Berlinale

Etwas Altes, Etwas Neues, Etwas Geliehenes, Etwas Blaues

El secuestro de la novia stellt konventionelle Lebensentwürfe in Frage

Von Emily Groth

© Jacob Sauermilch

„Ja es fühlt sich komisch an, aber wichtig ist, wie es aussieht!“, mit dieser Idee vom Leben sehen sich der deutsche Fred (David Bruning) und die argentinische Luisa (Rai Todoroff), die eine harmonische und gleichberechtige Beziehung führen, auf einmal konfrontiert, als ihre Eltern zur Hochzeit anreisen. Der mittellange Film El secuestro de la novia der deutsch-argentinischen Regisseurin Sophia Mocorrea, der Teil der Sektion Perspektive Deutsches Kino ist, zeigt in vier Kapiteln mit Witz und Ironie die Gelähmtheit, welche durch die Erwartungen anderer ausgelöst wird. Die Kapitel sind nach den Hochzeitstraditionen Algo Viejo (Was Altes), Algo Nuevo (Was Neues), Algo Prestado (Was Geliehenes) und Algo Azul (Was Blaues) benannt, wodurch auf die konventionellen Denkmuster angespielt wird. Nahaufnahmen und lange Szenen der Zweisamkeit von Fred und Luisa zeigen die eigentliche Nähe und Vertrautheit der beiden. Das langsame Eindringen der Eltern in ihre Beziehung wird gleich zum Anfang am Berliner Flughafen angedeutet, wo auf Grund der Tatsache, dass ungefragt das Brautkleid und sämtlicher Hochzeitskram mitgebracht wurden, kein Platz mehr im Auto für Fred ist.

Das Aufeinandertreffen der Eltern in der deutschen Vorstadt wird durch den Fokus auf den Gartenzaun unterstrichen und dem „doch so schönen, geerbten Haus“, in das Luisa und Fred einziehen sollen. Denn darin sind die Elternteile sich einig: „Wenn erstmal die Kinder kommen, braucht ihr Platz“. Die Absurdität der Erwartungen der anderen an sie wird durch sprachliche Mittel unterstützt und durch mehrere Szenen dargestellt. Das von Luisa ausgesuchte Brautkleid wird durch das mitgebrachte ersetzt und zeigt auf charmante Art und Weise, wie ihre Familie ihre eigenen Vorstellungen von einer schönen Braut hat. Auch Fred wird nicht gehört und von den Vorstellungen der Schwiegereltern überhäuft, so dass sich Fred und Luisa auf ihrer eigenen Hochzeit gemeinsam im Klo verstecken müssen, um sich Champagner trinkend über den Wahnsinn ihrer Eltern auszutauschen.

© Jacob Sauermilch

Die beiden lassen durch die Kapitel hinweg vieles über sich ergehen, doch kippt die Stimmung im letzten Kapitel bei der Brautentführung, da Fred abgefüllt wird und Luisa unangenehme Fragen auf der Wache über sich ergehen lassen muss. Die Distanz, die sich zwischen Ihnen aufgebaut hat, endet im Morgengrauen auf einem Feld, wo sie sich durch Handschellen verbunden im Hochzeitsoutfit wiederfinden. Durch die langen Nahaufnahmen der Blicke und Gesichter, gibt der Film den Zuschauer*innen Zeit, die Gefühle nachzuempfinden und die Gelähmtheit zu fühlen, in der sich die beiden wiederfinden.

Der Film zeichnet sich durch die authentische schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller*innen aus, mit denen man sich automatisch identifiziert. Die Monologe der Eltern spiegeln uns allen bekannte Aussagen wider und gewinnen dadurch an Witz, dass sie unverfälscht mit einer Beiläufigkeit wiedergegeben werden.

Mit diesem Abschlussfilm ihres Studiums an der Filmuniversität Babelsberg präsentiert Sophia Mocorrea ein Narrativ, welches berührt und zeigt mit Originalität die Absurdität von Konventionen auf, mit denen wir uns doch alle immer wieder konfrontiert sehen.

LN-Bewertung: 5/5 Lamas

El Secuestro de la novia, Deutschland 2023, Perspektive Deutsches Kino, 30 Minuten, Regie: Sophia Mocorrea

Berlinale Termine:

Dienstag, 21.02., 12:00 h, Cubix 2
Dienstag, 21.02., 19:00 h, International
Mittwoch, 22.02., 21:30 h, Filmtheater am Friedrichshain
Donnerstag, 23.02., 16:30 h, Zoo Palast 3+4+ 5
Freitag, 24.02., 10:00 h, Cubix 6
Sonntag, 26.02., 16:30 h, Zoo Palast 3+4+5

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