Die Welt des Fußballs in Costa Rica
Das lange Warten hat nun endlich bald ein Ende: Die nächste WM steht vor der Tür – man kann sie schon fast klopfen hören!
Im Gegensatz zu vielen anderen mittelamerikanischen Ländern ist in Costa Rica nicht Baseball die Sportart Nr. 1, sondern tatsächlich Fußball, gefolgt vom Radfahren, Motocross und Schwimmen. Obwohl das Land mit einer Fläche von 50.000 km² – etwa der Größe Niedersachsens – sehr klein ist, gibt es zwei wichtige Ligen, die in einem äußerst verwirrenden Punktesystem (siehe Kasten) jedes Jahr um die Meisterschaft kämpfen – und natürlich um die Teilnahme an den internationalen Mannschaftswettbewerben.
Die Fußballbegeisterung Costa Ricas sticht in wirklich jedem Ort, und sei er noch so klein, direkt ins Auge: neben einer Plaza Central existiert mit an 100 Prozent Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ein Fußballplatz. Haben es die Stadtplaner besonders gut mit der Jugend gemeint und auch einen Basketballplatz eingerichtet, verfügt dieser Ort dann sogar schon über zwei Fußballplätze – denn wer will schon Basketball spielen?
In den letzten Jahren konnte Saprissa, die Mannschaft aus der Hauptstadt San José, die größten Erfolge für sich verbuchen, im Moment wird ihr dieser Rang von Alajuela, auch „La Liga“ genannt, strittig gemacht…sehr zur Freude vieler Fußballfans aus den Peripherien des Landes: wie in vielen Ländern der Welt wird die Hauptstadtmannschaft hier mit einer gewissen Verachtung betrachtet. Das funktionelle Zentrum des Landes muss ja nicht zusätzlich auch noch der sportliche Dreh- und Angelpunkt sein! Doch diese sportlichen Rivalitäten sind schnell zu überwinden, der Trick ist einfach: bring die Sprache auf die Nationalmannschaft! Das passende Trikot gibt es ab 2200 Colones (rund 8 Euro) in fast jedem Laden, viele neue Freunde dann automatisch dazu, wenn man in diesem Outfit durch die Straßen schlendert.
Für Costa Rica wird es die zweite Teilnahme an einer WM sein, nachdem das Land 1990 in Italien das Achtelfinale erreichte. Gruppengegner waren damals Brasilien, Schottland und Schweden – also durchaus das, was man eine Herausforderung nennen kann, wenn man zum ersten Mal an einer WM teilnimmt! Als Costa Rica im entscheidenden Spiel 2:1 gegen Schweden gewann und damit als Gruppenzweiter hinter Brasilien ins Achtelfinale einzog, wurde dieser großartige Erfolg auf allen Straßen des Landes gefeiert. Der Traum vom Einzug ins Viertelfinale scheiterte dann aber am tschechoslowakischen Team – trotzdem wurden die Spieler bei ihrer Rückkehr wie Nationalhelden verehrt.
Damaliger Trainer war Bora Milutinovic, der die Mannschaft erst 70 Tage vor WM-Beginn übernahm. Auch dieses Mal wird er dabei sein, allerdings als Trainer des Gruppengegners China. Damit führt er bereits das fünfte Mal eine Mannschaft zur WM, kurioserweise jedes Mal eine andere. Bis jetzt war er zumindest immer so erfolgreich, dass er die Vorrunden gut überstand, nun kann man für Costa Rica fast nur hoffen, dass diese Serie dieses Jahr gebrochen wird. In Gruppe C wird es aller Wahrscheinlichkeit nach darum gehen, wer neben Brasilien ins Achtelfinale einziehen wird – und das ist dann hoffentlich nicht China!
Der heutige Trainer Alexander Guimaraes ist seit langem sehr bekannt in Costa Rica, da er zunächst Spieler und dann auch Trainer bei Saprissa war. An der WM 1990 nahm er als Nationalspieler bereits teil. Zu den besten Spielern des Landes gehören momentan Rolando Fonseca und Paulo Wanchope – Letzterer spielt bereits seit langem in England, zurzeit bei Manchester City.
Doch werfen wir den Blick zurück in die costaricanische Liga: „Fußballmillionäre“ kann man zwar getrost suchen, wird aber nicht fündig werden. Obwohl es sich bei Costa Rica um ein vergleichsweise wohlhabendes mittelamerikanisches Land handelt, schießen die Gehälter für ihre Stars nicht ins Unermessliche. Top-Spieler verdienen um die 3000 US-Dollar im Monat, dazu kommen dann allerdings noch Prämien und – wie könnte es bei so allseits beliebten Werbeträgern anders sein – die Erlöse aus den Werbeeinnahmen.
Der Großteil der Bevölkerung kann sich, trotz relativem Wohlstand, den Eintritt in die Stadien nicht regelmäßig leisten – so dass man sich ein bisschen verlassen vorkommen kann. Diese Tatsache wird dann auch fröhlich in Witze umgesetzt: „Warum hat Heredia das größte Stadion der Welt?“ – „Weil es nie voll wird.“ … dieses Stadion fasst allerdings höchstens 10.000 Personen.
Doch auch wenige Zuschauer können für mächtig viel Stimmung sorgen, und dann kann man mittendrin sitzen und die passenden Schimpfwörter lernen. Dazu ist es allerdings nötig, das nicht unproblematische Dilemma zwischen Nähe und Distanz zu lösen: zu nah würde heißen, dass man körperlich nicht unversehrt das Stadion verlässt (der Herumfuchtler -Radius um einen aufgebrachten Fußballfan herum kann recht groß sein), zu große Distanz lässt einen die schönsten Sprüche verpassen.
Neben dem Universal-Schimpfwort „Hijo de Puta“ (Hurensohn) werden die Spieler auch oft als Frauen beschimpft:
„Hei, da spielt ja noch eine Frau mehr…“, „Was will denn die Frau auf dem Platz…“
Die Frauen Costa Ricas wissen dagegen sehr wohl, was sie auf den Fußballplätzen wollen: Spielen!!! Schon wenn man am Strand entlang geht, fallen einem die vielen Mädchen auf, die nicht nur unter sich, sondern auch in gemischten Mannschaften kicken. Und das hat ihnen auch über diese Mikroebene hinaus Anerkennung gebracht, sie spielen seit einigen Jahren in einer eigenen Liga und haben dem Frauenfußball im Lande zu Popularität verholfen.
Die Fußballbegeisterung in Costa Rica wurde durch englische Einwanderer gegen Ende des 19. Jahrhunderts geweckt. Das „fiebre de fútbol“ steckte das ganze Land an, die neue Sportart wurde schnell ein wichtiger Teil Costa Ricas. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Vereine gegründet und bereits die Anstrengung übernommen eine Meisterschaft zu organisieren. Das scheiterte allerdings zunächst und die engagierten Fußballpioniere im Lande mussten sich noch lange gedulden: erst am 13. Juni 1921 wurde die Liga Nacional de Foot-Ball gegründet und damit die heutige Federación Costarricense de Fútbol. In der ersten Spielzeit gewann übrigens der Club Sport Herediano die Meisterschaft und siegte damit vor den damals anderen sechs bestehenden Vereinen.
Nun kann man nur noch „Sehr viel Glück“ für die WM wünschen!!! Am Dienstag, den 04.06.02 zur besten Frühstückszeit um 8.30 Uhr MEZ treffen China und Costa Rica aufeinander und damit auch der ehemalige Trainer Milutinovic auf seinen ehemaligen Spieler und heutigen Trainer Guimaraes.
Wer sich weiter informieren möchte, kann dieses auf der Seite der Tageszeitung „La Nación“ tun, denn eigenartigerweise existiert keine eigenständige Fußballzeitung in Costa Rica – dafür ist aber der Sportteil der Tageszeitungen sehr ausführlich und gut.
KASTEN
Campeonato Nacional
Anzahl der Teams in 1. Liga: 12
Die Saison: Von September bis April (in der Trockenzeit)
Der Aufbau / das System: Es werden zwei Hälften gespielt mit je 22 Spieltagen (d.h. jedes Team spielt – über die gesamte Meisterschaft gesehen – gegen jeden viermal). Gewinnt beide Hälften dieselbe Mannschaft, ist sie automatisch Meister, ohne die Meisterschaftsendrunde (Hectagonal) ausspielen zu müssen. Es steigen 2 Mannschaften ab, die durch die beiden Ersten der 2. Ligen (A und B) ersetzt werden.
Das Hectagonal: Werden beide Hälften nicht von derselben Mannschaft gewonnen, spielen die besten sechs Teams der Gesamttabelle (also nach 44 Spieltagen) im so genannten Hectagonal im K.O.-System um die Meisterschaft.
Die Tabelle: Dargestellt werden immer die Tabla general de Clausura (die aktuelle Tabelle einer Hälfte) und die Zona de descenso (die 4 schlechtesten Teams der Gesamttabelle). Wenn man sich in der zweiten Hälfte befindet, wird dazu die Gesamttabelle oder der Endstand der ersten Hälfte gezeigt (Torneo de Apertura).
Aktuelle Infos bekommt man unter: www.nacion.com/ln_ee/futbol/campeonato2001-2002/
In der laufenden Meisterschaft führt in der 2. Hälfte La Liga aus Alajuela uneinholbar. Die erste Hälfte ging an Santos aus Guapiles. Es bleibt spannend!