Berlinale

Die Suche nach dem Glück

Der Dokumentarfilm Hummingbirds erzählt von der Freundschaft zweier junger Menschen im Grenzraum USA-Mexiko

Von Sonja Schmidt

© I Love You Chingos LLC

„The last one is a Republican!“ Dieser simple Spruch beim Wettrennen zwischen den Freund*innen Silvia Del Carmen Castaños und Estefanía „Beba“ Contreras, zugleich Regisseur*innen und Protagonist*innen des preisgekrönten Dokumentarfilms Hummingbirds, entspricht der lakonischen Stimmung, die ihn trägt. Es ist Sommer in Laredo, Texas, wo die mexikanische Grenze in Sichtweite ist. In wackeligen Handkamerabildern, die große Nähe erzeugen, wird das Leben der Freund*innen zwischen Bowling, Bingo und Border gezeigt. Beiläufig und doch unmittelbar beschäftigen sich die beiden mit schweren Themen, die ihre Lebensrealität bestimmen. Estefanías unsicherer Aufenthaltsstatus (sie hat keine gültigen Papiere), die drohende Abschiebung und die eigene Migrationsgeschichte, die beide seit Kindesbeinen bzw. noch im Mutterleib erlebt haben, bilden ein zentrales Thema dieser Doku. Wer den Grenzraum Mexiko-USA kennt, weiß, wie sehr der Austausch beider Welten dort den Alltag bestimmt. Die Doku zeigt die Lebenswelt der Chicano-Community, der aus Mexiko oder anderen Ländern Mittelamerikas stammenden Bewohner*innen der Borderlands zwischen USA und Mexiko. Dort sind auch  Silvia und Estefanía aufgewachsen und verwurzelt. Ihre Sprache ist Spanglish (US-amerikanisches Englisch durchsetzt mit spanischen Halbsätzen), der örtliche Wal-Mart akzeptiert mexikanische Pesos und an jeder Ecke werden Tacos oder Tamales verkauft.

In diesem Setting im geografischen Niemandsland, sehen wir Silvia, Estefanía und ihren Freund*innen einen Sommer lang zu. Wir sehen ihre jugendliche Lebensfreude, das Kichern Pubertierender, aber auch ihren entschlossenen Aktivismus. Sie kämpfen für die Legalisierung von Abtreibung und sind auf der Suche nach einer eigenen Identität ohne binäre Genderzuschreibungen und tradierten Rollenbildern. Das Gestern ist passé, die Zukunft hat noch nicht angefangen. Die Protagonist*innen befinden sich in der Schwebe zwischen Unbeschwertheit, Melancholie und dem Streben nach Glück.

Zurecht gewann Hummingbirds den mit 7.500 Euro dotierten Großen Preisder Jury in der Sektion Generation 14plus. In der Begründung der Jury heißt es: „Für einen berührenden und subtilen Blick in intime Momente eindrücklicher Charaktere, die mit ihrer Freundschaft wachsen […] Ihre Aktionen, Jokes, Lieder, ihr Lachen und ihre Körper sind politisch – und ein notwendiger Weg des Widerstandes.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

LN-Bewertung: 4/5 Lamas

Hummingbirds, USA 2023, Weltpremiere/Debütfilm, 78 Minuten, Regie: Silvia Del Carmen Castaños, Estefanía “Beba” Contreras


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