Nummer 406 - April 2008 | Sachbuch

Brasilien in der Weltwirtschaft

Regierung Lula setzt Akzente in der Süd-Süd-Kooperation

Brasilien nimmt seit Amtsantritt der Regierung Lula da Silva eine besondere Rolle im Süd-Süd-Verhältnis ein. Stefan Schmalz, Mitarbeiter der Uni Marburg, analysiert diese Entwicklung in seinem Buch Brasilien in der Weltwirtschaft – Die Regierung Lula und die neue Süd-Süd-Kooperation.

Markus Schwarzbach

Seit 1990 unter George Bush senior hegen die USA den Traum von der gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA: Freihandel von Alaska bis Feuerland zu den Bedingungen Washingtons. 2008 gilt das Konzept als so gut wie gescheitert. Statt Nord-Süd-Integration stehen die Zeichen in Südamerika eher auf Süd-Süd-Integration. Das Modell des Neoliberalismus wird damit in Frage gestellt. Neben der Bolivarianischen Alternative für die Völker Amerikas (ALBA), die von Hugo Chávez vorangetrieben wird, ist die Zusammenarbeit Brasiliens mit Argentinien das markanteste Beispiel einer regionalen Süd-Allianz. Durch gemeinsames Engagement der beiden Regierungen wurde die Kooperation in Lateinamerika auf Basis des Abkommens über den Gemeinsamen Markt des Südens (MERCOSUR) verbessert.
Doch der Widerstand gegen die neoliberale Globalisierung geht über Lateinamerika hinaus und auch dort spielt Brasilien eine bedeutende Rolle. Greifbarer Auftakt einer Gegenbewegung des Südens ist das Scheitern des Gipfels der Welthandelsorganisation 2003 im mexikanischen Cancún. Die Zentren zeigten sich weder bereit, ihre Märkte für Agrargüter aus dem Süden weiter zu öffnen noch Abstriche bei der Praxis der Subventionierung ihrer eigenen Agrardumpingexporte in den Süden zu machen. Das wurde seitens des Südens stark kritisiert und führte zum Scheitern der Verhandlungen. Die RegierungsvertreterInnen aus dem Süden akzeptierten die undemokratischen Verhandlungsstrukturen nicht mehr. Länder des Südens mit Brasilien als einem der Wortführer bildeten die Gruppe der G20 mit eigenständigen Forderungen und vertreten auf diese Weise mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung.
Eine verstärkte Zusammenarbeit betreibt Brasilien mit Indien und Südafrika. Gemeinsam forderten die Länder des Südens bei der WTO die Möglichkeit zur Herstellung von billigen Medikamenten zur Behandlung von Aids, so genannte Generika, ein. Auch realwirtschaftlich wird kooperiert. Bereits 2004 wurde eine Freihandelszone des MERCOSUR mit Indien vereinbart. Mit Gründung des IBSA Dialogue Forum (India, Brazil and South Africa Dialogue Forum) im Juni 2003 wurde zudem schon vor Cancún die Kooperation intensiviert und Forderungen nach Reform der UNO, einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung und Maßnahmen gegen den Protektionismus der Industriestaaten gemeinsam formuliert.
Schmalz sieht in der Süd-Süd-Kooperation eine positive Entwicklungsmöglichkeit für eine neue Geographie des Welthandels, die sich stärker auf die Südhalbkugel verlagert. Diese Kooperation befindet sich allerdings noch in der Anfangsphase. Es bleibt die Gefahr, dass die USA und Europa nach Scheitern der WTO-Verhandlungen nun durch bilaterale Vereinbarungen mit Ländern des Südens ihre Interessen durchsetzen.
Weiterhin verdeutlicht Schmalz in seinem neuen Band die Bedeutung Brasiliens für eine Zusammenarbeit des Südens, die insbesondere ein Verdienst der Regierung Lula ist. Daran zeigt sich, bei aller Kritik an der fehlenden Agrarreform im Innern, die besondere Rolle Lula da Silvas. Das Ziel der Arbeiterpartei PT bleibt eine partielle ökonomische Abkoppelung von den USA und eine Antwort auf die Herausforderung der Globalisierung – durch Verbesserung der Zusammenarbeit mit südamerikanischen Staaten und der Kooperation mit Ländern des Südens.


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