Ecuador | Nummer 477 - März 2014

600.000 Unterschriften gegen Ölbohrungen im Yasuní

Interview mit Jorge Espinosa, Mitbegründer des Bündnisses Yasunidos

Ecuadors größtes Rohölvorkommen im Yasuní-Nationalpark sollte im Boden bleiben. Für diese Idee der ecuadorianischen Zivilgesellschaft warb Präsident Rafael Correa international mit der Yasuní-ITT-Initiative, bei der internationale Ausgleichszahlungen den Verzicht auf Erdölförderung ermöglichen sollten. Nachdem die internationale Gemeinschaft dies verhinderte, allen voran das deutsche Außen- und Entwicklungsministerium, damals unter FDP-Führung, erklärte Correa die Initiative 2013 für gescheitert. Doch die Zivilgesellschaft gibt sich noch nicht geschlagen. Die LN sprachen mit Jorge Espinosa über die Bewegung für Yasuní, eine mögliche Volksbefragung und das schwierige Verhältnis zur Regierung.

Interview: Katharina Schwirkus

Warum hat die ecuadorianische Regierung die Yasuní-ITT-Initiative im August 2013 für gescheitert erklärt?
Rafael Correa hat seine Entscheidung, die Yasuní-ITT-Initiative zu beenden, damit begründet, auf die finanziellen Einnahmen aus der Ölförderung für die Bekämpfung der Armut angewiesen zu sein. Die internationale Staatengemeinschaft habe Ecuador aufgrund ausbleibender Kompensationszahlungen im Stich gelassen. Allerdings hat die Regierung Correa in den letzten vier Jahren selbst Entscheidungen bezüglich der Yasuní-ITT-Initiative getroffen, die sie schwächten. Ein Beispiel ist die Neubesetzung des staatlichen Verhandlungskomitees zur Yasuní-ITT-Initiative im Jahr 2010. Die Leitung der internationalen Verhandlungen wurde mit Ivonne Baki besetzt, die sich in ihrer Vergangenheit für die Interessen von Chevron-Texaco in Ecuador eingesetzt hatte. Zudem wurde nun in Ländern nach Unterstützung für die Initiative gesucht, die international nicht für Umweltschutz bekannt sind, etwa dem Iran, der Türkei oder Indonesien. Ich denke, dass diese Maßnahmen die Initiative etwas torpediert haben und das Ausbleiben internationaler Kompensationszahlungen auch hiermit zu erklären ist.

Wie reagierte die ecuadorianische Bevölkerung auf diese Entscheidung?
Noch am Tag der Erklärung Correas formierten sich Proteste für den Erhalt der Initiative und gegen die Erdölförderung im Yasuní. Mehrere NGOs und soziale Bewegungen schlossen sich zusammen und nach kurzer Zeit wurde die Plattform Yasunidos gegründet, um Interessen zu bündeln und zu kommunizieren.

Was ist das Ziel von Yasunidos und welche Strategien werden angewandt, um dieses zu erreichen?
Das Ziel ist ganz klar, die Erdölförderung im Yasuní zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgen wir verschiedene Strategien, die wichtigste ist momentan die Initiierung einer Volksbefragung.

Wie kann eine Volksbefragung zu Erdölförderung in Ecuador initiiert werden?
Die ecuadorianische Verfassung von 2008 verbietet unter Artikel 407 die Förderung von Erdöl in Nationalparks, ermöglicht jedoch Ausnahmen, sofern ein „nationales Interesse“ vorliegt. Der Präsident kann das Parlament anrufen, ein solches Interesse zu prüfen. Hierfür kann der Präsident oder das Parlament auch eine Volksbefragung einleiten. Als dritte Möglichkeit können Bürger Unterschriften sammeln und selbst eine Befragung einleiten. Hierfür müssen 600.000 Unterschriften bei einem Ausschuss eingereicht werden.

Warum versucht Yasunidos eine Volksbefragung herbeizuführen?
Präsident Correa hat im August 2013 das Parlament angerufen zu prüfen, ob ein nationales Interesse an der Erdölförderung der ITT-Quellen vorliege. Obwohl im August und auch in den darauf folgenden Monaten hunderte Protestierende auf die Straßen und vor das ecuadorianische Parlament zogen, leiteten weder der Präsident noch das Parlament eine Volksbefragung ein. Im Oktober 2013 gab das Parlament seine Entscheidung bekannt: mit 108 Ja- und 25 Nein-Stimmen bestätigte es das nationale Interesse. Yasunidos hat sich unmittelbar nach dem parlamentarischen Beschluss entschieden, Unterschriften zu sammeln, um eine Volksbefragung zu erreichen. Das positive an einer Volksbefragung ist, dass die Meinung aller Ecuadorianer_innen über den Yasuní ausschlaggebend wäre.

Was sind die größten Schwierigkeiten, um gegen die Erdölförderung im Yasuní zu mobilisieren?
Ein großes Problem bei jeder Protestaktion in Ecuador sind Spione oder Protestierende, die von der Regierung bezahlt werden, um Proteste aufzuheizen. Zudem stellt die Regierung die Proteste als „anti-revolutionär“dar, obwohl wir betonen, dass wir nur für den Yasuní und nicht gegen die Regierung protestieren. Das Sekretariat für Kommunikation, das dem Präsidenten unterstellt ist, produziert Spots, in welchen die Proteste als aggressiv dargestellt werden. Tatsächlich haben wir bei Protesten jedoch massive und unverhältnismäßige polizeiliche Gewalt wahrgenommen, die kleingeredet wird. Beispielsweise hat die Polizei bei einem Protest Schüsse abgegeben und das Innenministerium hat dies bis heute negiert. Diese öffentliche Kommunikation führt natürlich zur Demobilisierung. Viele Ecuadorianer haben Angst, an Protesten teilzunehmen.

Denken Sie, dass es Yasunidos gelingen wird, die notwendigen 600.000 Unterschriften zu sammeln?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir dieses Ziel erreichen. Ende Februar hatten wir schon mehr als die Hälfte der benötigten Unterschriften. Obwohl wir nur noch bis Mitte April Zeit haben, denke ich, dass die Anlaufzeit deutlich schwieriger war und wir es schaffen werden, die noch fehlenden 300.000 Unterschriften zu sammeln. Trotzdem ist nicht sicher, wie der Prozess weiter verläuft, wenn wir die Unterschriften am 14. April 2014 beim Nationalen Wahlrat einreichen. Nur wenn die Gültigkeit von mindestens 600.000 Unterschriften festgestellt wird, kann eine Volksbefragung eingeleitet werden.

Infokasten

Jorge Espinosa engagiert sich seit vier Jahren aktiv für den Schutz des Yasuní-Nationalparks. Er ist Mitbegründer und Sprecher von Yasunidos, eines breiten Bündnisses von Organisationen, das auch international unterstützt wird. Das Bündnis gründete sich unmittelbar, nachdem Präsident Rafael Correa im August 2013 die Yasuní-ITT-Initiative für gescheitert erklärt hatte.

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