Das Streichhölzchen
Der Roman “Ein Chinese auf dem Fahrrad” des Argentiniers Ariel Magnus
Ganz Buenos Aires sucht einen Brandstifter. Dieser soll angeblich auf einem Fahrrad flüchten und wird von der Presse bald „Fosforito“, das Streichhölzchen, genannt. Der Chinese Li passt genau ins Bild und wird verhaftet.
Der argentinische Undergroundschriftsteller Ariel Magnus greift in seinem höchst gelobten und mit dem Preis „La otra orilla“ ausgezeichneten Buch Ein Chinese auf dem Fahrrad ein vor einigen Jahren vorgefallenes Ereignis auf, bei dem ein Chinese (mit einem Fahrrad) der Brandstiftung bezichtigt und als mutmaßlicher Täter angeklagt wurde. Doch Magnus setzt in seinem Buch dort an, wo die argentinische Presse an der Geschichte das Interesse verlor: nämlich mit der Verhandlung des Falles vor Gericht. Was im Buch weiter geschieht, ist Magnus‘ blühender Fantasie zu verdanken.
Im Roman nimmt Li bei seiner Verurteilung eine Geisel, den Computerfreak Ramiro. Dieser wird von Li ins chinesische Viertel von Buenos Aires entführt und bald entwickelt sich zwischen den beiden eine Freundschaft. Dann verliebt sich Ramiro auch noch in die schöne Yintai, die nur an der frischen Luft mit ihm schläft. Als Ramiro merkt, dass Li gar nicht Fahrrad fahren kann, gleichzeitig jedoch immer seltener im Viertel auftaucht, wird es Zeit für Ramiro, sein neues Leben zu überdenken und eine Entscheidung zu treffen.
Ist die Geschichte am Anfang noch nachvollziehbar und vor allem lustig, so scheint Magnus ab etwa der Hälfte des Buches den roten Faden zu verlieren. Das Buch endet in einer mehr oder minder losen Aneinanderreihung verschiedener Episoden. Die Frage ist, ob es eine bestimmte Art von Humor ist, die manchen LeserInnen gefällt, anderen jedoch abgeht, oder ob es einen eventuell vorhandenen subtilen Witz gibt, der nur zu verstehen ist, wenn man die jüdische und/oder chinesische Gemeinde von Buenos Aires mindestens gut kennt. Eventuell liegt es auch an der deutschen Übersetzung, die vielleicht nicht immer ganz gelungen daherkommt – einige Passagen sind zu eng am Text, andere wiederum zu locker übersetzt. Nach der Lektüre bleibt der Eindruck, in einer Art luftleerem Raum zu schweben, mit der Frage, was einem das Buch sagen wollte oder worin ein Mehrwert dieser Lektüre bestehen könnte.
Nach eigenen Angaben hat Ariel Magnus nur knapp neun Monate zur Fertigstellung des Buches benötigt. Eventuell ist das ein oder andere nicht ganz Ausgereifte darauf zurückzuführen. Auch über den Fall von „Fosforito“ erfährt man leider nichts Genaueres. Dabei wäre gerade Ariel Magnus dafür prädestiniert gewesen: nachdem er den Fall genauestens recherchiert hatte, jedoch keine Zeitung seine Artikel drucken wollte, entschloss er sich kurzerhand, das Material in einem Roman zu verarbeiten.
Dennoch lohnt es sich durchaus das Buch zu lesen. Gerade im ersten Drittel glänzt der Roman durch köstliche Dialoge, die angesichts ihrer Abstrusität und Schnelligkeit an Filme von Quentin Tarantino erinnern. Gleiches gilt für die skurrilen Charaktere. Doch wie bereits erwähnt, lässt diese Rasanz im zweiten Teil des Romans deutlich nach. Die Geschichte plätschert dahin und kann auch mit keinem überraschenden Ende aufwarten. Bleibt die Frage, ob die Andersartigkeit allein ausreicht, ein großes Lesepublikum zu überzeugen.