Costa Rica | Nummer 358 - April 2004

Akademie mit beschränkter Haftung

In Costa Rica steht die Entscheidung über eine „Internationale Akademie für die Durchsetzung der Gesetze“ für Lateinamerika auf des Messers Schneide

Ob die in Costa Rica geplante Akademie zur Verbrechensbekämpfung (ILEA) tatsächlich im Dienste der Demokratie steht, ist fraglich. Kritiker sehen in ihr ein Instrument der transnationalen Repression. Sie vermissen vor allem Transparenz und Möglichkeiten zur Partizipation.

Jonas Rüger

Im Juni 2002 haben der costaricanische Innenminister Rogelio Ramos und US-Botschafter John Danilovich ein Abkommen über die Einrichtung einer „International Law Enforcement Academy“ (ILEA) in dem mittelamerikanischen Land unterzeichnet. Es wäre die weltweit Fünfte nach den seit 1995 gegründeten Akademien in Budapest, Bangkok, Botswana und Neu Mexiko. An der ILEA sollen Polizei- und Justizkräfte aus dem ganzen Kontinent geschult werden.
Darüber, dass lateinamerikanische Polizisten und Justizbeamten besser ausgebildet werden müssen, besteht weit gehende Einigkeit. Die Frage ist aber, welcher Art diese Ausbildung sein soll und ob eine Akademie unter US-Aufsicht das richtige Werkzeug dafür ist. Denn obwohl sich die Regierungen hehre Prinzipien wie die Förderung von „Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Demokratisierung und Schaffung von Kompetenz für die Durchsetzung der Gesetze“ auf die Fahnen schreiben, werden Zweifel laut. Bis zum 30. April haben die USA dem costaricanischen Parlament noch Zeit eingeräumt, um über den Fall zu entscheiden.
Eine Extremposition vertritt Richard Cummings, US-Kolumnist und ehemaliger Anwalt der US-Entwicklungsbehörde US-AID für Israel, Jordanien, Pakistan und Afghanistan. Er sieht in den ILEAs schlicht Vorposten der CIA. Andere Kritiker betrachten die Akademie als weiteren Baustein einer militärisch-wirtschaftlich-geopolitischen Kontrollstrategie und stellen sie auf eine Stufe mit dem Plan Colombia. Derartige Sicherheitskonzepte stünden mit Freiandelsverträgen wie dem kürzlich abgeschlossenen Central American Free Trade Agreement (CAFTA) in Beziehung, meinen sie.
Costa Rica, das seine Armee 1948 abschaffte, sieht sich gerne als Hort von Frieden, Demokratie und Neutralität inmitten der brutalen Konflikte, die das Bild Mittelamerikas geprägt haben. Das war mit ein Grund, warum die USA das Land als Standort favorisierten. Jetzt sorgen die Vorwürfe in der „Schweiz Lateinamerikas“ aber für heftige Diskussionen. Die Regierungen versuchten diesen mit einem Zusatzabkommen zu begegnen, in dem ausdrücklich festgelegt wird, dass „an der Akademie keinerlei Ausbildung oder Aktivitäten militärischer Natur oder mit militärischen Zielen stattfinden [werden]“. Auch der Befürchtung, das Akademiegelände werde aus der staatlichen Souveränität Costa Ricas herausfallen, wird dort widersprochen. Einer Klausel, die den Lehrkörper auf Angestellte ziviler Organisationen beschränkt, stimmten die USA jedoch nicht zu.

Unrühmliche Vorläufer
Auch gemäßigtere Kritiker weisen zudem auf die wenig rühmliche Geschichte von US-Ausbildungshilfe für Sicherheitskräfte in Lateinamerika und der ganzen Welt hin. Insbesondere an der berüchtigten „School of the Americas“ (inzwischen „Western Hemisphere Institute for Security Cooperation“) in Fort Benning, Georgia wurden zahlreiche Offiziere geschult, die später – nicht zuletzt unter den zentralamerikanischen Diktaturen – für Todeskommandos und schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren.
Damals wurde der Kalte Krieg als Rechtfertigung für die Beihilfe zu Aufstandsbekämpfung und Staatsterror bemüht. Die heutigen ILEAs sollen vor allem der Bekämpfung von internationalem Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, Geldwäsche, Finanz- und Cyberkriminalität und natürlich Terrorismus dienen. Einige dieser Punkte sind in Mittelamerika auch durchaus ernst zu nehmende Probleme. So dient der Isthmus seit langem als Korridor für Drogen aus dem Süden und Waffen aus dem Norden. Im vergangenen Jahr flog in Costa Rica ein Kinderhändlerring auf, der illegale Adoptionen mittelamerikanischer Säuglinge in Industrieländer organisierte. Trotzdem bleibt die Frage bestehen, ob eine Ausrichtung der Kurse auf diese Schwerpunkte tatsächlich den vorgegebenen Zielen der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Demokratisierung gerecht würde. Denn Lehrgänge zu diesem Thema tauchen bisher nicht in den Curriculum-Entwürfen auf.

Keine öffentliche Kontrolle
Die costaricanische Bürgerrechtsorganisation Asociación Costarricense de la Defensa Pública (ACDP) bemängelt außerdem das Fehlen von Partizipation bei der Definition der Grundsätze. So sei das dem Abkommen zu Grunde liegende Menschenrechtsverständnis „von den Maßstäben derer, die das Projekt vorantreiben und finanzieren bestimmt“ und nicht Ergebnis einer öffentlichen Diskussion. Vor dem Hintergrund des Widerstandes der USA gegen den Internationalen Strafgerichtshof und die Ratifizierung wichtiger internationaler Menschenrechtsabkommen sei dies umso Besorgnis erregender, urteilt Rodrigo Carazo, Abgeordneter der Partido Acción Ciudadana. Ebenso wird das Fehlen von Transparenzmechanismen kritisiert. Im Abkommen wird eine Rechenschaftspflicht nur gegenüber den beiden Regierungen und nur für die jeweils von ihnen bereit gestellten Mittel festgelegt. Eine unabhängige Überprüfung muss von einem der Partner beantragt werden, die Kosten trägt der Antragsteller. Bestimmungen über Berichterstattung an die Öffentlichkeit fehlen gänzlich. So sollen Schüler aus ganz Lateinamerika die Akademie besuchen, für die anderen Staaten und die Öffentlichkeit besteht aber keine festgeschriebene Möglichkeit der Kontrolle.
Kritiker des Projektes fordern deshalb, dass eine solche Einrichtung erstens multilateraler Natur sein und zweitens ausführliche Informationen über Ausbilder, Lehrinhalte und Schüler zur Verfügung stellen müsse. Dass das ausländische Lehrpersonal in Costa Rica diplomatische Immunität genießen soll, läßt diese Forderung noch wichtiger erscheinen. In der momentan vorgesehenen Form hätte die Akademie nach Auffassung der ACDP mit der Ausbildung von Polizei- und Justizbeamten aus ganz Lateinamerika „einen – direkten oder indirekten – Einfluss auf Strafverfolgung und Strafgesetzgebung, der die Möglichkeit zur demokratischen Diskussion und Definition dieser Bereiche verringern würde.“
Indessen scheinen die USA die anhaltenden Diskussionen leid zu sein. Ende Januar forderten sie von der costaricanischen Regierung die Ratifizierung des Abkommens bis zum 30. April. Andernfalls werde das Projekt als gescheitert betrachtet. Die Entscheidung liegt damit beim costaricanischen Parlament, dem die Regierung bereits im Mai 2003 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt hat. Aber selbst eine Ablehnung dürfte nicht das Ende der ILEA für Lateinamerika bedeuten. Andere Gastgeber, die sich nicht nur ein besseres Verhältnis zu den USA, sondern auch Arbeitsplätze und Investitionen erhoffen, wären wahrscheinlich leicht zu finden. Guatemala, dass sich bereits während der CAFTA-Verhandlungen mit besonders weit gehenden Angeboten, die Märkte zu öffnen, hervortat, soll bereits Interesse bekundet haben.

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