Film | Nummer 332 - Februar 2002

Bloody Maries in Pernambuco

Der brasilianische Film As tres Marias von Aluizio Abranches

Anja Witte

Ein Mann verbrennt auf offener Straße, jemand findet ein menschliches Auge auf einem Teller, ein Körper hängt an seinen Eingeweiden aufgeknöpft in einem Türrahmen. Drei grausame Morde stehen am Anfang des spannungsgeladenen Films As tres Marias (Die drei Marias) des brasilianischen Regisseurs Aluizio Abranches. Mit den technischen Mitteln eines modernen Thrillers wird die märchenhafte Geschichte einer großen Rache erzählt. Ein zurückgewiesener Verehrer läßt durch seine beiden Söhne alle männlichen Mitglieder der Familie seiner angebeteten Filomena brutal ermorden. Als Filomena von der Tragödie erfährt, entsinnt sie einen Racheplan. Sie entsendet ihre Töchter, alle drei tragen den Namen Maria, mit der Mission jeweils einen berüchtigten Killer mit der Vendetta zu beauftragen. Das Schicksal nimmt seinen Lauf, die Frauen machen sich auf den Weg. Ihre Aufgabe erweist sich als schwierig, hatte die Mutter bei der Auswahl der Vollstrecker doch einen eigenwilligen Geschmack.
Märchenhaft und trotz der dramatischen Handlung oft witzig wirkt der Film durch die überspitzte Zeichnung der Charaktere. So trifft die älteste Tochter Maria Francisca auf einen religiösen Fanatiker in Schlangenlederjacke. Dieser hat zwar kein Problem damit für Geld zu morden, spricht allerdings prinzipiell nicht mit Frauen. Zu gefährlich, fürchtet er mit der Bibel in der Hand. Jeder weiß doch, dass die verdammte Verführerin und Schlangenfreundin Eva schon damals Schuld hatte am Rausschmiss aus dem Paradies.
Gewalttätig ist die Gesellschaft in diesem Film und durchdrungen von einer Religiosität, die ans Absurde grenzt. Egal ob Täter, Opfer oder Rächer, alle berufen sich auf Gottes Wort, sterben und morden gleichermaßen mit Bibelzitaten auf den Lippen. Handlungsmaxime ist das alttestamentarische Gesetz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Bis auf eine Ausnahme kommt niemand auch nur auf die Idee, dass etwa eine Gerichtsbarkeit sich der Bestrafung der Schuldigen annehmen könnte. Lediglich Tenório hat als staatlicher Gesetzeshüter Skrupel einen Mord zu begehen. Doch auch er ist schwach. Und so lässt der Regisseur diesen einzig möglichen Verteidiger einer weltlichen Justiz mit viel weißem Schaum vorm Mund an der Tollwut krepieren. Aluizio Abranches, der schon im Jahr 2000 mit seinem Beziehungsdrama Um copo de cólera (Ein Becher Wut) auf vielen internationalen Filmfestivals glänzte, erweist sich in As tres Marias als Meister hinreißender Leinwandgemälde. Schon der Auftakt des Films begeistert. Eine Frau und ein Mann, winzig und nur als Silhouetten erkennbar. Über ihnen schwebt, das Unheil des kommenden Dramas ankündigend, ein gigantisch großer Fels, dahinter öffnet sich die weite karge Landschaft Pernambucos.
Um die Mutter Filomena, eindringlich gespielt von Marieta Severo, spannt sich die Handlung des Films. In Szene gesetzt wie von einem holländischen Maler des 17. Jahrhunderts, scheint sie alle Fäden in der Hand zu halten, während sie stickend am offenen Fenster auf die Rückkehr ihrer Töchter wartet. Doch die drei Marias sind die wahren Heldinnen des Films. Inmitten eines Gruselkabinetts voll gewalttätiger, durchgeknallter, letzten Endes schwacher Männer ergreifen sie, jede auf ihre Weise, die Initiative und überschreiten dabei auch durch die Mutter gesetzte Grenzen. Und so fühlt sich Filomena zum Schluss vom Schicksal betrogen, als dann doch alles anders kommt als geplant.

As tres Marias; Regie: Aluizio Abranches; Brasilien 2001; Farbe
Der Film wird auf der Berlinale im Panorama (6.-17.2.2002) gezeigt.

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