Honduras | Nummer 385/386 - Juli/August 2006

Am deutschen Entwicklungswesen

Deutsche Entwicklungsorganisationen ignorieren Interessen der indigenen Bevölkerung

Zum angeblichen Schutz des honduranischen Biosphärenreservats Río Plátano werden indigene BewohnerInnen aus der Kernzone vertrieben. Unter Federführung der deutschen GTZ sollte ein auf Nachhaltigkeit zielendes Projekt entstehen, das die Biodiversität schützt und seinen Bewohnern wirtschaftlichen Alternativen ermöglicht. Doch während die Vertreibung der indigenen Gruppen voranschreitet, bleiben die dringendsten Probleme wie illegaler Holzeinschlag und Einbindung der lokalen Bevölkerung ungelöst.

Klaus Pedersen

Man stelle sich vor, Hessen würde zum Flächennaturschutzdenkmal erklärt, und ein Viertel dieses Bundeslandes – die Kernzone – müsste von seinen BewohnerInnen geräumt werden. Ein Unding? Keineswegs, so geschehen als 1982 von der UNESCO sieben Prozent der honduranischen Landfläche zum Welterbe der Natur erklärt wurden. Später gab es Forderungen, sämtliche BewohnerInnen aus der Kernzone dieses im Nordosten des Landes gelegenen Biosphärenreservats zu entfernen – ungeachtet der Tatsache, dass neben den seit Menschengedenken dort lebenden Miskitos, andere Indígenas von der mestizischen Bevölkerung zum Teil erst in den 60er und 70er Jahren in diese Region vertrieben wurden. Somit sollten sie zum zweiten Mal Opfer von Vertreibung werden.
Als die vorgeblichen HüterInnen der biologischen Vielfalt feststellten, dass das Biosphärenreservat Río Plátano – an welchem sie zwecks späterer Inwertsetzung interessiert waren – nur auf dem Papier existierte, trat die „Entwicklungszusammenarbeit“ auf den Plan, in erster Linie die deutsche. Zwischen Februar 1997 und März 2006 wurden dort 15,7 Millionen Euro ausgegeben.

Die „Biosphäre der Deutschen“

Es wurde sich viel vorgenommen: Zunächst sollten ein Managementplan erarbeitet und die Kernzone des Reservats abgegrenzt werden. Dann wollte man die darin lebenden Familien umsiedeln. Eine Parkverwaltung mit Kontrollstützpunkten sollte den illegalen Holzeinschlag unterbinden und die Migration von Subsistenzbauern und –bäuerinnen in die Pufferzone eindämmen. Für die in der Pufferzone lebenden Menschen wollte man eine Infrastruktur aufbauen und wirtschaftliche Alternativen schaffen. Schließlich sollte ein Bodenkataster für geordnete Eigentumsverhältnisse sorgen.
Der Löwenanteil für diese Maßnahmen kam von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ins Land. Die GTZ wiederum hat einen Teil dieser Aufgaben an die Hamburger GFA Consulting Group abgegeben. Das GTZ/GFA-Team, das der honduranischen Regierung in diesem Bereich schon vor etlichen Jahren die Zügel aus der Hand genommen hat, macht sich angesichts des „desolaten Zustands des honduranischen Staatshaushalts” neuerdings Sorgen um die „Nachhaltigkeit“ des Projekts. Doch der Mangel an Nachhaltigkeit ist im Projekt selbst angelegt.
Von ihren selbst gesteckten Zielen hat die GTZ bisher nur wenige erreicht: Die 140 in der Kernzone lebenden Familien wurden entfernt. Am Südeingang des Parks befindet sich seit Ende 2004 ein Verwaltungspalast, der dem Gebiet den Spitznamen „Biosphäre der Deutschen” einbrachte. Die Kernzone ist demarkiert und die Kontrollstützpunkte sind eingerichtet. Viel mehr kann dieses Prestigeprojekt nachhaltiger Entwicklung bisher aber nicht aufweisen. Nach sechs Jahren Laufzeit ist selbst die GTZ zu der Erkenntnis gelangt, dass “der Schutz und das Management der Kernzone nicht einfach durch den Einsatz von paramilitärischen Rangern sichergestellt werden kann.”. Die Engstirnigkeit der GTZ ist schon beeindruckend. Die Verantwortlichen hätten schon bevor der erste Cent ausgegeben wurde, erkennen müssen, dass in einem Land, in dem in den 80er Jahren die Bodenreform brutal abgewürgt und hunderte BauernführerInnen ermordet wurden, die ungelöste Landfrage eines der größten Probleme darstellt. Der Ansatz, dem Siedlungsdruck migrierender Subsistenzbauern und -bäuerinnen mit Parkrangern zu begegnen, erscheint dabei so konsequent wie wirkungslos.

Die guten Verbindungen der Holzmafia

Im Gegensatz zur erfolgreichen Entfernung der 140 Familien aus der Kernzone des Reservats, ist das Projekt, wie die GTZ selbst eingesteht, an der eigentlichen Schlüsselfrage gescheitert, nämlich bei der Unterbindung der Aktivitäten der Holzmafia. Da COHDEFOR, die staatliche Forstbehörde, der wichtigste Projektpartner von GTZ/GFA ist, verwundert das jedoch nicht sonderlich. Die Korruption dieser Behörde ist notorisch. Während sie die örtliche Bevölkerung drakonisch bestraft, wenn sie Holz für den Eigenbedarf entnimmt, werden beide Augen zugedrückt, wenn die Sattelschlepper der Holzmafia nachts die Stämme wegfahren und sie unter anderem ins Imperium von José Lamas bringen, des größten Holzhändlers und vermutlich reichsten Mannes von Honduras. Den Holzbaronen wurde sogar die Errichtung eines Sägewerks inmitten des Biosphärenreservats gestattet. Der frühere COHDEFOR-Chef, Marco Vinicio Arías, wurde im Jahr 2002 öffentlich beschuldigt, illegalen Holzeinschlag erlaubt zu haben. Auch dem Parlamentspräsidenten Porfírio Lobo Sosa, der ebenfalls früher COHDEFOR-Chef war, werden enge Beziehungen zur Holzmafia nachgesagt.
Wie in anderen Ländern dieser Region liegen illegale Holzextraktion, Drogenschmuggel und Gewaltkriminalität dicht beieinander. Fester Bestandteil dieses undurchdringlichen Filzes sind korrupte RegierungsvertreterInnen, mit denen die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, die eine Kooperation auf staatlicher Ebene betreibt, zwangsläufig zusammen arbeiten muss.
Basisbewegungen wie die lokale Umweltorganisation von Olancho MAO oder der Zivile Rat der Volks- und Indígenaorganisationen in Honduras COPINH dürften hingegen kaum zu den ProjektpartnerInnen der GTZ gehören.
Zahlreiche Mitglieder dieser offensiv gegen den illegalen Holzeinschlag auftretenden Organisationen stehen auf den Todeslisten der Holzmafia. Die Motive von MAO und COPINH sind so einfach wie fundamental: Entwaldung führt zum Absinken des Grundwasserspiegels und gräbt damit der Subsistenzwirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab. Die Unterbindung des illegalen Holzeinschlages hat daher für die Campesin@s existentielle Bedeutung.
Auch sonst bleibt die Beteiligung der örtlichen Bevölkerung an der nachhaltigen Entwicklung weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Die GTZ schreibt in ihrer Hauszeitschrift akzente, dass sie seit acht Jahren einen Beitrag zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Biosphäre Río Plátano und zur „langfristigen Verbesserung“ der ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen jener 45.000 Menschen leiste, die außerhalb der Kernzone siedeln. Seit 2003 gäbe es dazu einen Managementplan für das Biosphärenreservat. Bereits im Jahr 2000 kritisierte Edgar Benitez, Direktor der Unabhängigen Kommission für Entwicklung und Umweltschutz CIDCA, dass fünf Millionen US-Dollar für die Erarbeitung eines Managementplans ausgegeben wurden, in dem das grundlegendste Problem – die kollektiven Landrechte der indigenen Bevölkerung – keinerlei Beachtung fand.
Das so genannte Co-Management durch die lokale Bevölkerung betrachten GTZ und GFA als ein Beispiel gelungener Partizipation und indigener Emanzipation. Die „JuniorpartnerInnen“ der deutschen Entwicklungshilfe sind da anderer Ansicht. In einer Deklaration der Mesoamerikanischen Indigenen Völker wird das Konzept des Co-Managements als „nicht kompatibel mit der Vision und Kosmovision der indigenen Völker” bezeichnet.

Antikapitalistische Vision

Unter Maßgabe, dass ihre Vision von Territorialität und Schutz der Biodiversität sich nicht auf die Akkumulation von Kapital reduzieren ließe, heißt es: „Die so genannten Schutzgebiete sind Teil unseres Zuhauses, denn sie befinden sich auf dem Territorium unserer Vorfahren“. Mit voller Verantwortung und Verfügungsgewalt für die Indígenas wären für die GFA vielleicht ein paar Millionen Euro weniger zu verdienen gewesen. Aber das Geld hätte den in der Pufferzone lebenden Menschen für die versprochenen Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung gestanden, um jene wirtschaftlichen Alternativen zu schaffen, deren Fehlen 2004 von der UNESCO noch immer beklagt wurde.
Die ungenügende Berücksichtigung der lokalen, indigenen Bevölkerung spiegelt sich auch in den chronischen Problemen bei der Erstellung eines Bodenkatasters wider. Die Miskito-Indigenas wollen Landtitel kollektiv und nicht individuell vergeben wissen. Die GTZ will dagegen, mit Blick auf das Laufzeitende des Projekts, das Katasterprojekt mit aller Macht zu Ende bringen. In Reaktion auf diesen Gewaltakt veröffentlichten drei indigene Dachorganisationen – CONPAH (Konföderation der Eingeborenenvölker Honduras), FITH (Verband der Tawahka Indígenas Honduras) und MUIHKA (Binationale indigene Koordination) – im März in der honduranischen Tageszeitung La Tribuna einen Brief, in dem der Präsident von Honduras und der deutsche Botschafter ultimativ aufgefordert werden, das Katasterprojekt unverzüglich zu stoppen. Andernfalls werde – unter Bezugnahme auf die von Honduras ratifizierte ILO-Konvention 169, die indigenen Völkern rechtsverbindlich Schutz und Ansprüche gewährt – vor internationalen Institutionen Klage erhoben.

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