Literatur | Nummer 295 - Januar 1999

Ein roter Philippe Marlowe

„Die Spur nach Feuerland“ von Luís Sepúlveda

Raul Zelik

Daß die Verlage Libertäre Assoziation und Schwarze Risse/Rote Straße ein für linke Kleinverlage bemerkenswertes literarisches Programm besitzen, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Während die Namen Nanni Balestrini und Mauricio Rosencof in Deutschland jedoch nur KennerInnen romanischsprachiger Literatur und Linken ein Begriff sind, ist der nun verlegte Luís Sepúlveda auch hierzulande ein renommierter Autor. Es ist sicher kein Zufall, daß sich größere Verlage um „Die Spur nach Feuerland“ nicht gerade gerissen haben, denn das Buch erzählt die Geschichte eines gescheiterten Revolutionärs, und so viele linke Altlasten möchten die Großverlage denn doch nicht mit sich herumschleppen.

Paradoxes Farbenspiel

Der aus Chile stammende Luís Sepúlveda hat im spanischsprachigen Raum das Image des Vagabunden-Schriftstellers. Seine Romane handeln von umherschweifenden Helden oder gleich vom Reisen. Außerdem gehört er zu dem Kreis der roten Krimi-Autoren um Taibo, die den (paradoxes Farbenspiel) schwarzen Krimi von Chandler oder Malet politisch neu aufgeladen haben. Wenn man das weiß, birgt die Geschichte von „Die Spur nach Feuerland“ nicht allzu viele Überraschungen. Juan Belmonte, ein in Deutschland im Exil lebender Chilene, der sich an der Reeperbahn als Türsteher durchschlägt, wird von einer Versicherungsgesellschaft angeheuert, dem Verbleib eines Goldschatzes in Patagonien nachzuforschen. Die Münzen sind Teil eines von Nazis geraubten, jüdischen Privatvermögens und gelangen über einen fahnenflüchtligen deutschen Soldaten 1941 nach Argentinien. Doch auf der Spur der Goldmünzen ist nicht nur der Ex-Guerillero Belmonte, der zu dem Auftrag gezwungen wird, sondern auch eine hängengebliebene Stasi-Seilschaft, die den Sprung in die Marktwirtschaft auf ihre Weise zu vollziehen versucht.
So entsteht eine Verfolgungsjagd, in die sich zahlreiche andere Stränge hineinweben: eine Abrechnung mit dem Parteikommunismus und den Säuberungen gegen die Linke (vor denen Belmonte schon in den 80ern aus Nicaragua fliehen mußte), eine kleine Liebeserklärung an den unerträglich kalten patagonischen Süden, die Melancholie des gescheiterten Revolutionärs und einige wirklich witzige Passagen über den Gemütszustand der Deutschen, für die ein Schwarzkopf immer ein Türke ist und am besten sofort zu verschwinden hat.

Ein guter Verlierer gibt nie auf!

Wie so oft bei Krimis bleiben die Personen etwas schemenhaft, man hat den Eindruck, die Geschichte hätte einen längeren Reifungsprozeß verdient gehabt, aber so sind Krimis nun einmal. Der Charakter des Ich-Erzählers Juan Belmonte bleibt einem auf jeden Fall in Erinnerung. Manchmal erinnert er stark an den zigarettenrauchenden Philippe Marlowe, doch dann ist er wieder ganz der von Melancholie gequälte ewige Verlierer, der auch nach 30 Jahren nicht aufgeben will.

Luís Sepúlveda: Die Spur nach Feuerland; Verlag Libertäre Assoziation und Schwarze Risse/Rote Straße, Hamburg und Berlin 1998, 198 Seiten, 26.-DM
(ca. 13 Euro).

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