Nummer 474 - Dezember 2013 | Peru

„Arbeitsrechte müssen für beide Seiten gelten“

Interview mit José de Echave über das deutsch-peruanische Rohstoffabkommen, Menschenrechtsschutz und die Rolle der Gewerkschaften

Perus Wirtschaft ist seit langem auf Bergbauaktivitäten ausgerichtet. Rohstoffexporte bringen einen Großteil der Einnahmen ins Land. Parallel zu der Wirtschaftsleistung steigen auch soziale Konflikte und Umweltbelastungen weiter an. Bestandteil der deutschen Rohstoffstrategie sind Verhandlungen mit Peru über eine Rohstoffpartnerschaft, die kurz vor der Unterzeichnung steht (siehe LN 473). Die LN sprachen hierzu mit dem peruanischen Bergbauexperten José de Echave in Berlin.

Interview: Regina Sonk

Herr De Echave, wie stehen Sie zum Bergbau?
Perus Wirtschaft ist ohne Bergbau undenkbar. Dieser muss aber reguliert werden. Es muss über Konditionen gesprochen werden: Wo darf Bergbau stattfinden, wie viel Rohstoffe werden gebraucht und wie viel Bergbau kann eine Region aushalten? Bergbauaktivitäten gehören zu einem Wirtschaftssektor, der nicht nachhaltig ist. Unsere Ressourcen liegen unter der Erde und werden irgendwann aufgebraucht sein. Mit welcher ökonomischen oder sozialen Logik entscheide ich, dass all diese Vorkommen in möglichst kurzer Zeit aufgebraucht werden müssen? Was passiert, wenn ein Akteur von außen mir sagt, wie ich das machen soll?

Wo müsste politisch angesetzt werden, um diese Fragen anzugehen?
Ich denke, wir befinden uns zurzeit in einer Situation, in der wir unsere Paradigmen vom ständigen Wirtschaftswachstum mit zu hohem Ressourcenverbrauch überdenken müssen. Es gibt heute geo­physikalische Grenzen, die uns eine solche Rohstoffpolitik nicht weiter erlauben. Schon jetzt gibt es Regionen auf der Welt, die kein vorhersehbares Klima haben. Die Situation hat sich verändert und es liegt an der Politik, wirtschaftliche Strategien zu entwickeln, um dem gerecht zu werden.

Welche Probleme sehen Sie in Peru?
In Peru sind soziale Konflikte allgemein angestiegen und verschärfen sich, vor allem im Bezug auf Bergbau. Wir können einen Anstieg in Zahlen, im Ausmaß der Konflikte und ebenso einen vermehrten Einfluss auf die politische Agenda verzeichnen.

Wie reagiert die Regierung Humalas auf diese Konflikte?
Ich habe den Eindruck, dass die zentrale politische Strategie ist, Proteste und deren Anführer_innen zu kriminalisieren. Sie denken, wenn die Anführer_innen verschwinden, zerbrechen die Aufstände. Ich denke, das ist ein Fehler. Die Provinz Espinar ist beispielhaft für die allgemeine Situation im Land. Im Mai 2012 haben Gemeinden gegen den dortigen Bergbau protestiert. Heute sind alle führenden Mitglieder der Proteste kriminalisiert, allen wird der Prozess gemacht. Den Angeklagten wird ihre Verteidigung offensichtlich erschwert. Die Prozesse finden nicht in der Region Cuzco statt, sondern in einem 400 Kilometer weit entfernten Gericht. Nicht nur die Protestführer_innen, sondern auch politische Autoritäten werden kriminalisiert. Gegenwärtig ist der Bürgermeister von Espinar, Óscar Mollohuanca, vor Gericht. Ihn erwartet womöglich eine 15jährige Haftstrafe.

Derzeit verhandelt Deutschland mit Peru über eine Rohstoffpartnerschaft. Welche Bedeutung hat diese für Peru?
Rohstoffpartnerschaften dienen dazu, Ländern wie Deutschland Zugang zu Rohstoffen zu garantieren. Deutschland hat dazu bereits Verträge mit der Mongolei, Kasachstan und Chile unterschrieben. Für Peru bedeutet das ebenfalls mehr Bergbauaktivitäten und -exporte.
Peru hat, wie andere Länder, Abkommen unterschrieben, in denen es Rohstofflieferungen zugesagt hat, sodass ein zusätzlicher Produktionsdruck entsteht. Um der Rohstoffpartnerschaft mit Deutschland gerecht zu werden, wird ein Ausbau des Bergbausektors unausweichlich sein. Das geschieht in einer Situation, in der parallel Umweltbelastungen und Menschenrechtsverletzungen zunehmen.

Was weiß die peruanische und deutsche Zivilgesellschaft über den Inhalt des Abkommens?
In Peru gibt es keine transparente Aufklärung oder irgendeinen Zugang zum Text der Rohstoffpartnerschaft. Was wir wissen ist, dass der Text von deutscher Seite fertig ist und zurzeit in Peru vorliegt. Bei meinem Besuch in Berlin wussten Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen, mit denen ich gesprochen habe, nichts von der Existenz oder dem Inhalt der Rohstoffpartnerschaft. Erst jetzt möchten sie Einsicht in den Inhalt beantragen. Auch die anwesenden zivilgesellschaftlichen Organisationen kannten keinerlei Details des Textes.

Wird die Zivilgesellschaft von solchen Verhandlungen grundsätzlich ausgeschlossen?
Bei einem Treffen im Bundeswirtschaftsministerium wurde mir gesagt, dass es im Januar dieses Jahres ein Treffen mit zivilgesellschaftlichen Repräsentant_innen gab, um über Inhalte und Ziele der deutsch-peruanischen Rohstoffpartnerschaft aufzuklären. Das ist natürlich problematisch, denn seit Januar wurde der Text zweifelsfrei verändert und editiert. Die aktuelle Version ist uns also unbekannt.
In Peru ergibt sich ein ähnliches Bild: Der Text ist unbekannt und die Einsicht wird uns verweigert mit dem Argument, dass bei laufenden Verhandlungen eine öffentliche Auskunft nicht möglich sei. So wird der Inhalt erst freigegeben, wenn er fertig ausgehandelt und unterschrieben ist. Für mich ist das Fehlen an Transparenz zentral. Ich dachte auch, hier in Deutschland wüsste man mehr. Aber die Treffen in den letzten Tagen haben das Gegenteil bewiesen. Es gibt für uns zivilgesellschaftliche Gruppen weder die Möglichkeit am Prozess teilzunehmen, noch uns eine Meinung über die Rohstoffpartnerschaft zu bilden.

Wie funktionieren die bisherigen Rohstoffpartnerschaften? Gibt es Parallelen zu Freihandelsabkommen?
In jedem Rohstoffabkommen gibt es Kapitel, die sich dem Investitionsschutz widmen, wie dies auch in Freihandelsabkommen der Fall ist. Alle diese Texte – ob aus der EU oder den USA – sind ähnlich in ihrer Funktion, Investoren Instrumente zu schaffen, die ihre Investitionen schützen. Diese Mechanismen erschweren es Ländern wie Peru, ihre Umwelt- und Menschenrechtsstandards anzuheben. Denn werden Investitionen angegriffen, können Unternehmen Staaten verklagen. Die Zahl der Schadensforderungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Gegenwärtig liegen dem peruanischen Staat Investitionsklagen in Höhe von sechs Milliarden US-Dollar vor. Zentral ist dabei die Klausel der immateriellen Enteignung. Trifft ein Staat Maßnahmen, die Investitionen beeinträchtigen, die den Unternehmen unvorhersehbare Kosten oder Gewinnverluste einbringen, so gilt das als Enteignung und der Verlust ist einklagbar. Die Mechanismen und Instrumente, die in Freihandelsabkommen oder Rohstoffpartnerschaften verankert sind, schaffen einen neuen Raum von juristischer Legitimität, die über staatlichen Gesetzen steht.

Rohstoffe sind wichtig für die deutsche Wirtschaft. Deutsche Gewerkschaften betonen die Arbeitsplätze, die von Rohstoffimporten abhängen. Wie sehen Sie diese Argumentation?
Das ist eine Begründung, die wir in vielen Fällen hören. Die deutsche Wirtschaft ist auf Wettbewerb ausgerichtet. Wie werden Grundlagen und Beschäftigung geschaffen? Das sind sicherlich sehr typische Sorgen. Ebenso wichtig ist aber, zu beachten, dass parallel Menschenrechtsverletzungen und Umweltbelastungen weiter zunehmen. So entsteht ein paradoxer Zusammenhang, über den gesprochen werden muss. Die Gewerkschaften verweisen immer wieder auf ihre Aufgabe, Beschäftigung zu sichern und natürlich lässt sich das nicht abstreiten. Das reicht aber nicht. Betrachten wir das Thema im globalen Kontext, finden wir ein viel breiteres Handlungsfeld vor. Es müssen andere Themen mitgedacht werden, die es uns erlauben, Arbeits- und Menschenrechte, Sozial- und Umweltstandards zu verbinden. Das Problem ist, dass Gewerkschaften beginnen, von den anderen Arbeitsverhältnissen und -rechten zu sprechen, also denen in Abbaugebieten. Hier benutzen sie dieselbe Sprache wie Unternehmen.

Was fordern Sie von den Gewerkschaften?
Mechanismen für Investitionsschutz finden Raum in bindenden, obligatorischen Abkommen, wobei gleichzeitig die Regelungen zu Menschenrechts- und Umweltstandards lediglich freiwillig und auf Empfehlungen basieren. Das ergibt ein asymmetrisches Bild.
Sicherlich wird es in der deutsch-peruanischen Rohstoffpartnerschaft Klauseln und Abschnitte zu Transparenz und Menschenrechten geben, aber ohne Zweifel auf freiwilliger Basis, die sich dann praktisch schwer einfordern lassen.
Sicher zeigen sich Gewerkschaften oft besorgt und versuchen ihre Vorschläge in Rohstoffpartnerschaften zu verankern. Das Problem ist jedoch, dass eine Besorgnis nicht ausreicht. Es muss Lösungen geben, in denen Arbeitsrechte auf beiden Seiten gesichert werden.

Infokasten:

José de Echave
ist Gründer der peruanischen Nichtregierungsorganisation CooperAcción. Der 55-jährige Ökonom gehörte der Regierung von Präsident Ollanta Humala an, dessen Mitte-Links-Bündnis seit Juli 2011 regiert. De Echave trat aus Protest gegen den Umgang der Regierung mit den Rohstoffkonflikten zurück und ist nun einer ihrer bekanntesten Kritiker_innen.

José de Echave wird an einer gemeinsamen Konferenz von MISEREOR, Brot für die Welt, IG Metall und der Hans Böckler Stiftung zum Thema „Rohstoffe – sicher und fair“ am 5.12. in Berlin teilnehmen.

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