Mexiko | Nummer 323 - Mai 2001

Teureres Brot für die Armen

Der mexikanische Präsident Fox ringt um die Anerkennung seiner Steuerreform

Nach einem Antrag des Präsidenten Fox sollen in Mexiko Nahrungsmittel, Medikamente und Bücher besteuert werden, um mit den Einnahmen das Steuerloch zu füllen. Bisher zeigt sich außer internationalen Investoren jedoch noch niemand begeistert.

Francisco Aguayo

In der lezten Woche entschieden die Abgeordneten des mexikanischen Kongresses, die Entscheidung über eine vom Präsidenten Fox eingereichte Steuerreform noch hinauszuschieben. Wenn es auch unwahrscheinlich erscheint, dass der Antrag in seiner jetzigen Form angenommen wird, so zeigt er doch deutlich die Wirtschaftspolitik, die man von der neuen Regierung erwarten darf. Die Initiative Fox’ ist nicht nur auf die Ablehnung der gesamten Öffentlichkeit und der Oppositionsparteien gestoßen. Auch ein wichtiger Teil der eigenen Partei des Präsidenten, der PAN, scheint keinesfalls willig, die politische Verantwortung für eine so eindeutig rückschrittliche Reform auf sich zu nehmen.
Vor allem eine geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer bekäme die ärmere Bevölkerung zu spüren. Seit der Krise von 1995, als der mexikanische Kongress die Bedingungen des Finanzplans der USA und der Weltbank angenommen hat, zahlt jedeR MexikanerIn 15 Prozent Mehrwertsteuer für alle Komsumgüter. Ausgenommen waren bisher die sogenannten „básicos“, also Nahrungsmittel, Medikamente, Bücher und Ausgaben für Bildung. Fox’ Steuerreform sieht nun unter anderem vor, auch auf diese Güter eine Mehrwertsteuer zu erheben.

Reform ohne Fortschritt

Das Hauptargument des Präsidenten ist, dass die Mittel, die der Regierung durch die Steuererhöhung zur Verfügung stehen Programmen zur Bekämpfung der Armut zugute kommen, und somit die ärmste Bevölkerungsschicht ihren Nutzen daraus zieht. Bei einem Fernsehauftritt versuchte Fox seine Initiative mit Slogans der sozialen Gerechtigkeit zu verkaufen: „Die fünf Millionen Familien mit niedrigem Einkommen verlieren nichts, im Gegenteil, sie gewinnen etwas hinzu, und zwar viel. Diese fünf Millionen Familien werden wir nicht anrühren! Was wir machen werden, ist, ihnen das zurückzugeben, was sie benötigen und noch mehr!“ Laut Eduardo Sojo, dem Leiter des Wirtschaftskabinetts, sei dies „der Vorschlag auf den man Jahre lang gewartet hatte“.
Doch trotz dieser Beschönigungen und der guten Verkaufstaktik wurde Fox’ Vorschlag noch nicht vom Kongress angenommen. Die Steuerreform wird nicht einmal von seinen eigenen Kabinettsmitgliedern unterstntzt. In erster Linie wird die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel und Medikamente große Auswirkungen auf ärmere Haushalte haben, da dort der Anteil des Einkommens, der für die Primärbedürfnisse ausgeben wird, höher ist als in Haushalten mit höherem Einkommen. Insofern stellt der Vorschlag keinesfalls einen Fortschritt für die armen Bevölkerungsschichten dar.
Die bisherigen Programme zur Bekämpfung der Armut waren schlecht strukturiert, nicht sehr vertrauenswürdig und nur an eine begrenzte Anzahl von Personen gerichtet. Von den Steuern, die Fox verspricht, an die Armen zurückzuzahlen, würden etwa fünf Millionen Haushalte profitieren, die als extrem arm eingestuft werden. Nicht von diesen Programmen erfasst würden jedoch mindestens weitere 10 Millionen arme Familien und natürlich die angeschlagene Mittelklasse. Gleichzeitig sieht die Reform eine Neustrukturierung der Einkommenssteuer vor. Die Anzahl der Steuerklassen soll verringert werden und vor allem der Höchststeuersatz von 40 auf 35 Prozent gesenkt werden. Dies bedeutet also eine Senkung der Steuern für die Reichsten.
Viel schlimmer noch ist es, dass von den etwa 130 Millionen Pesos (etwa 13 Millionen US-Dollar), die Fox vorgibt, durch die Steuerreform einzunehmen, nur rund sechs Millionen US-Dollar für die Sozialprogramme zur Bekämpfung der Armut eingesetzt werden. Der Rest soll das Haushaltsdefizit verringern, und etwa 12 Millionen US-Dollar werden in Aufbauprogramme für Banken und Firmen gesteckt, die unter der Krise von 1995 gelitten haben. Der Reformvorschlag der neuen Regierung sieht also vor, mit einer allgemein erhobenen Steuer die Kosten auszugleichen, die durch eine falsche Wirtschaftspolitik der vorherigen Regierung entstanden sind. Doch diese Tabula Rasa-Methode wird bei der wachsenden Ungleicheit im Land zu einer polarisierenden Maßnahme, die eine Bevölkerungsgruppe trifft, die die wirtschaftlichen Erfolge der nordamerikanischen Integration außer in der offiziellen Propaganda noch nicht sieht.
Weiterhin wäre es übertrieben zu behaupten, dass die Entscheidung des Kongresses das Ergebnis einer weitreichenden nationalen Debatte sei, denn weder Fox’ Kabinett noch die Abgeordneten, die den Antrag unterstützen, scheinen bereit, die Kritik der Opposition wahrzunehmen. Einer von Fox´Funktionären amüsierte sich in diesem Zusammenhang über Schriftsteller und Intelektuelle, die gegen die Besteuerung von Büchern protestierten: „Aber warum ärgert Ihr Euch, Ihr seid doch sowieso die Einzigen in diesem Land, die lesen“.
Die Zeit läuft schmerzhaft schnell gegen den Präsidenten der Stiefel und Schnurrbärte. Fox braucht die baldige Anerkennung der Reform, denn die fortschreitende Rezession in den USA könnte die mexikanische Wirtschaft mit in eine Finanzkrise ziehen und die politische Verhandlungsfähigkeit seiner Regierung im Land dadurch stark schwächen. Doch am 11.April versicherte der mexikanische Vetreter der Weltbank: „Die internationalen Finanzmärkte nehmen es als Tatsache hin, dass die von der Regierung vorgeschlagene Steuerreform durchgesetzt wird.“ Auf dass man nicht die Lektion verlerne:
Wenn die internen politischen Übereinkünfte nicht in die richtige Richtung gehen, dann gibt es immer noch Überzeugungskraft dieser anderen unsichtbaren Mächte, die der internationalen Investoren.

Übersetzung: Antje Riehl

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