Berlinale

Auf einen Schlag erwachsen

Der Film Ramona dokumentiert das Leben sehr junger Mütter in der Dominikanischen Republik

Von Sonja Schmidt

Bei der Vorbereitung auf ihre Rolle der Ramona, die im Alter von 15 Jahren erfährt, dass sie schwanger ist, entschließt sich die Schauspielerin Camila Santana den Dingen auf den Grund zu gehen. Das heißt in ihrem Fall, sich auf die Suche nach jungen Frauen zu machen, die als Teenagerinnen oder als sehr junge Erwachsene schwanger werden. Die Gespräche, die sie im Folgenden mit mehreren Gruppen junger Frauen führt, sind Inhalt der Dokumentation Ramona.

© Jaime Guerra

Dabei gleicht der Film eher einer Versuchsanordnung, wechselt häufig das Setting und die Rolle der Befragten. Die oft wechselnden Einstellungen stellen eine Analogie zu den Fragen Camilas her, die versucht, sich die Erfahrungen der jungen Frauen zu eigen zu machen. Das uneindeutige Format, mal dokumentarisch, mal inszenierte Stellprobe und schließlich Elemente aus der Dokufiktion, spiegelt diese Suche treffend wider. Die Doku, die frei-assoziativ verschiedene Themen behandelt, verschwimmt in ihrer Form. Die befragten Mütter werden immer mehr zu handelnden Protagonistinnen. Zudem zeigt der Film eine Dominikanische Republik jenseits der Postkartenidylle, frei von Kitsch. Vielmehr wird ein ungeschöntes Bild des Lebens junger Heranwachsender in den Armenvierteln Santo Domingos gezeichnet. Durch das soziale Gefälle zwischen Camila und den schwangeren Teenagerinnen wird der Klassenunterschied verdeutlicht. Während Camila aus einer wohlhabenden Gegend zu kommen scheint und zunächst wenig Berührungspunkte zur Lebensweise der jungen Frauen aufweist, spielt Ramona beinahe ausschließlich in deren Umgebung, in der von Armut geprägten Comunidad de Gualey. Camila tastet sich suchend voran und kann sich dabei ihre Herkunft nicht zum Vorteil machen, im Gegenteil, sie ist die rubia, diejenige, die nicht dazu gehört. Trotzdem gelingt es ihr im Laufe der Zeit, sich zu integrieren und mit ihren Gesprächspartnerinnen auf Augenhöhe zu interagieren.

© Jaime Guerra

Die werdenden Mütter sind selbst noch beinahe Kinder, die bei ihren (meist alleinerziehenden) Müttern oder Eltern wohnen. So berichtet eine von ihnen, dass sie ihre Spielsachen noch im Zimmer habe und gelegentlich auch mit ihnen spiele.

Allgegenwärtig scheint der machismo, denen die jungen Mütter ausgesetzt sind. Die Kindsväter sind in der Regel abwesend und die Umstände der Schwangerschaften geprägt von patriarchalen Gewalterfahrungen. Besonders heftig ist hier die Schilderung einer Befragten davon, wie ihr Vater auf ihre Schwangerschaft reagiert habe. Schläge und Gewaltandrohungen prägen die Lebensrealität der Teenies. Dem gegenüber steht eine solidarische Schwesternschaft – der Berlinale-Begleittext nennt sie Schwesternschaft der 15 – aus der die jungen Frauen Kraft ziehen können und lernen, sich zu behaupten.

Mit Ramona ist der Regisseurin Victoria Linares Villegas eine stilistisch interessante Dokumentation gelungen, die vor allem auf den zweiten Blick viele Perspektiven eröffnet.

LN-Bewertung: 4/5 Lamas

Ramona, Dominikanische Republik 2023, Generation 14plus, 82 Minuten; Regie: Victoria Linares Villegas, Trailer Berlinale-Termine: Dienstag, 21.02., 17:00 h, Urania Mittwoch, 22.02., 13:00 h, Zoo Palast 2 Samstag, 25.02., 15:30 h, Filmtheater am Friedrichshain Sonntag, 26.02., 18:45 h, Cubix 8

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