nutzt Julián dieses Image, um an Streicheleinheiten zu kommen. Egal ob bei einer Prostituierten oder bei einer Krankenschwester: Immer wieder legt er im Lauf des Films seinen wolligen Schädel in einen weiblichen Schoß.
Um das Ambiente zu beleben, hat Daniel Burman seinen melancholischen HeldInnen ein Ensemble von Nebenfiguren an die Seite gestellt: Da ist zum einen Teresas dominante, in ihrer Zuversicht unverwüstliche Mutter, die von der fantastischen Norma Aleandro (La historia oficial) verkörpert wird. In Ushuaia helfen Krankenschwestern und Prostituierte (Valentina Bassi aus Un día de suerte), streng jüdische Taxifahrer und anarchische Flughafenarbeiter den beiden immer wieder aus der Patsche. Ganz zu schweigen von den Mitgliedern von Teresas Flugzeugcrew, die mit ihren pubertären Zoten die Rolle der Pausenclowns übernehmen. Auch wenn diese Figuren dem Film die nötige Portion Vitalität, teilweise auch Ironie einhauchen, zieht sich durch die vielen Geschichtchen am Rande ab einem gewissen Punkt der Handlungsfaden zäh in die Länge.
Das entscheidende Moment allerdings, welches den Film etwas lau macht, ist die Liebesgeschichte: Zu keinem Zeitpunkt ist ein Knistern zwischen dem teddyhaften Doktor und der fragilen Flugbegleiterin zu spüren. Es wirkt eher so, als suchten beide in erster Linie eine seelische Wärmestube.

Todas las azafatas van al cielo; Regie: Daniel Burman; Argentinien 2001; Farbe, 98 Minuten. Der Film wir im Panorama der Berlinale (6. bis 17. Februar 2002) gezeigt.

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