All right bei Albright
Milliardenhilfe aus den USA soll den Plan Kolumbien mitfinanzieren
Kolumbien ist nicht allein“, versicherte US-Außenministerin Madeleine Albright den wartenden Journalisten in der Küstenstadt Cartagena, bevor sie das Land in Richtung Norden verließ. Auf einer Pressekonferenz versprach sie Präsident Pastrana, daß „wir 100 Jahre Frieden, Demokratie und größeren Wohlstand für unsere beiden Staaten erreichen werden.“ Diesen wird es gefreut haben, schließlich konnte er bekanntgeben, daß die US-Regierung bereit ist, seinen Plan Kolumbien mit knapp 1,6 Milliarden US-Dollar für die nächsten zwei Jahre zu unterstützen
Dieser Plan umfaßt ein Budget von über sieben Milliarden US-Dollar. Er soll dem Land aus der sozialen und wirtschaftlichen Krise helfen, eine Stärkung des Justiz- und Strafsystems voranbringen, sowie für Frieden und für den Kampf gegen den Drogenhandel stehen. Für einen Teil der Kosten ist die kolumbianische Regierung nicht nur in den USA, sondern auch in der EU nach Geldgebern auf der Suche. In den letzten Monaten pilgerten hochrangige Vertreter der Regierung auf einem Werbefeldzug durch europäische Länder, um ihren hochgesteckten Plan vorzustellen.
Dieser liest sich allerdings wie eine Wunschliste und bleibt mit seinen rein strategischen Forderungen oberflächlich. Nach Angaben des deutschen Auswärtigen Amtes gibt es deshalb bisher noch keine Zusagen für eine Unterstützung. Eine Geberkonferenz im Juni soll entscheiden, welche konkreten Projekte finanziell unterstützt werden sollen.
Verwirrend kommt hinzu, daß es nach verschiedenen Angaben zwei Fassungen des Plan Kolumbien gibt: innerhalb Europas hebt der Plan die Notwendigkeit sozialer Hilfsmaßnahmen hervor, während die in den USA kursierende Fassung sich auf den Antidrogenkrieg konzentriert. Aileen Tickner, Direktorin des Zentrums für internationale Untersuchungen an der Andenuniversität, spricht gar von vier Fassungen. Dabei unterscheiden sich die Formulierungen und die Anordnung der Themen enorm. Insgesamt scheint es aber, als sollten die Europäer hauptsächlich für den sozialen Teil des Plans Geld fließen lassen, während sich die USA der Umstrukturierung und Modernisierung der kolumbianischen Armee widmen.
So zumindest läßt sich der Vorschlag der US-Regierung deuten, der am 10. Januar vorgestellt wurde: Von den Hilfsgeldern sind rund eine Milliarde US-Dollar für das Militär vorgesehen, während gerade einmal 93 Millionen US-Dollar für den Schutz der Menschenrechte und der Justiz zugute kommen würden. Nur 145 Millionen US-Dollar sollen in die alternative ökonomische Entwicklung fließen, um dafür zu sorgen, daß Bauern nicht mehr Kokapflanzen, sondern andere landwirtschaftliche Produkte anbauen.
Modernisierung der Streitkräfte
Geplant ist der Kauf von 63 Militärhubschraubern, sowie weiterem Equipment, um – so ließen es die Verhandlungspartner verlauten – die Kontrolle über den Süden des Landes wieder zurückzugewinnen. Gemeint sind die Provinzen Putumayo und Caquetá, die als Zentren des Kokaanbaus gelten. Um dieses Ziel zu erreichen und den „Antidrogenkampf“ erfolgreich weiterzuführen, sollen im Frühjahr diesen Jahres zwei weitere Antidrogen-Bataillone in der Militärbasis von Tres Esquinas stationiert werden. Dort wird bereits ein Bataillon von 950 Soldaten mit US-Hilfe ausgebildet.
Daß der Süden des Landes eine Hochburg der Guerilla ist und ein Teil der Provinz Caquetá zur entmilitarisierten Zone für die Verhandlungen zwischen den Rebellen und der Regierung gehört, dürfte bei den Plänen eine Rolle gespielt haben. Iván Ríos, ein Sprecher der FARC-Guerilla, äußerte die Befürchtung, daß diese Finanzhilfen für die Drogenbekämpfung nur ein Vorwand sind, um gegen die Guerilla vorzugehen. „Das ist ein äußerst gefährlicher Schritt, um den Konflikt im Land weiter anzuheizen“, so Ríos.
Unverhohlenere Töne kamen aus kolumbianischen Militärkreisen: der Kampf gegen den Drogenhandel schließt eben zwangsläufig den Kampf gegen die Guerilla ein. Im Zuge der neuen finanziellen Unterstützung und Ausbildung der Soldaten versprach der Sekretär der US-Streitkräfte Louis Caldera „dramatische Resultate“ innerhalb der nächsten 18 Monate im Kampf gegen den Drogenhandel.
Kritik aus den Reihen der US-Demokraten
Kritik an der finanziellen Unterstützung wurde auch von den Demokraten aus den USA geäußert, allen voran von Senator Patrick Leahy. Er sieht darin „eine dramatische Gewaltspirale zur Unterdrückung eines Volksaufstandes unter dem Vorwand einer Antidrogenpolitik.“ Desweiteren fehlen ihm Anstrengungen der kolumbianischen Armee, gegen die paramilitärischen Verbände vorzugehen, die für die Mehrzahl der Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. amnesty international sieht die Gefahr, daß von den hohen finanziellen Zuwendungen auch die Paramilitärs profitieren und ihren Aktionsradius weiter ausdehnen könnten, denn diese werden aus Armeekreisen unterstützt.
Das Finanzpaket muß nun noch den US-Senat passieren. Um dafür zu werben, flog Pastrana am 24. Januar zum vierten Mal innerhalb seiner 17-monatigen Amtszeit ins Weiße Haus. Alarmierend oder nicht: beide Staatsmänner pflegen ihre „neue Ära zwischen Kolumbien und den USA“. Clinton betonte im Bezug auf das Finanzpaket, daß sich das Risiko lohne und er die Entwicklung in Kolumbien „sehr genau verfolgt“.
Anschläge und Attacken gehen weiter
Ein Grundproblem des Plan Kolumbien scheint vor allem im militärischen Aspekt zu liegen. Der beinhaltet „die zwangsläufige Erhöhung der Kapazitäten von Armee und Polizei während des Friedensprozesses, um eine wirkungsvolle Präsenz im ganzen Land bieten und eine friedliche Beilegung des Konflikts garantieren zu können.“ Diesem fragwürdigen Punkt haben sich nun die USA wohlwollend angenommen. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob das Vertrauen bei den Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der Guerilla schafft.
Die Verhandlungen wurden nach einer Pause über Weihnachten und Silvester zwischen der FARC und einer Regierungskommission am 13. Januar wieder aufgenommen; ebenso auch die militärischen Auseinandersetzungen, nachdem eine 20-tägige Feuerpause zwischen den Konfliktparteien abgelaufen war. Während die FARC am Verhandlungstisch die ökonomische Situation des Landes thematisiert haben wollte, starteten FARC-Einheiten mehrere Attacken auf Ortschaften nahe der Hauptstadt Bogotá, bei denen über 50 Menschen ums Leben kamen.
Die ELN-Guerilla verübte anfang des Monats verstärkt Anschläge auf das Stromnetz im Nordwesten des Landes, um gegen Privatisierungen im Energiesektor zu protestieren. Diese gehören zu den Auflagen des IWF (Internationaler Währungsfonds), die an die im letzten Jahr ausgehandelten Kredite für Kolumbien gebunden sind. Mindestens 22 Strommasten wurden gesprengt, wodurch in Teilen der Provinz Antioquia und in der Millionenmetropole Medellin enorme Problemen bei der Energieversorgung entstanden. Nicolas Bautista, einer der Oberkommandierenden der ELN, macht ein Ende der Anschläge davon abhängig, wie die Regierung auf ihre Forderungen reagiert. Sie wollen – ähnlich den FARC – ebenfalls eine von Soldaten entmilitarisierte Zone zugestanden bekommen, um die „Nationalkonvention“ (siehe LN 306) realisieren zu können. Dann ließe sich auch über die Privatisierungen im Energiesektor reden, so Bautista.
Als Antwort auf die Anschläge begann die Regierung mit einer erhöhten Militarisierung des Gebietes. Sie schickte 2.000 Soldaten nach Antioquia, um weitere Anschläge zu verhindern. Die Paramilitärs kündigten an, sie würden zur Vergeltung für jeden gesprengten Mast zehn Guerilleros oder Sympathisanten ermorden und ihre Angriffe ausweiten. Kurz darauf kamen 29 Bauern in Antioquia bei zwei Massakern durch Paramilitärs ums Leben.